Berliner Flughäfen: Macht Tegel endlich dicht!
Der Flughafen Tegel ist den Berlinern ans Herz gewachsen, trotzdem muss der Verstand siegen: Der City-Airport muss schließen - für immer. Ein Kommentar.
Berlin ist unerreichbar, das weiß ja jeder. Oder kriegt es bei der Anreise mit: Der Hauptbahnhof liegt abgelegen im Nichts des Regierungsviertels, der Omnibusbahnhof wirkt wie eine Rumpelbude im West-Berliner Irgendwo, und der Großflughafen? Auf jeden Fall janz weit draußen, auf jeden Fall noch lange nicht fertig und auf jeden Fall dann schon zu klein. Da lobt sich der Berliner doch Onkel Tegels Hütte, hier kommt man schnell hin (wenn auch nur per Bus) und schnell weg (wenn auch zuweilen ohne Fluggepäck) – ein Airport inmitten der Stadt, inmitten des Lebens, inmitten unserer Herzen. Ein Hort der Sehnsüchte im einst geteilten Berlin, ein Ort von langer Lebendigkeit und erstaunlicher Kraft, der mit Kompaktheit alles schafft. Darauf fliegen Berliner, Touristen und Fluggesellschaften – warum eigentlich nicht noch ein bisschen länger? Schon fragen sich die Ersten in der von Schönefeld und sich selbst geplagten Flughafengesellschaft: Kann diese eine Liebe für immer sein?
Schön wär’s. Und so falsch. Tegel muss endlich schließen – für immer.
Eine Stadt ist nicht nur für Touristen da
Wenn es Nacht wird über Nord-Berlin, donnern sie nahezu im Minutentakt über die dicht besiedelten Wohngebiete: viel zu viele Jets in viel zu knapp bemessener Noch-nicht-ganz-Nachtzeit. Bisher ist nichts Schlimmes passiert – dem Himmel sei Dank. Aber eine Garantie gibt es nicht inmitten der Stadt, inmitten des Lebens. Versprochen war und versprochen ist, dass das Überfliegen jenseits der Toleranzgrenzen irgendwann einmal ein Ende hat. Darauf haben sich die Alteingesessenen in Reinickendorf ebenso verlassen wie die vielen Zugezogenen in Pankow. Berlins Politik darf diese Zusage an die Bürger nicht einfach kassieren, nur weil immer mehr Leute in die Stadt fliegen wollen und die Brandschutzanlage des BER noch immer einer Nebelmaschine gleicht – sonst wird Tegel zum nächsten Hort der Unglaubwürdigkeit. Eine Stadt ist nicht nur für Touristen da.
Damit die Politik in Tegel wenigstens mit Verspätung ehrlich bleibt, muss sie sich bei Schönefeld jetzt endlich ehrlich machen. Doch bisher traut sich kein Politiker oder Flughafenchef auszusprechen, was jeder blinde Passagier sieht: Der BER wird bei der Eröffnung 2017 ff. zu klein sein. Es braucht mehr Platz für mehr Passagiere, und der muss jetzt geplant und vorfinanziert werden. Hier muss Michael Müller, nach erstem Unwillen inzwischen auch Regierender Flughafenmeister, die Pläne für den Ausbau des Neubaus vorantreiben. Vom Bund wird kein Impuls kommen; dem bayerisch geführten Verkehrsministerium ist das größte Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands längst egal. Und in Brandenburg kommt man nicht mal mit dem gesetzlich garantierten Einbau von Schallschutzfenstern nach.
Tegel ist ein Platz für Wohnungen, Wissenschaft und Wirtschaft
Zur Ehrlichkeit gehört, dem Verstand zu folgen und nicht dem Herzen: Tegel und Schönefeld können nicht parallel betrieben werden, wenn sich der BER noch irgendwann rechnen soll. Denn wenn man Tegel erst mal offen hält (und man weiß ja, was in Berlin „erst mal“ wirklich heißt), bleiben die Fluggesellschaften alle inmitten der Stadt. Dabei sollte die Zukunft in Tegel eine andere sein, die Berlin mehr bringt und längst geplant ist: als Platz für neue Wohnungen, für Wissenschaft und Wirtschaft. Und als Ort der Erinnerung an einen Großflughafen, der hier nie als solcher geplant war und der auf Dauer nicht inmitten einer Stadt sein darf. Kaum zu glauben, aber wahr: Schönefeld ist auch nicht unerreichbar.