Personenverkehr der Bahn liegt lahm: Lokführer streiken bundesweit – Berliner Ringbahn fährt nicht
Bundesweit fährt wegen des Streiks der GDL nur ein Viertel aller Züge. Auch in Berlin sind die Folgen etwa bei der S-Bahn weitreichend.
Für Bahnreisende und Pendler haben zwei harte Tage begonnen. Erste Auswirkungen des angekündigten Streiks der Lokführergewerkschaft GDL im Personenverkehr seien spürbar, sagte ein Bahnsprecher Mittwoch früh. Tausende Fahrgäste müssen improvisieren, es gelten Ersatzfahrpläne.
Im Fernverkehr soll noch etwa jeder vierte Zug fahren. Auch im Regionalverkehr und bei den S-Bahnen gibt es teils erhebliche Ausfälle. Der Ausstand trifft die Fahrgäste mitten in der Ferienzeit: In 11 der 16 Bundesländer sind Schulferien. Die Bahn bat Fahrgäste, nicht notwendige Reisen zu verschieben.
Die Arbeitsniederlegung der Lokführer trifft auch die Hauptstadt: Seit Mittwochmorgen um 2 Uhr bis zum Freitag um 2 Uhr werden neben dem Fernverkehr auch der Regionalverkehr der Deutschen Bahn und die Berliner S-Bahn bestreikt. Die Auswirkungen des Streiks für Berlin können Sie hier in unserem Newsblog verfolgen.
Der Ersatzfahrplan für den Fernverkehr sei in der Fahrplanauskunft auf bahn.de und in der App DB Navigator abrufbar. Eine kostenlose Streikhotline hat die DB seit Dienstagnachmittag unter 08000/996633 geschaltet. Die Berliner S-Bahn veröffentlichte am Dienstagnachmittag auf sbahn.berlin einen Ersatzfahrplan für Mittwoch und Donnerstag.
Ersatzfahrplan: S-Bahn will vor allem Außenbezirke versorgen
Die folgenreichste Änderung für viele dürfte darin bestehen, dass auf der Berliner Ringbahn keine Züge fahren werden. Nur Teilabschnitte werden durch die Linien S85 und S46 mit versorgt. Außerdem entfallen die Verbindungen nach Spandau und Blankenburg sowie zwischen Westkreuz und Wannsee.
Grundsätzlich wird der Betrieb auf einen 20-Minutentakt umgestellt, zu später Stunde sind die Züge auf einigen Linien allerdings auch nur im Abstand von 40 Minuten unterwegs. Die S-Bahn wies allerdings darauf hin, dass es auch in diesem Basisprogramm "streikbedingt kurzfristig zu Veränderungen kommen kann". Außerdem seien auch am Freitag noch Zugausfälle zu erwarten.
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Auf einigen Linien ändern sich auch die Endbahnhöfe. Die S7 zum Beispiel, die sonst zwischen Ahrensfelde und Potsdam verkehrt, fährt nun aus dem Osten lediglich bis zur Friedrichstraße. Auch der Weg zum Flughafen BER und zurück ist umständlicher: Die S9, die normalerweise von Spandau kommt und quer durch Berlin fährt, startet nun erst im Südosten in Schöneweide. Eine Übersicht über das ausgedünnte Streckennetz und die Endbahnhöfe der verkürzten Linien können Sie hier als PDF herunterladen.
Diese S-Bahn-Verbindungen sind in Berlin geplant:
- S1: Potsdam Hauptbahnhof <> Oranienburg (Takt: 20 Minuten)
- S2: Blankenfelde <> Bernau (Takt in Spätverkehrszeit/SVZ: 40 min)
- S25: Teltow Stadt <> Hennigsdorf (in SVZ: 40 min)
- S3: Erkner <> Ostbahnhof (in SVZ: 40 min)
- S46: Königs Wusterhausen <> Schöneberg (20 min)
- S5: Strausberg Nord <> Charlottenburg (20 min)
- S7: Ahrensfelde <> Friedrichstraße (20 min)
- S8: Schönhauser Allee <> Birkenwerder (in SVZ: 40 min)
- S85: Pankow <> Schöneweide, dort Anschluss S9 (20 min)
- S9: Flughafen BER T1-2 <> Schöneweide, dort Anschluss S85 (20 min)
Die offene Frage: Wie viele Fahrer beteiligen sich am Streik?
„Die S-Bahn wird ein eingeschränktes Angebot fahren und Linien teilweise verkürzen“, hatte eine Bahnsprecherin zuvor bereits dem Tagesspiegel gesagt. „Die Konzentration liegt auf Anbindung der Außenbezirke und des Umlands. Angestrebt wird ein 20-Minutentakt.“
[Der Verkehr in der Metropole: Das ist regelmäßig auch ein Thema in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken.]
Diese Prioritäten erfüllen das, was der Berliner Fahrgastverband Igeb gefordert hatte. „Die S-Bahn aus Bernau sollte also wenigstens bis Gesundbrunnen fahren“, sagte dessen Vertreter Jens Wieseke. „Eigentlich hätten die verantwortlichen PolitikerInnen in Berlin und Brandenburg für solche Situationen längst ein entsprechendes Konzept haben müssen.“
Insider gehen aber davon aus, dass sich erst im Laufe des Mittwochs herausstellen wird, wie realistisch die Sonderfahrpläne sind. Unter anderem deshalb, weil niemand ganz genau weiß, wie viele Triebfahrzeugführer dem Streikaufruf folgen werden.
BVG: keine zusätzlichen Fahrten, allenfalls größere Züge
Zum Glück hat Berlin die BVG. Sie ist nicht direkt vom Streik betroffen, sagt ein Sprecher: „U-Bahnen, Straßenbahnen, Busse und Fähren werden also ohne Einschränkungen fahren. Allerdings müssen sich die Fahrgäste wegen des Streiks auf vollere Fahrzeuge einstellen.“
BVG-Vorstandsmitglied Rolf Erfurt kündigte an, dass das Unternehmen „das volle Fahrplanangebot auf die Straßen und Schienen bringen und - wo es machbar ist - die größtmöglichen Fahrzeuge einsetzen“ werde. Er sagte jedoch ebenfalls, dass eine „zusätzliche Verstärkung einzelner Linien mit mehr Fahrzeugen - auch aufgrund der sehr kurzen Vorwarnzeit - nicht möglich sei“. Zugleich ist klar: Der begrenzte Fuhrpark lässt es kaum zu, Bahnen kurzfristig mit zusätzlichen Wagen zu verlängern.
Service und Hintergründe zum Bahnstreik:
- Nur jeder vierte Fernzug fährt: Was Bahnreisende jetzt tun können
- Kommentar: Ein Gewerkschaftsboss kämpft ums Überleben
Erfurt appellierte an alle Fahrgäste, besondere Rücksicht zu nehmen und im Zweifel etwas Geduld zu haben: „Unsere Kollegen geben alles, um Sie auch unter erschwerten Bedingungen gut und zuverlässig zum Ziel zu bringen.“
Das Thema Mindestabstand spielte in der Mitteilung der BVG keine Rolle. Klar dürfte aber sein, dass das Ansteckungsrisiko in volleren Verkehrsmitteln nicht kleiner wird. Das hätte die Gewerkschaft der Lokführer bedenken und den Streik mindestens 48 Stunden vorher ankündigen müssen, sagte Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband: „Das ist in Pandemie-Zeiten einfach unverantwortlich. Bei einer früheren Ankündigung hätte noch so mancher Fahrten vermeiden und beispielsweise mal wieder im Homeoffice arbeiten können.“
Regionalverkehr: Teils Ersatzverkehr mit Zügen und Bussen
Auch im Regionalverkehr zwischen Berlin und Brandenburg gibt es erhebliche Einschränkungen. Ersatzverkehr mit Zügen und Bussen gibt es auf den Linien RE1, RE3, RE5, RE6, RE7, RE10, RE15, RE18, RB11 und RB43. Keinen Ersatzverkehr gibt es auf den Linien FEX, RB10/14, RB13, RB20, RB21, RB22, RB23, RB24, RB31, RB49, RB55 und RE/RB66.
Bahn-Konkurrenten werden nicht bestreikt
Was dem Berliner die BVG ist, sind dem Brandenburger in Streikzeiten die privaten Eisenbahnunternehmen. Das größte von ihnen, die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg), teilte bereits mit, dass die GDL ausschließlich zu einem Streik bei der Deutschen Bahn aufgerufen habe. „Die Odeg ist nicht vom Streik betroffen“, sagte Sprecherin Dietmute Graf dem Tagesspiegel: „Allerdings ist noch nicht klar, ob zum Beispiel auch Fahrdienstleiter streiken oder die von uns genutzte Infrastruktur der Bahn durch sonstige Aktionen gefährdet wird. Dann könnte es zu Einschränkungen im Betriebsablauf kommen.“
Womit man auf jeden Fall rechnen müsse, seien sehr volle Züge und längere Haltezeiten vor allem in Ballungsgebieten, sagte Odeg-Geschäftsführer Roland Pauli. Viele Zugführer und Schaffner befürchten - auch nach entsprechenden Erfahrungen in den vergangenen Jahren -, dass noch mehr Berliner als bisher die Züge innerhalb der Hauptstadt als S-Bahn-Ersatz nutzen.
Die Odeg-Züge verkehren auf folgenden Strecken:
- RE2: Wismar <> Berlin Hbf <> Cottbus Hbf
- RE4: Stendal Hbf <> Rathenow <> Berlin <> Jüterbog
- RE9: Rostock Hbf <> Stralsund Hbf <> Binz/Sassnitz
- RE10: Rostock Hbf <> Stralsund Hbf <> Züssow
- RB13: Rehna <> Schwerin <> Parchim
- RB14: Hagenow Stadt <> Ludwigslust <> Parchim
- RB19: Parchim <> Plau am See
- RB33: Berlin-Wannsee <> Jüterbog
- RB46: Cottbus Hbf <> Forst (Lausitz)
- RB51: Brandenburg Hbf <> Rathenow
- RB64: Hoyerswerda <> Niesky <> Görlitz
- RB65: Cottbus Hbf <> Görlitz <> Zittau
Auch die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) ist nicht direkt vom Streik betroffen, sagte ein Sprecher. „Wir können allerdings auch nicht mehr Wagenzüge als sonst einsetzen, da wir nicht über größere Reserven verfügen. Allerdings fahren wir nur in ganz wenigen Bereichen parallel zur S-Bahn, sodass sich der Ansturm der Reisenden wahrscheinlich in Grenzen hält.“
Die NEB verkehrt auf folgenden Linien:
- RB27: Berlin-Groß Schönebeck/Schmachtenhagen
- RB35: Fürstenwalde (Spree) - Bad Saarow Klinikum
- RB36: Königs Wusterhausen - Frankfurt (Oder)
- RB54: Berlin - Löwenberg - Rheinsberg
- RB60: Eberswalde - Frankfurt (Oder)
- RB61: Angermünde - Schwedt
- RB62: Angermünde - Prenzlau
- RB63: Eberswalde - Joachimsthal - Templin Stadt
Ebenfalls nicht bestreikt wird die Hanseatische Eisenbahn GmbH, die auf den Regionalbahnlinien 73 und 74 zwischen Neustadt (Dosse), Kyritz, Pritzwalk und Meyenburg vor allem Berufstätige und Schüler befördert.
Appell: Nur unbedingt notwendige Fahrten unternehmen
Alle genannten Privatbahnen fahren im Auftrag des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) und können ihr Angebot nur in Abstimmung mit diesem erhöhen. Da dies nach Erfahrungen von Insidern aber mindestens 24 bis 48 Stunden in Anspruch nimmt und die privaten Eisenbahnen auch nicht gerade üppig mit Personal ausgestattet sind, ist damit wohl nicht zu rechnen. So appellieren inzwischen alle an die Berliner und Brandenburger, nur unbedingt notwendige Fahrten zu unternehmen. Oder andere Alternativen wie Fahrrad, Roller oder das gute alte Taxi zu nutzen. Einen guten Überblick mit Links zu allen Bahn-Unternehmen in der Region gibt es auf der VBB-Website.
Berlin und Potsdam profitieren außerdem davon, dass die Deutsche Bahn im Fernverkehr auf besonders stark genutzten Verbindungen, etwa zwischen Berlin und der Rhein-Ruhr-Region, ein zweistündliches Angebot zuverlässig aufrechterhalten will. Priorität soll außerdem die Beibehaltung eines „Grundangebots für Schüler:innen, Berufspendler:innen sowie wichtige Zubringer zu Fernverkehrszügen oder Flughäfen“ haben. Nicht bestreikt wird zudem der Fernzuganbieter Flixtrain.
Berliner GDL-Chef: Streik "trifft nie richtigen Zeitpunkt"
Zur kurzfristigen Ansage des Arbeitskampfes sagte der GDL-Nordost-Vorsitzende Krombholz dem Tagesspiegel, bei Verkehren rund um die Uhr und an 365 Tagen im Jahr "trifft man nie den richtigen Zeitpunkt". Die Ankündigung des Streiks komme spät, doch "es bleibt möglich umzusteigen", sagte der Krombholz.
Ob es in der nächsten Woche zu weiteren Arbeitskämpfen kommt, hängt laut Krombholz nun von der Bahn und dem Bahn-Eigentümer ab, also quasi der Bundesregierung. Die GDL beharre auf ihrer Forderung nach 3,2 Prozent höheren Einkommen in zwei Schritten und einer Corona-Prämie in Höhe von 600 Euro. (mit dpa)