Machtfrage in der Berliner CDU: Männerwirtschaft
Unter der Landeschefin Monika Grütters wurde die CDU weiblicher – zumindest an der Spitze. Welche Folgen hat der anstehende Führungswechsel zu Kai Wegner?
„Die Hauptstadt ist weiblich.“ Mit diesem Satz kommentierte Monika Grütters – damals noch vergleichsweise fest im Sattel – im November 2018 die Wahl von Hildegard Bentele zur Spitzenkandidatin der Berliner CDU für die Europawahl. Beide posierten Arm in Arm, freuten sich über einen weiteren Landgewinn der Frauen in der CDU. Ein halbes Jahr später ist die Situation eine völlig andere.
Grütters, durch die gegen den Vorschlag des Landesvorstands erfolgte Wahl Benteles schwer in die Kritik geraten, hat wenige Tage nach der Kandidatur von Kai Wegner für den Landesvorsitz die Waffen gestreckt und tritt nicht wieder für den Posten an. Bentele, der ihre offiziell spontane Kandidatur schon damals viele übelgenommen hatten, ist innerhalb der eigenen Partei schwer unter Druck geraten.
Und die übrigen Frauen in der CDU? Von ihnen schauen nicht wenige mit Sorge auf den anstehenden Wechsel an der Spitze des Landesverbandes. Immerhin war es Grütters, die ohne in der Satzung fixierte Quote einen paritätisch besetzten Landesvorstand durchgesetzt hatte – ein bundesweit einmaliger Vorgang, auf den zu verweisen Grütters nie müde wurde.
Paritätisch besetzter Landesvorstand - aber nur vier weibliche Abgeordnete
Die andere Seite der Medaille: In der Abgeordnetenhausfraktion stellen Frauen vier von 31 Abgeordneten – von den sechs Berliner Bundestagsabgeordneten der CDU ist Grütters die einzige Frau. Die zwölf einflussreichen CDU-Kreisverbände werden ausschließlich von Männern angeführt.
Um zumindest mit Blick auf den Landesvorstand den Status quo zu erhalten, rammt Edeltraud Töpfer, Vorsitzende der Berliner Frauen Union, bereits jetzt die ersten Pflöcke ein. „Ich werde fordern, dass der Frauenanteil auch künftig 50 Prozent beträgt“, erklärt sie und fügt hinzu: „Wir möchten keinen Rückschritt erleiden müssen und werden diesen nicht hinnehmen.“
Töpfer, die selbst am kommenden Samstag erneut für den Posten der Vorsitzenden der Frauen Union kandidiert, stellt klar: „Ich erwarte, dass die Uhr nicht zurückgedreht wird.“ Aber ist ein solcher Rückfall unter Kai Wegner überhaupt zu erwarten? Am vergangenen Freitag, als sich der Herausforderer an der Seite der aus dem Amt scheidenden Grütters der Presse gestellt hatte, erklärte er: „Selbstverständlich möchte ich auch, dass wir weiblich sind und bleiben.“
Der „weibliche Blick auf bestimmte politische Themenfelder ist enorm wichtig“, hatte Wegner gesagt und angekündigt: „Sie werden überrascht sein, wie viele Frauen auch im nächsten Landesvorstand Mitglied sind.“ Widerspruch von Grütters erntete er für die Aussage, nicht die Zahl der Frauen in Ämtern, sondern das „inhaltliche Angebot an Frauen“ zähle.
Sie erinnerte an die in der Vergangenheit zwischen ihr und den Chefs der Kreisverbände getroffenen Vereinbarungen zur Einbindung von Frauen. Viele „freundliche Gespräche“ habe sie darüber führen müssen, am Ende setzten sich die Männer durch. Ein Vorgang, den Frank Steffel, Vorgänger des jüngst in Reinickendorf zum Kreisvorsitzenden gewählten Frank Balzer, bereits häufig hatte beobachten müssen.
"Wir haben viele Frauen in der Partei verloren, die uns gut getan haben"
„Ich habe es mehrfach erlebt, dass Frauen dem Druck der Männer am Ende nicht standhalten konnten. Wir haben viele Frauen in der Partei verloren, die uns gutgetan haben, aber mit den Ellenbogen der Männer um sie herum nicht umgehen konnten“, erklärt Steffel. Es gebe Menschen, „die mit der Skrupellosigkeit in Teilen einer Partei nicht umgehen können“, fügte Steffel hinzu und bezog sich damit auf „einfühlsame, empfindsame Menschen“, die „häufig nicht bereit sind, diesen Teil von Politik zu ertragen“.
Das sei deshalb tragisch, weil ebenjene „die Bandbreite in die Partei bringen, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein. Wenn sie nicht geschützt und gefördert werden, verlieren wir diese Menschen“, erklärte Steffel.
Mit Blick auf die am 18. Mai anstehende Vorstandswahl und den sich abzeichnenden Führungswechsel in der Partei sagte er: „Die entstandene Situation ist bewusst herbeigeführt worden und wird uns schaden. Am Ende werden sich unabhängige, qualifizierte Persönlichkeiten zurückziehen und die Partei wird mehr als ein Jahrzehnt brauchen, um sich von diesem Aderlass zu erholen.“
Als Nachfolge von Generalsekretär Evers werden zwei Frauen gehandelt
Darüber, wer von dem anstehenden Wechsel an der Spitze des Landesverbands profitieren und wer verlieren wird, toben innerhalb der Partei wilde Spekulationen. Sicher scheint: Der amtierende und 2016 durch Monika Grütters für den Posten vorgeschlagene Generalsekretär Stefan Evers wird sein Amt verlieren. „Ich würde ihm raten, es aus Selbstachtung heraus aufzugeben“, sagt ein Mitglied der Parteispitze.
Als Nachfolger von Evers soll Wegner wiederum eine Frau vorgesehen haben. In diesem Zusammenhang fallen die Namen von Cornelia Seibeld aus Steglitz-Zehlendorf genau wie der von Christina Schwarzer aus Neukölln. Auch die Wahl von Christian Gräff scheint möglich, genau wie die Spitzenkandidatur von Burkard Dregger, den Wegner als „starken Spitzenkandidaten“ ins Gespräch gebracht hatte.
Fraktionschef Dregger wollte sich auch am Montag nicht dazu äußern. Sicher sind sich die Insider darin, dass Grütters nach dem Landesvorsitz auch Platz 1 auf der Bundestagsliste einbüßen wird, selbst wenn Wegner am Freitag erklärt hatte, sie für diesen vorschlagen zu wollen.
Mario Czaja bringt sich ins Spiel
Unterdessen hat sich erstmals auch Mario Czaja, ehemaliger Sozialsenator und Mitglied der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zu Wort gemeldet. In seinem Wahlkreis-Newsletter veröffentlichte der in Marzahn-Hellersdorf gewählte Czaja einige „Gedanken zum Führungswechsel“.
Darin schreibt er, die CDU habe zuletzt „eine besondere Form von Streitkultur“ gezeigt und sei nach der Kandidatur Wegners in „eine leider gewohnte Darlegung der Streitpunkte in der Öffentlichkeit“ übergegangen. Mit Blick auf den sich abzeichnenden Wechsel an der Spitze des Landesverbands schreibt Czaja: „Eine abschließende Bewertung dieser Vorgänge fällt mir noch schwer, weil das dringend erforderliche Programm und Profil zur Gestaltung unserer Stadt selbst für den Insider nur in Konturen erkennbar ist.“
Die Verantwortung für die aktuelle Situation tragen laut Czaja die „vielen Bezirksverbände westlich des Brandenburger Tors“, die sich mit „innerparteilichen, personellen Querelen“ beschäftigten statt mit „Sorgen und den Problemlösungen“. Czaja kündigte an, die Marzahn-Hellersdorfer CDU werde eine härtere Auseinandersetzung mit der rot-rot-grünen Landesregierung unterstützen, nicht aber den Streit in der eigenen Partei.