Colin Firth und Jude Law auf der Berlinale: Lob des Lesens
Colin Firth und Jude Law stellen ihren Film „Genius“ vor und erzählen, was sie an ihren Rollen als Lektor und Schriftsteller faszinierte.
Nun mal ehrlich: Jemals vor dem Film Thomas Wolfe gelesen? Aber solch eine inquisitorische Frage nach Bildung und Belesenheit ist gegenüber Colin Firth vollkommen überflüssig, er beichtet schon von ganz allein: „Nein, Thomas Wolfe habe ich zuvor nie gelesen.“ Aber er hat es natürlich nachgeholt, als es an die Vorbereitung seiner Rolle als Max Perkins ging, Lektor beim New Yorker Verlag Scribner’s Sons und Vaterfigur für den von Jude Law gespielten Jungautor Wolfe in dem Wettbewerbsfilm „Genius“. Und um beim Bloßstellen eigener, wenn auch nun geschlossener Bildungslücken fortzufahren: Auch F. Scott Fitzgerald habe er „als junger Mann übersehen“, hielt ihn für einen vor allem über Partys und die feine Gesellschaft schreibenden Autor, ein Fehlurteil, das viele gegenüber Fitzgerald hätten, auf dem sein Erfolg sogar beruhe, obwohl er doch, trotz der beschriebenen Partys, viel Tieferes gewollt habe. Und erreicht, daran besteht für den Schauspieler kein Zweifel. Und um das Bekenntnis der Unbelesenheit kurz zu komplettieren: Auch von Hemingway hat er erst jetzt manches nachgeholt.
Die Berlinale-Pressekonferenz zu „Genius“, dem ersten Film des Londoner Theaterregisseurs Michael Grandage, konnte einen schon in Verwirrung versetzten: Sollte man nun schnurstracks zu einem Ticketschalter rennen, um „Genius“ gleich noch einmal zu sehen, oder doch lieber in die nächste Buchhandlung? Was Drehbuchautor John Logan sich als Effekt des Films jedenfalls erhofft, Wolfe sei ein wenig in Vergessenheit geraten, zu Unrecht, das könnte der Film vielleicht ändern.
Als Drehbuchautor bei den Bond-Filmen „Skyfall“ und „Spectre“ hat Logan auch mit Action Erfahrung, hier dominiert dagegen das Schauspielerische, was Filmneuling Grandage die Arbeit an seinem Kinodebüt sehr erleichtert hat. „Die Besetzung der Figuren stand im Zentrum“, bekannte er. Das war ihm sehr recht, Schauspielerführung kannte er von der Bühne zur Genüge.
Für die beiden Hauptdarsteller Firth und Law stellte die Zusammenarbeit eine besondere Herausforderung dar. Ihre Figuren seien grundlegend anders, hier der zurückhaltende Lektor, dort der exaltierte Autor, beschrieb es Firth. „Zwei Charaktere stehen miteinander in Konflikt, repräsentieren eine jeweils ganz andere Energie.“ Und Jude Law fand es „sehr schwierig, die Geschwindigkeit im Denken der beiden Menschen zu zeigen“, ihr Verhältnis durch eine „gewisse Art von Stakkato“ zu vermitteln, endlos habe man dies geprobt.
Was ihn an Wolfe und der Rolle faszinierte, sei der Wunsch Thomas Wolfes gewesen, „eine neue Stimme zu finden, sich selbst in eine neue Richtung zu drängen“, jenseits der Konventionen, sagte Jude Law. Colin Firth dagegen reizte gerade der bescheidene Heroismus des Lektors, dessen Urteilskraft so ausgeprägt war, der diese ungewöhnliche Begabung hatte und einem Autor wie Thomas Wolfe zum Ruhm verhalf und doch unsichtbar bleiben wollte. Eine Figur, die dem gegenwärtigen Trend zum „permanenten Exhibitionismus“ durch Selfies und die sozialen Medien vollkommen entgegengesetzt sei. Und zugleich war für Firth dieser Lektor ein Abenteurer, angezogen von Tolstoi, Hemingway, Fitzgerald und eben Wolfe. Dessen Arbeit keineswegs nur im redaktionellen Überarbeiten bestand, der immer nach der authentischen Satzstruktur suchte und lieber ganze Teile aus einem Buch rauswarf als dessen Klang zu verändern. Um Tippfehler und solche Kleinigkeiten habe er sich dabei nicht gekümmert. Die ersten Ausgaben der Bücher, sie waren noch voll davon.