20 Jahre Berlin-Bonn-Gesetz (XVI): Mehr Infrastruktur!
Berlins Attraktivität ist die Vielfalt der Stadt, vor allem kulturell. Diese Vielfalt braucht eine bessere Infrastruktur, aber keinen Masterplan. Und auch keine neuen gesetzlichen Regelungen.
In unserer Debatten-Serie zum 25. Geburtstag des Bonn-Berlin-Gesetzes meldet sich Klaus Mangold zu Wort, der Aufsichtsrats-Vorsitzende von TUI.
Zweifelsohne hat Berlin durch die Wiedervereinigung eine stürmische Entwicklung genommen und sich als akzeptierte Hauptstadt Deutschlands in der Welt und im Besonderen in Europa fest etabliert. Es hat eine enorme Aufbauleistung erbracht und den schwierigen Prozess der Selbstfindung nach den turbulenten 90er Jahren bravourös geleistet. Natürlich ist nichts vollkommen; diese 25 Jahre sind nicht ohne Irritationen und Fehler gewesen. Wenn man aber heute auf diese Stadt schaut, können die Deutschen und die Berliner, die ja mehr von Zweifeln, Kritik und zurückhaltender Zufriedenheit geprägt sind, eigentlich stolz sein.
Aber wo ist die Perspektive? Berlin braucht zur Entwicklung einer neuen Strategie für die Jahre nach 2050 nochmals einen Prozess des Innehaltens und der Standortbestimmung. Berlin hat sich in allen Bereichen der Kultur, der Wissenschaften, der Universitäten, des geistigen Lebens exzellent entwickelt und kann in diesen Feldern einen berechtigten Führungsanspruch erheben. Aber Projekte wie etwa die Akademie der Künste, die Museumsinsel, das Jüdische Museum und viele andere werden meistens von Einzelnen vorangetrieben und dann – teilweise etwas mürrisch – unterstützt.
Hervorragende Projekte finden auch in Berlin immer eine entsprechende Finanzierung
Man kann natürlich fragen, ob es eines großen Masterplans bedarf, um gerade im Bereich der Kultur nochmals zum Sprung nach vorne anzusetzen. Ein solcher Prozess wäre schwierig und voller Widersprüche, weil die Interessenausrichtung als zu heterogen erscheint. Wer will entscheiden, wie die Spitzenpositionierung im Bereich der Musik, der Theater aussehen soll, wer gestaltet die Museumslandschaft? Der Prozess würde in große Schwierigkeiten kommen und wahrscheinlich stecken bleiben, wenn es um die Zuweisung der finanziellen Mittel geht. Berlin – wie viele andere große Städte – lebt von der Vielfalt hervorragender Projekte, die Einzelne erarbeitet haben, und wenn sie gut sind, finden sie immer eine entsprechende Finanzierung.
Über zehn Millionen Touristen im Jahr sind ein beredter Beweis für die Attraktivität der Stadt. Die Vielfalt seiner kulturellen Dimension braucht keinen Masterplan. Die geschickte, koordinierende Hand einer Frau wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters und viele begeisterte Individualisten wären für mich alleine schon Garant für weiteres, vielschichtiges Auftreten im kulturellen Leben der Stadt.
Wichtig für die Hauptstadt ist die Einbindung in global gut funktionierende Verkehrsnetze
Auch braucht Berlin – vielleicht unter Modifizierung des grundgesetzlichen Auftrags – keine neue gesetzliche Basis. Wichtiger sind die politischen Rahmenbedingungen in einer intelligenten Vernetzung zwischen dem Bund, dem Land und seinem Umfeld, um das Bestehende noch mutiger zu optimieren. Wir leben in einem föderalen System, das seine Stärke aus der Individualität und der Vielfalt bezieht. Ich befürchte, dass gesetzliche Rahmenbedingungen vieles erschweren und Freiheitsspielräume einengen würden. Vieles würde zulasten einer Berlin-spezifischen Attraktivität gehen.
Wichtig ist, dass Berlin seine Infrastruktur weiterentwickelt. Dies gilt vor allem für die weltweite Einbindung in global gut funktionierende Verkehrsnetze. Der Flughafen ist auf gutem Wege, und er wird fertig. Es spielt dabei nicht die entscheidende Rolle, ob dies 2015 oder 2016 der Fall sein wird. Berlin muss sich aber auch über die Arbeitsplätze Gedanken machen. Wo, in welchen Bereichen, für welche Zielgruppen wird es Arbeitsplätze geben? Bei einer zukunftsorientierten, wirtschaftlich geprägten Standortbestimmung ist Berlin in den vergangenen 25 Jahren leider nie der große Wurf gelungen. Innovationsinseln wie Adlershof sind gut, aber sie reichen nicht. Vor allem dann nicht, wenn die Stadt für junge Menschen attraktiv bleiben will.
Es kann aber nicht sein, dass Berlin nur als „Katalysator“ für junge Menschen und ihren ersten Job gesehen wird, ohne Nachhaltigkeit in der Beschäftigung. Berlin muss es den Unternehmen leichter machen, sich hier anzusiedeln. Man braucht nur in die jungen Länder Asiens, nach Kalifornien, in die dynamischen Regionen Chinas oder auch nach Osteuropa zu schauen, um zu erkennen, wie man so etwas machen kann.
Berlin muss auch für ausländische Unternehmen attraktiv sein, unter Einbeziehung seines Umfelds. Es sollte dabei auch seine Stärken im Ost-West-Verhältnis ausspielen. Wien hatte da sicherlich keine bessere Ausgangssituation als Berlin, ist aber heute ein hochattraktiver Standort für Unternehmen mit hoher Wertschöpfung. Berlin hat dafür in der Vergangenheit zu wenig investiert, weder in die Infrastruktur noch in steuerliche Erleichterungen. Hier liegt eine große Aufgabe. Sie muss von einem neuen Berliner Regierungschef beherzt und mit international geprägter Hand angegangen werden.
Ich glaube, dass es weder für die künftige Entwicklung seiner exzellenten kulturellen Basis noch zur Gestaltung neuer Handlungsspielräume in der Wirtschaft zusätzlicher gesetzlicher Rahmenbedingungen bedarf. Gute Projekte und gute Ideen haben in unserem Land immer noch eine gute Finanzierung gefunden. Ich bin sicher, dass Berlin dies auch weiterhin gelingen wird!
In unserer Hauptstadt-Debatte schrieben bisher Rupert Scholz, Peter Raue, Wolfgang Schäuble, Norbert Blüm, Michael Naumann, George Turner, Edzard Reuter, Ingo Kramer, Joachim Braun und Egon Bahr, Alexander Otto, Adrienne Goehler, Norbert Lammert, Hermann Borghorst und Monika Grütters. Nachzulesen auf www.tagesspiegel.de/kultur
Klaus Mangold