Wohnungskrise in Berlin: Lompscher will trotz Kritik im Amt bleiben
Bausenatorin Lompscher will bleiben - trotz Koalitions-Zoff und schlechter Neubauzahlen. Sie gibt den Bezirken die Schuld für Probleme.
„Ja“ – kurz und knapp beantwortete die Senatorin für Stadtentwicklung Katrin Lompscher die böse Frage, ob sie denn angesichts der wiederholt nach unten korrigierte Zahl der bezahlbaren Neubauwohnungen selbst noch daran glaube, die Legislaturperiode durchstehen zu können. Ohne Atem zu holen, führte Lompscher aus, warum sich die vielen Berliner Bauvorhaben in die Länge ziehen. Kernaussage: Die Bezirke stellen sich quer.
Eine „sehr lange Bearbeitungsdauer von Projekten“ in den Bezirken beklagte Lompscher. Nannte ausdrücklich Lichtenberg, „wir beobachten“ aber auch Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow und Spandau. Dessen Baustadtrat hatte dem Senat die Planungshoheit für einen Teil der Wasserstadt (Bebauungsplan 5-73) entzogen. „Diese Botschaft ist angekommen“. Auch in Steglitz-Zehlendorf mit seinen vielen kleinen Projekte streite man über die „angemessene Dichte“ von Neubauten. „Wir können aber nicht in dörflichen Strukturen denken“, so Lompscher.
Während der Eingriff in Spandau noch am ehesten Ausdruck neuer Härte im Umgang mit dem Klassenfeind sein könnte, der Baustadtrat ist ja von der CDU, muss sich die Senatorin der Linken im Umgang mit Stadträten ihrer Koalitionspartner auf Landesebene in Kreuzberg-Friedrichshain (Grüne) und Lichtenberg (SPD) allerdings mäßigen. Dass sie trotzdem ein wenig die Muskeln spielen lassen kann, liegt wohl auch an den Umfrageergebnissen, wonach die Linke in Berlin stärkste Kraft ist und Taktierer wie Linken-Chef Klaus Lederer nie in den Sinn käme, eines seiner Pferde mitten im erfolgreichen Rennen auszutauschen.
Zoff mit Ramona Pop
Und trotzdem knirscht es im Gebälk der Koalition und insbesondere zwischen den machtverliebten Damen an der politischen Spitze der Verwaltungen, eben Lompscher und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Im Streit um die Nutzung des von der Firma Knorr-Bremse aufgegebenen Areals in Marzahn will bisher keine der beiden nachgeben. Pop fürchtet um den Aufschwung und die Produktionsflächen, die so dringend von der wachsenden Berliner Wirtschaft gesucht sind.
Das aufgegebene Knorr-Areal ist als Gewerbefläche ausgewiesen, hier ist Platz genug. Lompscher fürchtet noch schlechtere Neubauzahlen und mehr Proteste aus ihren Quartieren verdrängter Berliner – und in Marzahn wären „700 bis 1200 Wohneinheiten“ möglich.
Der „Show-down“, wie ein Kollege sagt, soll in der kommenden Woche stattfinden im Senat. Ein Kompromiss könnte Lompscher zufolge darin liegen, das Gebiet nach dem neuen städtebaulichen Wunderwerkzeug zum „Urbanes Gebiet“ zu erklären, das Gewerbe und Wohnungen dicht an dicht zulässt, indem es den Bewohnern mehr Verkehr, Lautstärke und andere „Emissionen“ zumutet.
"Show-down" in der kommenden Woche
Eingeladen hatte Lompscher aber eigentlich, um Bilanz über die Arbeit der „Wohnungsbauleitstelle“ zu ziehen und der dort angesiedelten „Clearingstelle“ für festgefahrene Bauvorhaben. Und diese fällt gar nicht mal schlecht aus: 14 Anträge gingen seit Februar ein, bei 7 waren nach zwei Monaten alle Blockaden gelöst, fünf sind noch in Bearbeitung und bei zweien lagen keine planerischen Voraussetzung für eine Befassung vor.
„Verbindlichkeit und Klarheit“ des Verfahrens führten zu einer ernsthaften auf Kompromisse ausgerichtete Verhandlungen bei Bezirken und den überwiegend landeseigenen Wohnungsunternehmen, die das Angebot annehmen, sagte Grit Schade von der Wohnungsbauleitstelle. Woran es am meisten hakt? Wie der zusätzliche Verkehr der neuen Siedler über welche Straßen geführt wird, Eingriffe in die Natur und welchen Ausgleich es dafür gibt und natürlich „Nutzungskonflikte“ wie im Fall des Knorr-Geländes.
Weil nur streitbefangenen Grundstücke mit einem Potenzial von 100 Wohnungen in das Verfahren aufgenommen werden, stehen mehr als 1000 Wohnungen im Spiel. 400 Wohnungen der städtischen Stadt und Land in der Ortolfstraße, Treptow-Köpenick. 250 an der Staakener-Feld-Straße in Spandau von der WBM, 200 in Buch, Ludwig-Hoffmann-Quartier von einem privaten Entwickler. 316 Wohnungen am Tempelhof-Schöneberger Sachsendamm von der Gewobag und der privaten Bonava, 150 Wohnungen in Pankow an der Kavalierstraße von der Gesobau. Außerdem die Projekte Mühlenstraße in Pankow mit 107 Wohnungen der Gesobau und Rathenower Straße in Mitte mit 88 Wohnungen der WBM. Und eben das Areal der Knorr-Bremse.
Hier darf Lompscher nicht auf ein Entgegenkommen der Wirtschaftssenatorin rechnen und Pop soll den Rückhalt von Regierungschef Michael Müller (SPD) haben. Das Industrieareal fürs Wohnen zu öffnen nennt Pop ein „fatales Signal“ an Spekulanten, nämlich dass sich „der spekulative Kauf von Gewerbegrundstücken lohnt“, weil die Umwidmung nur eine Frage der Zeit sei.
Der aktuelle Bodenwert liege bei 70 Euro je Quadratmeter, der Eigentümer biete die Fläche für gut 230 Euro an. Knorr-Bremse produziere auch künftig dort, würde durch den Wohnungsbau zu einem gefährdeten „Solitär“. Hinzu komme, dass Gelder Der EU zur Förderung der Wirtschaft gefährdet seien, die für den Bau einer Brücke fließen sollen. Wegen diesem Projekt könne der Wohnungsbau ohnehin „frühestens 2028“ starten so Pop.