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Berlin: Mehrausgaben – politisch gewollt

Berlin könnte mehr als 100 Millionen Euro jährlich sparen, sagen die Prüfer. Die Regierung sieht das anders

Rund 114 Millionen Euro haben die Behörden und öffentlichen Betriebe des Landes Berlin im vergangenen Jahr für unnötige Ausgaben verschwendet. Das bemängelt der Landesrechnungshof in seinem jetzt veröffentlichten Jahresbericht. Neben den hohen Ausgaben für Mietzahlungen für Hartz-IV-Empfänger, die die Prüfer für rechtswidrig halten, werden zahlreiche weitere unwirtschaftliche Investitionen und fragwürdige Projekte bemängelt. Der Tagesspiegel hat nachgefragt, wie der Senat auf die Kritik reagiert.

ZU HOHE HARTZ-IV-KOSTEN

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) stimmt dem Rechnungshof zu. „Wir haben großzügige Mietobergrenzen, die überprüft werden sollten“, sagte er am Dienstag. Im Vergleich mit anderen Großstädten liege Berlin bei den Kosten für die Unterkunft um 8 bis 14 Prozent höher. Sarrazin wird mit diesem Vorhaben aber auf Widerstand aus der SPD-Fraktion stoßen. Die sozialpolitische Expertin der Fraktion, Ülker Radziwill, verteidigte gestern die Berliner Regelung als sinnvoll und den Verhältnissen in der Stadt angepasst. Genauso sieht dies auch der Koalitionspartner Linkspartei/PDS. Der Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen nannte es absurd, Hartz-IV Haushalte in größerem Umfang in den Billigwohnungsmarkt abdrängen zu wollen. Diese stünden ohnehin nicht in dem benötigten Umfang zur Verfügung.

ZU VIELE TEURE STAATSSEKRETÄRE

Berlin hat 18 Staatssekretäre – also Verwaltungschefs – mehr als jedes andere Bundesland. Wegen der schwierigen Haushaltslage hält der Rechnungshof dies für unangemessen. Auch weisen die Prüfer darauf hin, dass „in den Leitungsbereichen der Senatsverwaltungen weitaus mehr Stellen vorhanden sind, als nach der Soll-Ausstattung eines Leitlinienbeschlusses des Senats aus dem Jahr 1993 zulässig wären“. Nach der letzten Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2006 wurde die Zahl gegen den Willen der Finanzverwaltung noch einmal aufgestockt. Finanzsenator Sarrazin sieht das dennoch gelassen. Man könne sich darüber unterhalten, „ob Staatssekretäre nützlich sind“, merkt er an. „Aber die meisten sind es, und als Kostenfaktor spielen sie eher eine untergeordnete Rolle.“

UNWIRTSCHAFTLICHE BIOTONNEN

Die Biotonne soll nach Meinung der Rechnungsprüfer abgeschafft werden. Ihre Kritik: Mit rund 14 Millionen Euro viel zu hohe Kosten und zu geringer Nutzen. Das hatte der Rechnungshof in den vergangenen Jahren immer wieder moniert. Jetzt fühlen sich die Prüfer durch ein BSR-Gutachten bestätigt, das den ökologischen Nutzen der Bioabfallsammlung in Frage stelle. Die Umweltverwaltung aber hält an der Biotonne fest, will diese trotz Protesten sogar auf ganz Berlin ausdehnen – was die Kosten weiter erhöhen wird. Laut Bundesgesetz habe die Abfallverwertung Vorrang vor der Beseitigung, argumentiert die Senatsverwaltung.

ZU VIELE UND SCHLECHTE BIBLIOTHEKEN

Berliner können in 82 Bibliotheken Bücher ausleihen – viel zu viele, und die sind auch noch teuer und schlecht, meint der Rechnungshof. 40 könne man problemlos schließen. Außerdem seien sie ungleich verteilt: Manche Bezirke haben nur 3, andere 13 Büchereien. „Das stimmt“, bestätigt der Sprecher der Kulturverwaltung, Torsten Wöhlert. „Das Problem ist erkannt und seit zwei Jahren in Bearbeitung. Aber es ist sehr kompliziert und zentralistisch nicht zu lösen.“ Denn die Bezirke bekommen seit einigen Jahren ihr Geld als Pauschale, mit der sie machen können, was sie wollen. Es werde daran gearbeitet, die Bezirke zu besserer Abstimmung zu bewegen und so die Leistungsfähigkeit der Büchereien zu steigern, so Wöhlert. Da es in den vergangenen Jahren schon ein massives Bibliothekensterben gegeben habe, seien weitere Schließungen aber nicht wünschenswert.

KAPUTTE SCHULEN UND SPORTSTÄTTEN

Schulen und Sportstätten sind marode und verfallen immer mehr. Das sei unwirtschaftlich, beklagen die Rechnungsprüfer. Vorhandene Schäden würden immer größer, die Beseitigung immer teurer. Außerdem sei das Geld zweckentfremdet worden: Was für Sanierung bestimmt war, sei zum Teil für Neubauten verwendet worden. Auf Ausschreibungen sei verzichtet worden, was meist zu unwirtschaftlichen Ergebnissen führe. Die zuständige Verwaltung konnte bis zum Nachmittag dazu nicht Stellung nehmen.

Der Bericht des Landesrechnungshofs zum Herunterladen im Internet: www.berlin.de/rechnungshof/veroeffentlichungen/index.html

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