Humboldt-Universität: Lernen ohne Reservierung
Die neue Zentralbibliothek der Humboldt-Universität ist überlaufen. Die Plätze werden markiert wie Liegestühle auf Mallorca, eine neue Hausordnung soll helfen.
Von der „HU-Homezone“ hat David Brengelmann noch nichts gehört. Der Management-Student befindet sich aber gerade mittendrin, und den Leseplatz, den er nach langem Suchen in seiner Lieblings-Bibliothek entdeckt hat, muss er wieder aufgeben. Die Homezone ist HU-Studenten vorbehalten, und Brengelmann studiert an der Europäischen Wirtschaftshochschule ESCP in Charlottenburg.
Die neue Zentralbibliothek der Humboldt-Uni, das Grimm-Zentrum nahe dem S-Bahnhof Friedrichstraße, kann sich vor Nutzern kaum retten und hat deswegen eine spezielle Hausordnung in Kraft gesetzt. Im westlichen Teil des Neubaus dürfen alle über ihren Büchern brüten, im östlichen Teil nur noch HU-Studenten. Außerdem sind Lesepausen zum Rauchen oder Essen auf maximal 60 Minuten begrenzt. Danach erfolgt die Zwangsräumung des Arbeitsplatzes durch einen Mitarbeiter. So die Theorie.
Am ersten Tag der Homezone-Regelung gibt es zwar viele Infozettel, aber niemand wird aufgefordert, seinen Studentenausweis vorzuzeigen. Von patrouillierenden Bibliotheksangestellten ist auch nichts zu sehen. Die beiden Wachschutzleute am Eingang stehen sich schweigend gegenüber. Sie passen auf, dass niemand Bücher aus dem Wissenstempel wegschleppt. Mehr nicht.
Das Grimm–Zentrum mit seinen offenen Leseterrassen und dem Foyer-Café leidet unter seinem ungeahnten Erfolg: Bis zu 5000 Nutzer kommen am Tag. Plätze gibt es aber nur für 1250. „Hier treffen sich viele, die hier gar nicht arbeiten müssten“, sagt Bibliothekssprecherin Katharina Tollkühn. „Da wurden Plätze besetzt nach Mallorca-Sonnenliegen-Manier.“ Statt Handtücher markieren Bücher den Besitzanspruch. „Es gab massive Beschwerden von HU-Studenten, die nach ihren Vorlesungen keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Da mussten wir einschreiten.“
Die neue Hausordnung stößt allerdings HU-intern auf massive Kritik. „Diese Regelung wird keinen Bestand haben“, sagt eine Sprecherin. An einer Alternativlösung werde bereits gearbeitet.
David Brengelmann und seine Kommilitonen schätzen das „Ambiente“ der Bibliothek. Wenn drumherum alle lernen, sei man besser motiviert als zuhause. Dass die Nutzung jetzt eingeschränkt werde, können sie nachvollziehen. Simon Haßler, Germanistikstudent, fordert dagegen, das Haus für alle offenzuhalten. „Richtig voll ist es doch nur zu den Klausuren am Semesterende.“ Eine Doktorandin aus Konstanz fühlt sich „diskriminiert“. „Wir machen genauso Wissenschaft wie die HU-Leute.“ Sie könne nicht einfach auf eine andere Bibliothek ausweichen. „Meine Quellen stehen hier.“ Thomas Loy
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