Flüchtlinge in Reinickendorf: Mängel auf Firmenareal stoppen geplante Unterkunft
Kaputte Wasserhähne, verwirrte Bürger: Warum das Notquartier auf dem Tetrapak-Gelände im Nordwesten Reinickendorfs nicht öffnete.
Erst konnte es nicht schnell genug gehen, und dann ging hier erst einmal gar nichts mehr. 1000 Flüchtlinge sollten in die ehemalige Tetrapak-Fabrik in Heiligensee ziehen – weit oben im Norden, gleich an der Landesgrenze zu Brandenburg. Hier an der Hennigsdorfer Straße zwischen Wald und Einfamilienhäusern sollte eines von berlinweit drei „Notquartieren“ entstehen – soweit der Plan, von dem seit Tagen zu hören war. Freitag früh sollte Eröffnung sein, doch am Abend zuvor hieß es plötzlich: Nein, klappt nicht. Und wer sich am Morgen danach mal umgeschaut hat, merkt auch: Nein, kann ja auch nicht klappen – denn hier am Fabrikgelände gibt es gar keine Vorbereitungen.
Die Hallen sollten Teil des neuen Registrierungskonzepts sein
Der Plan sah so aus: Seit Donnerstag hat Berlin ein neues Konzept zum Umgang mit Flüchtlingen. Neuankömmlinge werden am Lageso in Moabit nur noch „erstregistriert“. Dabei erhalten die Flüchtlinge ein Bändchen, mit dem sie in Shuttlebusse steigen. Die fahren dann zu eben jenen Notunterkünften, von denen aus wiederum Shuttlebusse zur Registrierungsstelle in der Bundesallee fahren. Wie viele Flüchtlinge letztlich nach Heiligensee kommen sollten, blieb unklar. Mal war die Rede von 500, mal von 2500: eine große Spanne – genauer wusste es aber das Bezirksamt auch nicht.
Anwohner in Heiligensee fühlen sich schlecht informiert
Einige Anwohnern ärgerten sich, schimpften im Netz auf der Nachbarschaftsplattform „Heiligensee24“. So entstand der Eindruck, in Heiligensee gebe es seitens der Bevölkerung erheblichen Widerstand gegen die Flüchtlingsunterkunft. Vor Ort wiederum gibt es andere Stimmen. „Wir haben nie eine Info erhalten, was hier geplant ist – dann kann keiner dafür oder dagegen sein“, berichten Heiligenseer. „Es weiß ja niemand was.“ Doch, doch, sagte eine andere Frau, die nebenan wohnt. Am Donnerstag, also am Tag vor der angeblich Eröffnung, habe ein Info-Zettel im Briefkasten gelegen. Und beim Aldi-Discounter um die Ecke sagen Kunden: „Na, irgendein Dach über dem Kopf müssen die Menschen haben.“
Reinickendorfs Bezirksbürgermeister redet Klartext
Ein Anruf im Rathaus Reinickendorf, im Bürozimmer von Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU). Der sagt: „Wir wollen bei der Unterbringung von Flüchtlingen einen Mindeststandard gewährleisten und diese Hallen in Heiligensee erfüllen die Anforderungen einfach nicht.“ Das Landesamt für Gesundheit und Soziales und die Berliner Immobilienmanagement GmbH hätten sich Anfang der Woche mit dem konkreten Anliegen bei ihm gemeldet, berichtet Balzer. In seinem Amt habe es Zweifel gegeben, dass sich aus dem seit 2013 ungenutzten Gelände innerhalb von nur vier Tagen eine menschenwürdige Unterkunft machen lassen würde. Balzer sagt: „Wir haben dann nachgefragt: Habt ihr geprüft, ob die Infrastruktur der Hallen in Ordnung ist?“
Landesbehörden vertrauten in der Not falschen Angaben
Letztlich habe sich herausgestellt: gar nichts war geprüft. Ein Gutachten zum Brandschutz und der Nutzbarkeit von Fluchtwegen durch die möglicherweise funktionsunfähigen Hallentore? Fehlanzeige. Die Leistung von Heizung und Belüftung? Deutlich zu schwach. Das Wasser aus den alten Rohren – ist es noch trinkbar? Weiß man nicht. Und die Sanitäranlagen? „Beim Testlauf am Montag kam es überall raus“, erzählt Balzer. Schließlich legten das Gesundheitsamt und die Bauaufsicht des Bezirks ihr Veto ein. Aus dem Notquartier in Heiligensee wurde erst einmal nichts. Es gibt die Vermutung, das sagt auch CDU-Politiker Balzer, dass Lageso und BIM in der Not falschen Angaben des Geländeeigentümers vertrauten. Nun hat die Stadt eigene Prüfungen veranlasst. Bis diese abgeschlossen sind, werden allerdings mehrere Tage vergehen. Und die Anwohner? Werden informiert, versichert Balzer, am Dienstag. Wenn alles klappt.
Nándor Hulverscheidt