200.000 Atemschutzmasken doch nicht konfisziert: Lieferung für Berliner Polizei wurde in Thailand zu besserem Preis aufgekauft
Im Streit um nicht gelieferte Masken gegen das Coronavirus korrigiert sich die Polizei. Die Behörde rätselt: Was geschah auf dem Flughafen in Bangkok?
Die von der Berliner Polizei bestellten Atemschutzmasken sind nicht von den USA sichergestellt worden, sondern sollen einfach zu einem besseren Preis aufgekauft worden sein - von wem genau, ist noch unklar. Offiziell hieß es von der Polizei, es sei noch unklar, wie es dazu kommen konnte und was genau abgelaufen in Thailand.
Zugleich korrigierte eine Sprecherin der Polizei am Samstag auf Anfrage die Angaben von Innensenator Andreas Geisel (SPD). Am Freitag hatte Geisel noch erklärt, eine von der Berliner Polizei bestellte Lieferung von 200.000 Atemschutzmasken sei konfisziert worden. Zugleich warf Geisel den USA „Wildwest-Methoden“ und einen „Akt moderner Piraterie“ vor. „Wir gehen im Augenblick davon aus, dass dies im Zusammenhang mit dem Ausfuhrverbot für Masken der US- amerikanischen Regierung steht“, sagte der Innensenator.
Am Samstag erklärte die Polizei auf Anfrage, dass es wohl doch anders gewesen sein könnte. Von „Konfiszieren“, also von Staats wegen beschlagnahmen oder einziehen, war keine Rede mehr. Die Polizeisprecherin sagte, bei dem langjährigen deutschen Vertragspartner der Polizei seien 400.000 Masken der Schutzklasse FFP2 eines amerikanischen Herstellers bestellt worden.
Dabei handelt es sich nach Tagesspiegel-Informationen um den US-Hersteller 3M, der auch in China produziert. Die neue Sprachregelung der Behörde lautet nun; „Die Lieferung ist nach Aussage unseres Vertragspartners in Thailand zurückgehalten und umgeleitet worden.“ Und die Sprecherin sagte: „Unser Vertragspartner sorgt für Ersatz.“
Geisels Sprecher sagte: "Der Händler hat die Polizei informiert, dass die Lieferung aufgrund einer US-Direktive storniert und das Frachtflugzeug mit der Lieferung nicht nach Deutschland, sondern in die USA geflogen ist."
"Im letzten Moment umgeleitet"
Nach Tagesspiegel-Informationen ist die interne Sprachregelung der Polizei, dass die für die Berliner Polizei bestimmte Ware in Thailand aufgekauft wurde. Die verbindlich zugesagte Lieferung von 200.000 von insgesamt 400.000 FFP 2-Masken sei „im letzten Moment an einen anderen Käufer umgeleitet worden“.
Intern ist unter Berufung auf den deutschen Händler und Vertragspartner auch die Rede davon, dass die Ware an die USA ging - ob an eine Firma oder an staatliche Stellen, blieb unklar. Thailand könnte aber auch selbst den Verkauf an Berlin gestoppt haben. Oder ein gewiefter Zwischenhändler könnte auf einen größeren Profit aus gewesen sein.
Die Polizei versucht nun, den genauen Hergang aufzuarbeiten. „Wir sind dabei, die Details zu klären“, sagte der Sprecher der Innenverwaltung. Momentan lägen noch keine Informationen vor, was genau auf dem Flughafen in der thailändischen Hauptstadt Bangkok passiert ist. „Wir versuchen jetzt herauszufinden, wie die Kette von Bestellung, Produktion und Lieferung gelaufen und was genau auf dem Flughafen in Thailand passiert ist“, sagte Geisels Sprecher.
Polizei soll die verbleibenden Masken "verantwortungsbewusst" einsetzen
Es sei eine Herausforderung, vertrauenswürdige Anbieter zu identifizieren und von den vielen unseriösen Akteuren zu unterscheiden, heißt es intern bei der Berliner Polizei. Der Ausfall der Lieferung führt nun zu Engpässen. Die Polizeiführung mahnte die Beamten, „die uns noch zur Verfügung stehenden Schutzmasken verantwortungsbewusst und gezielt“ einzusetzen.
Momentan kostet eine Maske, für die früher etwa 50 Euro-Cent fällig wurden, um die 6 Euro. Bei 400 000 Masken kommen so rund 2,4 Millionen Euro zusammen statt vor der Corona-Pandemie 200 000 Euro.
CDU vermutet Ablenkungsmanöver
Die Berliner Opposition kritisierte den Innensenator hart. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warf Geisel eine „bewusste Irreführung der Berliner“ vor. „Die USA haben keine Möglichkeiten, Schutzausstattung auf fremden Territorium zu beschlagnahmen“, sagte Dregger. Der Senat suche nur einen Schuldigen, „um seine eigene Unfähigkeit bei der Beschaffung von Schutzausrüstungen zu verschleiern“.
Der Senat habe für die Krise nicht vorgesorgt. „Und jetzt zeigt er sich nicht in der Lage, in der Krise Material zu beschaffen“, sagte Dregger. Der Senat müsse sich das Geschäftsgebaren anderer einstellen und direkt vor Ort die Beschaffungen durchführen.
FDP-Innenexperte Marcel Luthe sagte, der Senat versage bei der Beschaffung – und „ Größen der internationalen Politik wie Berlins Innensenator Geisel schieben anderen die Schuld zu und fabulieren von Piraterie durch die USA, um antiamerikanische Klischees zu bedienen“.
[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über Berlins wichtigste Nachrichten und größte Aufreger. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]
Auch das Unternehmen 3M wies die Darstellung des Innensenators bereits am Freitagabend zurück. „Wir wissen nichts von einer Bestellung der Berliner Polizei für 3M-Masken, die aus China kommen“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. „3M hat keine Beweise, die darauf hindeuten, dass 3M-Produkte beschlagnahmt worden sind“, hieß es. „3M hat keine Unterlagen über eine Bestellung von Atemschutzmasken aus China für die Berliner Polizei.“ Und das Weiße Haus erklärte dem Portal T-Online, die USA hätten keine Masken beschlagnahmt, die in ein anderes Land geliefert werden sollten.
US-Präsident Donald Trump kündigte am Freitagabend (Ortszeit) in Washington an, seine Regierung wolle den Export knapper medizinischer Schutzausrüstung wegen der Ausbreitung des Coronavirus verbieten. Verhindert werden solle etwa der Export von Atemschutzmasken, von Operationshandschuhen und anderen Produkten. Zudem soll 3M Bestellungen der US-Behörden für Schutzmasken, die in China hergestellt werden, mit Priorität bearbeiten.