17 angezündete Autos in Berlin: Linksextremisten bekennen sich zu Anschlag auf Ordnungsamt
17 Autos gingen in einer Nacht in Flammen auf - so viele wie seit langem nicht. Linksextremisten bekannten sich zu dem Anschlag auf sieben Fahrzeuge des Ordnungsamts.
So viele Autobrandstiftungen in einer Nacht hat es seit sehr vielen Jahren nicht gegeben. Stadtweit wurden 17 Autos beschädigt oder zerstört. Zehn davon gehen mit einiger Sicherheit auf das Konto von Linksextremisten. Sie setzten an zwei Tatorten in Pankow und Köpenick zehn Autos von einem Ordnungsamt und einer Immobilienfirma in Brand.
In der Salvador-Allende-Straße in Köpenick gingen auf einem Parkplatz des bezirklichen Ordnungsamtes sechs Autos in Flammen auf, ein siebtes wurde beschädigt. Ein Anwohner hatte gegen 1.10 Uhr laute Knallgeräusche gehört und dann die Flammen gesehen. Gegen 3.30 Uhr brannte es in der Danziger Straße in Prenzlauer Berg. Dort wurde ein Kleinwagen des Wohnungsunternehmens „Deutsche Wohnen“ in einem Hinterhof in Brand gesetzt, zwei weitere wurden stark beschädigt. Bei diesen beiden Taten hat der für politische Delikte zuständige Staatsschutz die Ermittlungen übernommen.
Mehr politisch motivierte Taten
Am Montagabend tauchte ein Bekennerschreiben zu dem Anschlag auf das Ordnungsamt auf einer einschlägigen Internetseite auf. "Hiermit übernehmen wir die Verantwortung für die Zerstörung der Autos des Ordnungsamtes in Berlin-Köpenick letzte Nacht. Wir setzen damit ein Zeichen gegen den Ordnungswahn innerhalb dieser Gesellschaft und senden eine Botschaft an den Law-and-Order Sheriff Henkel, der seit Monaten versucht, seinen persönlichen Rachefeldzug gegen alle Andersdenkenden zu führen", heißt es in dem Schreiben, das mit "black july" (schwarzer Juli) unterzeichnet ist. Das Ordnungsamt wurde als Ziel gewählt, weil es "verkörpert die widerlichste Form autoritärer Zwangsmassregelung der Gesellschaft". Ob das Schreiben authentisch ist, wird jetzt von der Polizei geprüft, es enthält keinerlei Täterwissen. Deshalb ist es möglich, dass es sich um Trittbrettfahrer handelt. Nach Angaben des Bezirksamtes wurden durch den Anschlag sämtliche Fahrzeuge des Ordnungsamtes zerstört. Der Schaden beträgt laut Stadtrat Michael Grunst 180.000 Euro.
Zu dem anderen Anschlag gibt es bislang keine Selbstbezichtigung. Der Konzern „Deutsche Wohnen“ wird allerdings in der linksextremistischen Szene seit Längerem thematisiert. 2013 erschien auf einer einschlägigen Internetseite diese Drohung: „Die Deutsche Wohnen muss damit rechnen in Zukunft von Mieter_innen besucht zu werden, welche sich gegen Zwangsräumungen und hohe Mieten wehren.“ Der Konzern hatte die Berliner Wohnungsbaugesellschaft GSW gekauft, die mehrfach Ziel von Anschlägen war.
Die Zahl der eindeutig politisch motivierten Taten ist in diesem Jahr drastisch gestiegen. In diesem Jahr gab es nach Polizeiangaben bereits 63 Brandanschläge auf Autos. Dabei wurden 107 Autos angezündet und 49 weitere beschädigt. Im gesamten Jahr 2015 hatte es 38 Taten aus politischen Motiven gegeben, bei denen 45 Fahrzeuge angezündet wurden. Sonstige Motive sind laut Polizei Versicherungsbetrug, Lust am Feuer (Pyromanie), aber auch persönliche Streitigkeiten.
In Steglitz brennen besonders viele Autos
So ist laut Polizei auch bei den drei anderen Brandstiftungen mit sieben beschädigten Autos in der Nacht zu Montag keine politische Tatmotivation erkennbar. In diesen Fällen ermittelt ein Brandkommissariat. Gegen 3.45 Uhr stand in Neukölln ein geparkter Audi in Flammen. Ein unbekannter Anrufer alarmierte die Feuerwehr in die Richardstraße. Die Flammen beschädigten zwei weitere Fahrzeuge.
In der Marzahner Langhoffstraße entdeckte ein Anwohner gegen 3 Uhr einen brennenden Vorderreifen an einem Skoda. Polizeibeamten gelang es, die Flammen rechtzeitig zu löschen. In der Paulsenstraße in Steglitz brannte zur gleichen Zeit ein geparktes BMW Cabrio. Auch hier wurden zwei weitere Fahrzeuge durch Flammen und Hitze beschädigt. Auffallend ist, dass in Steglitz derzeit viele Autos brennen. Die Zahl der vermutlich nicht politisch motivierten Taten ist höher, bislang gab es 132 Brandanschläge in diesem Jahr.
Das Motiv ist Gentrifizierung
Hinter den meisten als politisch eingestuften Taten dürfte nach Einschätzung der Polizei das Motiv Gentrifizierung stehen. Mehrfach waren in den vergangenen Wochen Parolen wie „R94 bleibt“ hinterlassen worden oder später entsprechende Selbstbezichtigungen veröffentlicht. So waren in Neubaukiezen wie der Flottwellstraße am Gleisdreieck oder in der Alten Jakobstraße in Mitte zahlreiche Fahrzeuge angezündet worden. Die Täter hatten die Aktionen in im Internet veröffentlichten Selbstbezichtigungen mit der Gentrifizierung der Viertel begründet. Vor drei Wochen waren in Nikolassee „drei Luxuskarren“ aus Rache für die Teilräumung der Rigaer Straße 94 angezündet worden, wie sich die mutmaßlichen Täter später bekannten.
403 Brandstiftungen im Rekordjahr 2011
Im Rekordjahr 2011 hatte es 403 Brandstiftungen gegeben (politisch motiviert und allgemeine Kriminalität). Nach der Festnahme eines Serienbrandstifters pendelte sich diese Zahl in den Folgejahren auf etwa 200 bis 250 Taten ein. Da in den bisherigen gut sechseinhalb Monaten bereits 234 Taten gezählt wurden, könnte es in diesem Jahr einen neuen Rekord geben. „Uns fehlt das Personal, um eine Polizeipräsenz auf die Straßen zu bekommen, die derartige Straftaten verhindert, präventiv Druck aufbaut und diese Verbrechen aufklärt“, sagte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei.