Katzenflüsterin Birga Dexel: „Man kann Katzen gut trainieren“
Katzen sind wahnsinnig clever, aber schnell unterfordert, sagt Deutschlands bekannteste Katzenflüsterin Birga Dexel. Dann gibt's Ärger. Ein Interview.
Birga Dexel leitet das Cat Institute in Berlin-Mitte, sie tritt im Fernsehen auf und hat zahlreiche Ratgeber über Katzen geschrieben.
Frau Dexel, mit welchen Problemen kommen Katzenhalter am häufigsten zu Ihnen?
Ich habe mit Hauskatzen zu tun, und die häufigsten Probleme gibt es dabei in Mehrkatzenhaushalten. Wenn sich zwei Katzen nicht vertragen, kann das für den Katzenhalter die Hölle auf Erden sein. Es herrschen ständig Stress und Streit, und nicht selten führt das dann auch noch zur Unsauberkeit – die Katze macht neben das Katzenklo.
Sollte man Katzen lieber allein halten?
Nein, Katzen können sehr enge Freundschaften mit anderen Katzen schließen. Aber sie sind komplette Individualisten, so wie wir Menschen auch. Es kann also gut sein, dass der Katzenhalter eine zweite Katze aussucht, die ihm gut gefällt, aber leider der anderen Katze nicht.
Was kann man dagegen tun?
Man muss genau schauen, was für eine Katze man bereits zu Hause hat. Ist sie eher ruhig oder agil? Wie alt ist sie? Wie sieht sie aus? Wenn Sie eine Kurzhaarkatze haben, die noch niemals zuvor eine Katze mit plüschigem Fell gesehen hat, kann sie den Schreck ihres Lebens bekommen, wenn Sie plötzlich mit einer Maine Coon- oder Norwegerkatze ankommen.
Aber auch wenn man nur eine Katze hat, kann das Zusammenleben schwierig werden. Etwa wenn die Katze die Wohnung verwüstet, weil sie lange allein ist.
Nein, das machen eher Hunde. Bei Katzen kommt es dagegen häufiger zu aggressivem Verhalten gegenüber Menschen. Solche Konflikte muss man sehr, sehr ernst nehmen. Katzenbisse sind extrem gefährlich, weil sich die Wunden ganz böse infizieren können.
Was steckt dahinter?
Es sind meist Fehler im Umgang mit der Katze. Viele Menschen können ihre Katzen nicht lesen. Die Körpersprache und das Verhalten von Katzen ist sehr viel schwerer zu interpretieren als das von Hunden. Die Signale sind sehr viel subtiler.
Das heißt, die Katzenhalter merken nicht, wenn die Katze ihre Ruhe haben will?
Ja. Sie merken aber auch nicht, wenn die Katze komplett unterfordert ist, mehr Ansprache braucht und deshalb aggressiv ist. Sie spüren auch nicht, wenn die Katze Angst hat. Dabei ist das der häufigste Grund für Aggressivität. Für Katzen ist Angriff die beste Verteidigung.
Wie viel Zeit sollte man am Tag seiner Wohnungskatze schenken?
Die Katze braucht viel mehr Zeit, als die Leute denken. Sie ist kein unkompliziertes Haustier. Die Leute sagen oft, ich habe keine Zeit für einen Hund, deshalb hole ich mir eine Katze. Aber wer keine Zeit für einen Hund hat, hat auch keine Zeit für eine Katze. Man sollte am Tag fünf bis sieben kleinere Spieleinheiten einplanen, je nach Alter und Temperament des Tiers. Auch Schmuseeinheiten sind wichtig oder Leinengänge oder gemeinsame Zeit auf dem Balkon. Katzen sind wahnsinnig intelligente und fordernde Tiere. Sie brauchen ganz viel Interaktion, sonst werden sie verhaltensauffällig oder krank.
Kann man Katzen erziehen?
Das Wort erziehen mag ich nicht, trainieren trifft es eher. Und ja, man kann Katzen gut trainieren. Sie sind wahnsinnig clever. Das merkt man auch beim Clickertraining. Dabei benutzt man einen Clicker, eine Art Knackfrosch, um der Katze etwas beizubringen. Immer wenn man den Clicker betätigt, gibt es hinterher etwas Leckeres. Das merken sich die Katzen. Dabei gehen sie über das Erlernte hinaus und versuchen, von sich aus herauszufinden, was sie noch tun könnten, um einen Click und eine Belohnung zu bekommen.
Was ist mit Freigängern?
Freigängerkatzen sind draußen damit beschäftigt, ihr Revier zu kontrollieren, Beute zu suchen, sich mit anderen Katzen auseinanderzusetzen. Wenn Freigängerkatzen nach Hause kommen, wollen sie fressen und mit ihren Leuten schmusen. Das Clickertraining gefällt ihnen auch, aber so intensive Spieleinheiten muss man mit ihnen meistens nicht machen.
Gibt es Menschen, die keine Katzen halten sollten?
Menschen ohne Geduld und Empathie sollten keine Katzen haben, aber die sollten eigentlich gar kein Haustier halten. Man sollte nicht zu laut sein, und man braucht Fingerspitzengefühl. Anders als Hunde wollen Katzen nicht unbedingt Freundschaft schließen. Sie tun das nur, wenn sie jemanden mögen. Die Beziehung ist eine auf Augenhöhe, man muss sich die Freundschaft mit einer Katze erarbeiten. Aber dafür ist die Bindung dann besonders intensiv. Man kann mit Katzen durchaus engere Beziehungen haben als mit Hunden. Mit einer Katze geht man durch dick und dünn. Das ist etwas ganz Spezielles. Viele Katzenhalter kennen das: Wenn man krank ist, kommt die Katze, legt sich daneben und schnurrt einen gesund. Das ist toll.
Wie finde ich die passende Katze?
Man muss zunächst überlegen, wie die Rahmenbedingungen sind. Wie viel Zeit habe ich, habe ich Erfahrungen mit Katzen, wie lebe ich? Für viele Berufstätige wäre eine ältere Katze oft besser als ein Kätzchen. Die Jungen brauchen nämlich ganz viel Aktivität und Zeit. Wer tagsüber arbeitet, sollte daher lieber ins Tierheim gehen und zwei ältere Katzen adoptieren. Die schlafen dann tagsüber und freuen sich, wenn man von der Arbeit kommt. Und unterschätzen Sie nicht die Kosten. Katzen sind nicht die superpreiswerten Tiere. Mit dem Futter und Streu ist es nicht getan. Katzen müssen zum Tierarzt, werden geimpft, gechippt, untersucht. Da kommt schon was zusammen.