Berlin-Marathon: Marathonradeln durch die autofreie Stadt
Einige Dutzend Radler nutzten die Marathonstrecke zum eigenen Vergnügen. Am frühen Morgen ging es über die leergeräumten Straßen durch die Stadt.
Streckenkenntnis hatte die Radlertruppe kaum. Mehrfach musste kurz über die Richtung diskutiert werden, zum Ende hin verfuhr man sich sogar. Der blaue Streifen auf dem Asphalt war dann doch nicht so gut zu sehen. 70 Radfahrer waren am Sonntag früh die ersten, die auf die Marathonstrecke gingen, ganz ohne Anmeldung und Formalien. Los ging’s um 6 Uhr am Großen Stern, der Morgenstern stand da überm Brandenburger Tor am nächtlichen Himmel, und am Horizont zeigte sich erster heller Schein. Schöner können keine 42,195 Kilometer beginnen, nur wärmer. Mickerige sechs Grad Celsius waren es.
Polizei schleppt konsequent ab
Das Motiv der Gruppe: die Stadt ohne Autos erleben. Denn der Marathontag ist der einzige im Jahr, an dem die Polizei konsequent abschleppt, nicht nur Falschparker, sondern alle, die an der Strecke parken. Ansonsten ignorieren die 20 000 Berliner Polizisten selbst auf Rad- und Gehwegen abgestellte Wagen oft mit aller Kraft.
„Alle parkenden Autos sind abgeschleppt – als ob es sie nie gegeben hätte. Ungewohnt, fast unheimlich und still erlebst Du die Stadt“, warb Initiator Heinrich Strößenreuther für den Marathon-Ride bei Facebook. Das stimmte zwar nicht ganz, vor allem in Kreuzberg war gegen 6.30 Uhr noch eine ganze Armada an gelb blinkenden Abschleppwagen im Einsatz. Und einige Berufskraftfahrer, die in Taxis, fühlten sich bemüßigt, die nicht ganz nach Straßenverkehrsordnung fahrende Radler-Demo von der Fahrbahn zu hupen.
Am Olivaer Platz wurden die Radfahrer ausgebremst
Denn gefahren wurde nach den Regeln der „Critical Mass“, die in Berlin regelmäßig freitags um 20 Uhr startet. Critical Mass heißt: Die Stadt gehört auch den Radfahrern, und die können gerne auch mal zwei von drei Fahrspuren belegen. Motto: Autos bitte einmal hinten anstellen. Überraschenderweise ignorierte die Polizei die Demonstration völlig, sonst versucht sie gerne, die Critical Mass zu begleiten.
Nur am Olivaer Platz stand ein Beamter mitten auf der Fahrbahn und bremste die Radlergruppe. Auf Heinrich Strößenreuthers freundliche Ansprache („Könnten Sie einen Meter beiseite“) reagierte der Mann mit einem barschen „Nein“. Begeistert waren dagegen die vielen hundert Marathon-Freiwilligen, die am Morgen bereits ihre Tische aufbauten, Bananen stapelten und Wasserbecher füllten. Viele klatschten, dachten wohl, die gehören irgendwie zum Marathon.
In den ersten Sonnenstrahlen ging’s über den Kurfürstendamm und am Leipziger Platz sowie Unter den Linden unter aufblasbaren Toren hindurch. Aufschrift: „Ihr seid Helden“. Einige in der Gruppe rissen da sogar die Arme hoch: Gewonnen, 42,195 Kilometer Stadt ohne Autos.
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