Schulen: Lehrer sollen gehen, obwohl sie dringend gebraucht werden
An den Berliner Schulen herrscht Unruhe. Pädagogen bekommen keinen Vertrag, weil sie rechnerisch überflüssig sind.
Kurz vor den Ferien sind Eltern, Schüler und Lehrer in großer Sorge wegen drohender Personalknappheit im nächsten Schuljahr. Drei Probleme kommen zusammen: Rund 200 gut eingearbeitete Fachkräfte müssen gehen, weil sie nur Fristverträge haben; hunderte Oberschullehrer müssen an Grundschulen versetzt werden, ohne die dafür benötigte Qualifikation zu haben; und die Schulen dürfen keine festen Vertretungskräfte mehr haben, was ihren Spielraum weiter einschränkt.
Die größte Entrüstung und Gegenwehr löst aktuell die drohende Entlassung von etwa 200 Lehrern mit Fristverträgen aus. Der Verband Deutscher Schulmusiker protestierte gestern dagegen, dass fünf Grundschulen Musiklehrer verlieren. Auch andere Fächer sind betroffen. So sammeln an der Lichtenrader Dielingsgrund-Schule Kinder Unterschriften für den Verbleib einer Französischlehrerin: Nach Elternangaben soll sie das Feld für eine Lehrerin räumen, die noch nie Französisch unterrichtet hat – und das, obwohl die Schüler bereits mehrere Lehrerwechsel hinter sich haben.
Hinter diesem Vorgehen steckt der Sparzwang: Da sich der Senat vorgenommen hat, keinerlei Personalüberhänge an Schulen zu dulden, läuft das Versetzungskarussell auf Hochtouren. Das führt beispielsweise dazu, dass sich ein Köpenicker Realschullehrer für Physik und Mathematik an einer Grundschule bewerben muss, die eigentlich ihre gut eingearbeitete Grundschulpädagogin behalten möchte, aber nicht darf, weil sie nur einen Fristvertrag hat. Insgesamt geraten wegen des Schülerrückgangs knapp 600 Lehrer in den Überhang. Zu ihnen gesellen sich über 50 Lehrer aus Brandenburg, die Berlin als Folge des Gastschülerabkommens übernehmen muss. Dies alles führt dazu, dass Berlin abermals kaum Spielraum hat, frisch ausgebildete Junglehrer oder Fristvertragslehrer zu übernehmen. Dutzende haben bereits neue Verträge in anderen Bundesländern unterschrieben, weil ihnen andernfalls Arbeitslosigkeit droht.
Betroffen sind auch Klassenlehrer mit Fristverträgen, denen es in den vergangenen sechs Monaten gerade gelungen war, das Vertrauen ihrer Kinder zu gewinnen. Allein in Spandau wollen etliche Schulen am Donnerstag auf die Straße gehen, weil sie sich mit dem Verlust der Lehrer nicht abfinden wollen. Zehlendorfer Eltern wollten einen Auftritt von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gestern Abend bei Loretta am Wannsee nutzen, um Protestbriefe zu übergeben.
Zöllner selbst kann noch keine Zusagen machen. Erst müsse er abwarten,wie viele Teilzeitkräfte von dem Angebot Gebrauch machen, auf volle Stellen zu gehen. Daraus ergebe sich dann eventuell „Spielraum“ für die Fristvertragslehrer, sagte er auf Anfrage.
Dass der Spardruck auch anderweitig auf den Schulen lastet, wird täglich deutlich: So wird aktuell dringend benötigtes technisches Personal an Berufsschulen abgebaut. Und die Neuköllner Schüler verlieren gerade ihr Landschulheim am Wannsee, weil der Senat den Bezirken erneut die Budgets gekürzt hat.