Berlin: Letzte Galgenfrist für einen legendären Jazzclub
Franz de Byl muss sein Wilmersdorfer „Flöz“ wohl schließen – aber es gibt noch eine kleine Hoffnung
Der Name ist Programm und Beschreibung zugleich. Das Flöz, ein dunkles Kellerlokal im bürgerlichen Wilmersdorf, erinnert nicht nur optisch an ein Bergwerk, sondern es schürfen dort Musiker auch seit fast drei Jahrzehnten nach Edelmetall in Gestalt schräger, unkonventioneller, handgemachter Musik. Gegründet 1976 in den Zeiten der Kreuzberger Nächte, ist es neben dem Quasimodo der älteste Berliner Musikclub – doch seine Zeit scheint vorüber. Franz de Byl, der Gitarrist und Betreiber des Clubs, ist finanziell am Ende. „Wäre ich eine Gesellschaft“, sagt er, „müsste ich Konkurs anmelden.“ Die Schließung droht Ende August, aber es besteht dennoch Hoffnung: Am Donnerstagabend haben sich die Mitarbeiter mit den dort regelmäßig auftretenden Musikern getroffen, um gemeinsam über eine Lösung nachzudenken.
Wie überall in Berlin liegt das Problem nicht im nachlassenden Interesse an Live- Musik, sondern in den miserablen Gastronomie-Umsätzen. „Die Leute bringen sich ihr Bier selber mit“, sagt de Byl, „und wollen dann von uns noch das Pfand zurück.“ Er betreibt seit einiger Zeit neben der Kellerbühne auch das Lokal wieder selbst, nachdem ein Versuch mit einem externen Pächter gescheitert war. Und er sieht eine kleine Chance für den Fall, dass die Eigentümergemeinschaft des Hauses das tut, was sie nach seinen Angaben schon seit Jahren verspricht: Das Schaufenster so umzubauen, dass es zur Hälfte geöffnet werden kann.
Dann nämlich, so meint de Byl, könne er endlich einen rentablen, nach außen sichtbaren Cafébetrieb führen, tagsüber, wenn in der Nassauischen Straße auch Menschen unterwegs sind. „Das neue Fenster sollte im Oktober 2002 eingebaut werden“, berichtet er, „ich habe zwei Leute eingestellt und wieder entlassen müssen, weil dann doch nichts passierte.“ Selbst wenn die Arbeiten sofort beginnen, wird die Zeit aber knapp, denn die lukrative Open-Air-Saison ist mit Ferienbeginn schon fast zu Ende.
De Byl will nun keinen Einfluss nehmen auf das, was seine Mitarbeiter und Musiker unternehmen. Es wäre denkbar, meint er, dass einige bereit seien, eine Zeit lang umsonst zu spielen und zu arbeiten, doch das helfe nur, wenn die Umsätze deutlich in die Höhe gehen. Auch andere Gläubiger wie die Lieferanten, das Finanzamt und die Gema, müssten ihm einen Aufschub gewähren. Die Kulturverwaltung habe ihm bereits deutlich gemacht, dass sie nicht helfen könne, „und Sponsoren sind auch nicht in Sicht“. Der Club war in den späten Achtzigerjahren mit Senatshilfe renoviert und auf neuen technischen Stand gebracht worden. Seither stand seine Existenz schon häufiger auf Messers Schneide.
Das Programm des Flöz hat sich vom experimentellen Jazz der ersten Jahre – Eröffnungsgäste waren renommierte Jazzer wie Manfred Schoof, Irene Schweizer und Jasper van’t Hof – mehr und mehr in Richtung Blues, Boogie und Soul verschoben, de Byl selbst ist ein hervorragender Gitarrist. Nach der Wende war er einer der ersten, die sich der Jazz-Szene in der DDR und den Ostblockländern öffneten und den Künstlern von dort Auftrittsmöglichkeiten boten. Doch Wilmersdorf ist ins Abseits geraten, und so könnte es sein, dass nach dem Steve-Club, dem Go-In und anderen ein weiterer Baustein der legendären West-Berliner Clubszene verloren geht.
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