Steigende Asylbewerberzahlen: Mehr Flüchtlinge in Berlin - auch aus der Ukraine
Bald kommen mehr Flüchtlinge aus Osteuropa. Sozialsenator Mario Czaja will noch 2014 ein Containerdorf eröffnen. Nach seinem Brandbrief helfen jetzt Senatskollegen.
Mehr Flüchtlinge werden kommen, dazu während des Winters auch Armutsauswanderer, und für all die Bedürftigen fehlen nach wie vor Unterkünfte – Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat am Dienstag erneut über die steigenden Asylbewerberzahlen gesprochen. „Ich rechne nicht mit einem Rückgang“, sagte Czaja. „Allenfalls mit anderen Herkunftsländern.“ Mit 1309 Anträgen wurde in Berlin im September der bisherige Höchststand von August übertroffen.
Ukrainer haben in Berlin auch Bekannte und Verwandte
Noch fliehen die meisten Neuankömmlinge aus Syrien, vom Balkan, aus Vietnam und Pakistan. Gerade in diesen Wochen kämen aber mehr Menschen aus Eritrea, dem Irak und der Ukraine. Dass mehr Flüchtlinge aus der Ukraine nach Berlin reisen, ist auch unter ehrenamtlichen Helfern bekannt. Dabei spiele nicht nur die relative Nähe des Landes eine Rolle, sondern auch, dass viele Ukrainer in Berlin entfernte Bekannte und Verwandte hätten.
Wie berichtet, werden 2014 bis Jahresende wohl 11 500 Menschen einen Erstaufnahmeantrag in Berlin gestellt haben – das sind rund viermal so viele wie 2011. Der Senat möchte deshalb Wohncontainer einrichten, denn geeignete Gebäude sind knapp. Die Gespräche mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die in Berlin allein 1700 bundeseigene Wohnungen verwaltet, waren Czaja zufolge „nicht sehr fruchtbar“.
Bis zu acht Dörfer aus Wohncontainern
Die angekündigten Wohncontainer sollen an sechs bis acht Standorten in der Stadt errichtet werden. Noch 2014 dürften ein bis zwei Containerdörfer entstehen. Der Senat hat landeseigene Grundstücke vom Liegenschaftsfonds und von Landesunternehmen wie der BSR und der BVG bekommen. Wohncontainer sind auch in anderen Bundesländern verbreitet: Weder Wohnqualität noch Sicherheit gelten als problematisch. Für den Bau der Flüchtlingscontainer haben sich 17 Unternehmen beworben.
Czajas Brandbrief irritiert Senatskollegen
Während sich die Zahl der Neuankömmlinge seit 2011 vervierfacht hat, gab es bei der zuständigen Behörde nicht mal eine Personalverdoppelung: Im Landesamt für Gesundheit und Soziales befassen sich statt 70 bald 130 Mitarbeiter mit Flüchtlingsbetreuung. Nach einem Brandbrief Czajas an seine Senatskollegen vom Freitag helfen nun 30 weitere Mitarbeiter anderer Senatsverwaltungen. Der Brief hat Irritation bei einigen Senatoren hervorgerufen: Czajas Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU) habe Mitte September erstmals in der jeden Montag stattfindenden Staatssekretärsrunde erwähnt, dass man prüfen werde, wie man Unterstützung erhalten könne, hieß es. Dies sei ein „Appellruf“ gewesen, ohne zu konkretisieren.
Senator Czaja braucht Asylrechtsexperten und Bauspezialisten
Die 30 Zusatzmitarbeiter würden je nach Erfahrung für „sechs bis acht Wochen oder auch länger“ eingesetzt, sagte Czaja. Gebraucht würden Sozial- und Asylrechtsexperten sowie Bauspezialisten. „Selbstverständlich bin ich dafür offen und unterstütze Senator Czaja“, sagte Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) dem Tagesspiegel. Der „Austausch“ der Mitarbeiter erfolge auf kürzestem Dienstweg. Die Verwaltungen von Kolat und Czaja sind in einem gemeinsamen Gebäudekomplex in der Oranienstraße untergebracht.
Nahverkehrsanschlüsse und Schulen in Nähe der Flüchtlingscontainer
Damit die Wohncontainer für insgesamt 2200 Menschen zügig errichtet werden können, soll die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Bauten genehmigen, nicht die einzelnen Bezirksämter, in deren Gebiet die Unterkünfte entstehen. Wo genau dies sein wird, teilt Czaja frühestens kommende Woche mit. Man habe darauf geachtet, sagt er, dass sich Nahverkehrsanschlüsse und Schulen in der Nähe befinden. Die Container werden einen „mittleren zweistelligen Millionenbetrag“ kosten. Anders als die anderen Unterkünfte werden sie dem Land gehören – was mehr Spielraum ermöglicht. Die Wohncontainer sollen wie die bestehenden Heime von privaten und gemeinnützigen Trägern betrieben werden. Derzeit leben 11.000 Asylbewerber in 23 privaten und 22 gemeinnützig betriebenen Heimen.