Von TISCH zu TISCH: Lode & Stijn
Die neue Adresse in Kreuzberg wird jetzt schon gehypt - zurecht, findet unser Kritiker. Gegessen wird übrigens, was auf den Tisch kommt: ein Menü
Es hat sich was verändert in der internationalen Gastronomie. Früher hieß es – wie konservative Experten ja noch immer fordern – dem Gast sei jeder Wunsch von den Augen abzulesen. Heute lautet dagegen das Grundprinzip: „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“ - Ausrufezeichen! Das einheitliche Menü ohne nennenswerte Wahlmöglichkeit ist sogar eine Art Grundprinzip der modernen Trendküchen geworden. Es zeigt den Gästen: Hier arbeitet ein Küchenchef im Einklang mit Saison und Region an einem kulinarischen Gesamtkunstwerk, das so gehört und jegliche Änderung kategorisch ausschließt. Oder hat mal jemand davon gehört, dass man im „Noma“ am Menü herumfummeln kann?
Sechs oder vier Gänge - basta
Das Prinzip funktioniert allerdings nur, wenn die Gäste mitspielen. Lode van Zuylen und Stijn Remi, die holländischen Gründer von „Lode & Stijn“, haben sich ihr Publikum durch Pop-Up- und Supper-Club-Auftritte so erzogen, dass es im frisch eröffneten Restaurant mit dem rigiden Konzept anscheinend keine Probleme gibt: Das obligatorische Sechs-Gang-Menü darf auf vier Gänge verkürzt werden, das war’s (48/68 Euro). Dabei geht es hier (in den Räumen des einstigen „Svevo“) atmosphärisch wie kulinarisch einfach zu, familiär und ungekünstelt. Es ist jene Küche, die dem Eingeweihten weltläufig zublinzelt, ohne den Ignoranten zu verschrecken. Die kleinen Häppchen vornweg stecken den Rahmen ab, es gibt eine Paste aus weißen Bohnen mit einem Tick Anchovis, ein paar würzige Gemüse mit einem Pesto aus grünem Salat und die in jedem Bericht gewürdigten „Bitterballen“, frittierte Bällchen mit einer Füllung aus zerrupftem Kalbfleisch plus Mayo.
Kulinarische Vernunft
Die alsbald folgende Verbindung von Rindstatar mit Austern im Hintergrund ist schlau gewählt, denn daraus entsteht ein Umami-Doppelklang, der durch knusprig geröstetes Brot noch überhöht wird. Und er zeigt auch deutlich den Küchenstil, der eigentlich keiner ist, sondern auf kulinarischer Vernunft basiert: Es gibt immer einen klar definierten Mittelpunkt, der nicht mit schrägen Aromen bombardiert wird, die Gerichte wirken selbstverständlich, ohne langweilig zu sein – und sind meist mehr als die Summe ihrer Zutaten. Ein wenig brav fiel dabei das halbe Bio-Ei mit gegrilltem Spargel aus, weil das Rindergelee, das dazu auf dem Teller schmolz, zuviel Zurückhaltung walten ließ. Großartig gelang dagegen die vegetarische Kombination aus Kohlrabi mit Macadamia-Nüssen und angekeimten Roggenkörner, die einen wunderbar saftigen Biss hatten. Schön saftig war auch der Maibock, der allerdings durch eine klassisch dunkle Jus sicher noch an aromatischer Aussage gewonnen hätte – hier war er in eine eher vegetabile Umgebung aus Knoblauchpüree und Spinat eingebettet, die ihm die Wucht nahm. Das klappte besser beim Kabeljau, einem großen, auf Kompaktheit pochierten Stück, das gut zu den kleinen Ofentomaten und dem jungen, ganz gegen das winterliche Klischee eingesetzten Grünkohl passte.
Der Wein geht ins Geld
Täglich steht nur ein Dessert bereit, wohl auch aus Gründen der Rationalisierung – bei uns war es ein braves Rhabarber-Eisparfait mit dünnen Leinsamen-Crackern. Der Service, à la mode von den Köchen unterstützt, arbeitet geschmeidig, die Weinkarte ist knapp und modern sortiert mit Schwerpunkt in Mitteleuropa, allerdings geht vieles doch sehr ins Geld. Das ist also ein Restaurant, das auf den ersten Blick aussieht wie viele andere, die wir im weitesten Sinn und in Ermangelung eines passenderen Etiketts der „Hipster-Szene“ zuordnen. Aber es hat den damit verbundenen Hype durchaus mehr verdient als viele ähnliche Betriebe. Unbedingt reservieren!
- Lode & Stijn, Lausitzer Str. 25, Kreuzberg, Tel. 65 21 45 07, Dienstag bis Sonnabend von 18 bis 23 Uhr.