Fête de la Musique in Berlin trotz Coronakrise: „Macht Musik – das gilt weiterhin“
Die Fête de la Musique findet 2020 online statt, mit Livestreams aus Berlin und Europa. Kurator Björn Döring sieht darin auch Chancen.
Bühnen in der ganzen Stadt, Straßen-Gigs, Tausende Menschen, die von Konzert zu Konzert flanieren und beim „Singalong“ einen riesigen Chor bilden – so hätte die Fête de la Musique am 21. Juni, präsentiert vom Tagesspiegel, aussehen können. Nun wird sie anders, denn Großveranstaltungen sind wahrscheinlich den ganzen Sommer über verboten. Doch die Veranstaltung soll 2020 online stattfinden. Weitere Infos zum Programm gibt es demnächst auf fetedelamusique.de
Björn Döring ist Kulturmanager, Kurator, Journalist und PR-Berater. Vor der Fête de la Musique leitete er unter anderem die Berlin Music Week. Ein Interview.
Herr Döring, wie war die Stimmung in Ihrem Team, als klar war, dass die Fête nicht wie geplant stattfinden kann?
Das war ein schleichender Prozess, eine Phase der ständigen Neubewertung in Absprache mit dem Musicboard als Veranstalter und der Senatskulturverwaltung, bis irgendwann klar wurde, dass vieles aufgrund der Hygienevorschriften nicht gehen wird. Schwierig war, sich zu disziplinieren, zu verstehen, dass es jetzt anders werden muss.
Wir hatten dieses Jahr fast 180 Bühnenanmeldungen, der Senat hat eigens für die 20. Berliner Ausgabe einen verkaufsoffenen Sonntag für den Tag genehmigt und Jack Lang, der Erfinder der Fête de la Musique, wäre aus Frankreich gekommen. Aber Gesundheit hat Vorrang und darum müssen wir nun auf vieles verzichten.
Die Fête soll nun vor allem zuhause und digital stattfinden. Ist es dann überhaupt noch eine Fête de la Musique?
Der Kern ist ja das, was der französische Imperativ bedeutet, der hinter „Fête de la Musique“ steht: Faites de la musique! Macht Musik! Der Aufruf gilt weiterhin. Die Musiker, Bühnenorte, Vereine, die auch jetzt mitmachen wollen, spiegeln die Vielfalt, die die Fête ausmacht. Da ist alles dabei, vom Profi bis zu Anfängern.
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Und auch der Austausch mit anderen Fête-Städten in Deutschland und Europa zeigt: Wir wollen unbedingt, dass am 21. Juni Musik zu hören sein wird. Bloß das Rausgehen und Treffen an Bühnen, die Clubveranstaltungen in der Nacht – das wird es nicht geben.
Stattdessen sind 20 Livestreams geplant, quasi virtuelle Bühnen. In Berlin gibt es ja schon eine Initiative der Clubs, „United We Stream“, die Live-DJ-Sets übertragen. Diente das als Inspiration?
Mit denen planen wir an einer DJ-Bühne im Friedrichshainer Club Cassiopeia. Vielleicht können wir daneben auch Übertragungen aus anderen Städten zeigt, etwa Athen, Paris, Krakau und Ljubljana. Das ist technisch aber etwas aufwendiger, wir klären noch, wie man das hinkriegen kann.
Daneben gab es zuletzt eine Reihe toller Online-Projekte, etwa das Benefizkonzert, das Lady Gaga auf die Beine gestellt hat. Oder das größte virtuelle Ensemble, gegründet von einem deutschen Musiker. Da haben Tausende Musiker aus aller Welt zusammen „Rock you like a Hurricane“ gespielt, indem ihre Videos zusammengeschnitten wurden. Auch wir wollen das Netz als verbindendes Element nutzen.
Bei der Fête gibt es sonst auch den Singalong, bei dem jeder mitmachen kann. Letztes Jahr sangen Hunderte Menschen gemeinsam auf dem Gendarmenmarkt. Wie soll das digital gehen?
Mehr als 50 deutsche Fête-Städte wollen dazu aufrufen, um 17 Uhr mit der „Ode an die Freude“ zu beginnen. Wir bereiten gerade ein Songbook mit Liedern und Texten vor, damit man eine Stunde mitsingen und musizieren kann. Wir hoffen, dass viele mitmachen, vom Balkon aus oder in der U-Bahn. Clips davon als Stream zusammenzuschneiden ist technisch für uns nicht möglich, da braucht es eben Vorstellungskraft.
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Neben dem offiziellen Programm gehören zur Fête spontane Auftritte von Straßenmusikern. Auch 2020?
Die Menschen sind ausgehungert, wollen wieder gemeinsam Musik erleben. Aber wir können und wollen nicht dazu aufrufen, Gigs auf der Straße oder im Park zu spielen, die viele anziehen.
Beim Theatertreffen gab es gerade neben der Kritik an Livestreams auch Lob für bessere Zugänglichkeit. Könnten Streams zur Zukunft der Fête gehören?
Durch Streams können wir Künstler aus dem Ausland zeigen, dafür hätten wir sonst kein Budget. Mit Online kann man nicht alles ersetzen, aber es wäre Quatsch, auf positive Erfahrungen, die wir jetzt machen, zu verzichten.