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Altbau-Fassaden im Kaskelkiez (Kaskelstraße) in Berlin-Lichtenberg stehen nun unter Milieuschutz und dürfen nur mit einer Genehmigung saniert werden.  
© Thilo Rückeis

Kaskelkiez in Berlin-Lichtenberg: Linkspolitiker und Anwohner kritisieren späten Milieuschutz

Kommt der Milieuschutz für den Kaskelkiez in Berlin-Lichtenberg zu spät? Das kritisieren zumindest Linkspolitiker und Anwohner. Der Kiez sei bereits stark gentrifiziert.

Das Lichtenberger Bezirksamt hat den Kaskelkiez letzte Woche unter Milieuschutz gestellt. Doch einigen Anwohnern kommt das schlicht zu spät. Der Kiez, der eigentlich Victoriastadt heißt, sei bereits gentrifiziert, sehr viele Alteingesessene wären schon vor längerer Zeit weggezogen. Anwohnerin Juliane T. erzählt, die Zusammensetzung habe sich in den letzten 15 Jahren eh schon so stark homogenisiert, dass der Schutz signifikant kaum für eine soziale Durchmischung sorgen könne, denn die würde es hier gar nicht mehr geben: Vor allem Akademiker-Paare mit Kind würden in der Gegend um die Kaskelstraße wohnen. Der Beschluss zum Schutz käme nach der Umwandlung vieler Miet- in Eigentumswohnungen.

Das ist nun nur noch unter bestimmten Voraussetzungen möglich und bedarf einer Genehmigung. Auf der Facebook-Seite des Tagesspiegels sprechen darum viele von einer „Symbolpolitik“. Ein Nutzer kommentiert: „Wir wohnen direkt hinter dem Kaskelkiez und ich kann sagen, dass in den sieben Jahren, in denen ich im Nöldnerkiez lebe, sich der komplette Kiez fast einmal ausgetauscht hat. Schön, dass ein Großteil der Nazis weg ist, aber die Mieten sind einfach mal explodiert und auf Friedrichshainer Niveau. Der gesamte Bereich sollte unter Milieuschutz gestellt werden.“

Linke fordert neues Gutachten

Lichtenbergs Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Birgit Monteiro (SPD), hatte die Entscheidung zum Milieuschutz nach einem Gutachten des Fachbereichs Stadtplanung getroffen. „Das Gutachten weist nach, dass sich das Milieu im Kaskelkiez derzeitig wandelt und ohne unser Eingreifen weitere Verdrängungen zu erwarten wären.“ Im Unterschied zu den beiden anderen Kiezen in der Umgebung, dem Weitlingkiez und der Frankfurter Allee Nord, sei das Milieu nicht stabil. Für diese Kieze wurde kein Milieuschutz erlassen.

Die in Lichtenberg regierende Linke fordert ein neues Gutachten. „Man muss den Eindruck gewinnen, dass Frau Monteiro den Entwicklungen hinterher läuft. Stattdessen wäre es angebracht, proaktiv voranzugehen“, sagt der Fraktionsvorsitzende Norman Wolf. „Weitere Jahre zu warten schützt die Bewohnerinnen und Bewohner im Weitlingkiez und Frankfurter Allee Nord nicht vor Verdrängung.“ Ein weiteres Gutachten eines anderen Anbieters könne für Klarheit sorgen.

"Den betroffenen Investoren entgehen dadurch hohe Summen"

Monteiro entgegnete der Kritik, Wolf gehe es schlicht um Aufmerksamkeit. Vor dem Beschluss habe es von den Linken keine Beschwerden an dem Vorhaben gegeben. Die Milieuschutzstudie sei bereits im Juli 2016 Thema gewesen – also noch bevor Monteiro zuständig war. „Mir ist keinerlei konkrete Kritik des Herrn Wolf an Systematik, Indikatoren oder Daten bekannt. Wenn die Linke nach nunmehr neun Monaten ein zweites Gutachten fordert, dann spricht das eher für eine etwas längere Geburt als für unverzügliches Handeln der Linken. Das ich mir dann ausgerechnet von dieser Fraktion ein proaktives Vorgehen via Pressemitteilung empfehlen lassen muss, entbehrt nicht einer gewissen Ironie."

Eine neue Studie würde etwa 50.000 Euro kosten. Es käme vor allem auf Sachlichkeit an, denn unter Umständen müsse eine Studie auch vor Gericht standhalten. „Den betroffenen Investoren entgehen dadurch hohe Summen, sie werden mit jedem möglichen Argument juristisch dagegen vorgehen“, sagt Monteiro.

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