Firmen in Not: Mehr Krankmeldungen in der Krise
Doppelt so viele BVG-Mitarbeiter wie üblich sind zurzeit krank. Auch Baustellen kommen krankheitsbedingt langsamer voran als geplant.
Bei der BVG sind doppelt so viele Mitarbeiter krank gemeldet als normal und fünf Prozent mehr als bei starken Grippewellen. Zurzeit seien es 20 bis 25 Prozent der Belegschaft, sagt die BVG. Die Gewerkschaft Verdi spricht sogar von mehr. Im Bereich Angebot und Vertrieb seien es 30 Prozent, beim wichtigen Fahrdienst 20 Prozent, sagt Verdi-Bereichsleiter Jeremy Arndt.
Auch er sagt: Normalerweise sind nur halb so viele Mitarbeiter bei dem Betrieb im Krankenstand. Die besonders hohen Zahlen haben wohl viele Gründe: Neben der normalen Grippewelle gebe es bei einigen Mitarbeitern eine Doppelbelastung durch Kinderbetreuung und wohl auch bei einigen Angst vor Ansteckung.
Positiv sei, dass die BVG in allen Bussen Schutzfolien mit Reißverschluss am Fahrerplatz anbringe, die Aktion nach Wiener Vorbild solle noch in dieser Woche abgeschlossen werden. Da Busfahrer hinter dem Lenker eine eigene Belüftung hätten, sei das Ansteckungsrisiko mit der Folie minimiert. Sofort nach Beginn der Coronakrise hatte die BVG den Einstieg durch die Vordertür und den Verkauf von Fahrscheinen durch den Fahrer gestoppt. In den Werkstätten habe die BVG den Personalwechsel bei Schichtende entzerrt, damit sich möglichst wenige Kollegen treffen, lobte Arndt. Die Verteilung der Schutzmasken dagegen habe jetzt erst begonnen, sagte der für die BVG zuständige Verdi-Vertreter.
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Im Bereich Homeoffice gebe es Nachbesserungsbedarf. Zwar seien Büros mit mehreren Mitarbeitern teilweise ins Homeoffice geschickt worden, aber eben nicht alle. Dies sei „etwas zögerlich“, sagte Arndt. In diesem Punkt seien die anderen landeseigenen Unternehmen wie Wasserbetriebe und Stadtreinigung deutlich besser. Sinnvoll sei die schnelle Schließung von Verkaufsstellen und der Schwarzfahrerbearbeitung, die besonders viel Kundenkontakt haben.
Die Einschränkungen im Betrieb seien prinzipiell behutsam und koordiniert erfolgt, nachbessern könne man allerdings zu den Stoßzeiten in der U-Bahn. Wie mehrfach berichtet gibt es heftige Kritik von Fahrgästen, dass es zu Spitzenzeiten zu voll in den Waggons sei und der vorgeschriebene Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden könne. Arndt lobte, dass die BVG täglich die Fahrgastströme beobachte und nachjustiere.
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Die bevorstehende Tarifauseinandersetzung im Nahverkehr wird „angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie vorerst ausgesetzt“, teilte Verdi unterdessen mit: „Wir halten die Uhr an, denn für uns steht an erster Stelle, in dieser Krise mit einmaligem Ausmaß verantwortungsvoll zusammenzustehen und Gesundheit und Einkommen zu sichern.“
Auch Berliner Investoren melden von ihren Baustellen Verzögerungen wegen des Krankenstandes. Shopping-Hall-Investor Harald Huth, der am S-Bahnhof Tiergarten ein Bürohaus errichtet, schätzt, dass „etwa 20 Prozent der Beschäftigten zu Hause bleiben“. Die fehlten dann auf den Baustellen. Dadurch seien Baufirmen nicht leistungsfähig – Projekte verspäteten sich.
Die Chefin der Fachgemeinschaft Bau Manja Schreiner bestätigte auf Anfrage den Trend zu höheren Krankenständen in der Branche. Seit Einführung der telefonischen Krankschreibung gebe es einen um „zehn bis 15 Prozent höheren Krankenstand als 2019“. Hinzu komme die Bereitschaft der Baufirmen, auch bei ungeklärten Infektionen eher auf Mitarbeiter zu verzichten: „Sie wollen nicht riskieren, dass sich alle Mitarbeiter anstecken, falls einer wirklich das Virus in sich trägt.“