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Milchprodukte sind lecker, aber nicht jeder kann sie essen.
© dpa

Lebensmittelunverträglichkeit: Lecker wär’s

Lebensmittelallergien können den Spaß am Essen gründlich verderben. Umso wichtiger ist es, die Ursachen genau zu kennen.

Für die meisten Menschen gehören Eier, Fisch, Nüsse, Milch, Obst und Gemüse zum täglichen Verzehr dazu, als wichtige Bestandteile ausgewogener Ernährung. Doch einige hunderttausend Bundesbürger müssen um diese Lebensmittel einen Bogen machen. In Deutschland sind zwischen zwei und drei Prozent der Erwachsenen und vier bis acht Prozent der Kinder von Allergien gegen bestimmte Nahrungsmittel betroffen. Auf der Suche nach Gründen tappt die Forschung noch weitgehend im Dunkeln. Warum ein bestimmtes Lebensmittel eine allergische Reaktion hervorruft und ein anderes nicht, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.

Trotzdem habe man mehrere Risikofaktoren identifizieren können, die eine solche „Fehlreaktion des Immunsystems“ fördern, so die Ökotrophologin Sonja Lämmel, Ernährungsfachkraft des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) in Mönchengladbach. Einer dieser Faktoren sei die genetische Disposition. „Ein Kind kann die Veranlagung für eine Allergie von seinen Eltern erben“, sagt Lämmel. Es kann ausreichen, wenn ein Elternteil an Asthma oder Neurodermitis leidet. Ein weiteres Risiko besteht in einer übertriebenen Hygiene im Kindesalter. „Heutzutage wachsen die Kleinen oft zu klinisch auf, das Immunsystem langweilt sich geradezu.“ Deshalb sei es möglich, dass sich das körpereigene Abwehrsystem nicht in korrekter Weise ausbildet. Was die Anfälligkeit drastisch erhöhen kann.

Eine Nahrungsmittelallergie kann sich auf unterschiedliche Art äußern: Hautveränderungen wie Neurodermitis oder Nesselsucht, außerdem Übelkeit, Durchfall oder Atemnot. Im Extremfall, dem Kreislaufversagen, sprechen Mediziner von einem anaphylaktischen Schock. Theoretisch könnte dabei jede Art von Lebensmitteln die Beschwerden hervorrufen. „Die Allergie besteht ja nicht gegenüber einem Lebensmittel als Ganzem“, sagt Ökotrophologin Lämmel. „Entscheidend ist immer die spezifische Eiweißstruktur.“ Deshalb sei es unmöglich, allergieauslösende Lebensmittel vorher zu identifizieren. Jeder Körper reagiert anders auf Eiweißbausteine. Klar ist nur: „Je häufiger der Verzehr, desto größer das Risiko einer Allergiebildung.“ Während in Deutschland die Reisallergie kaum verbreitet ist, steht sie in China an Position eins. Hierzulande dagegen leiden besonders Kinder häufig unter einer Milch- oder Eier-Allergie.

Die Beraterin empfiehlt: ein Ernährungstagebuch führen

Wie genau lässt sich herausfinden, ob man überempfindlich auf Nahrungsmittel reagiert? Eine Möglichkeit ist der Prick- Test. Der Allergologe tupft Lösungen, die typische Allergene enthalten, auf den Unterarm. Anschließend ritzt er oberflächlich in die Haut. Anhand der Reaktion – meist bilden sich deutlich sichtbare Quaddeln – kann er Sensibilisierungen identifizieren. Eine andere, aufwendigere Möglichkeit ist ein Bluttest, mit dem spezielle Antikörper auf die Eiweiße in den Lebensmitteln nachgewiesen werden können. Da es jedoch viele Allergene geben kann, sind beide Methoden nicht hundertprozentig genau. DAAB-Beraterin Lämmel empfiehlt, bei Allergieverdacht mehrere Wochen ein Ernährungstagebuch zu führen, in dem sämtliche Reaktionen auf die Ernährung protokolliert werden. Hat man eine Allergie zweifelsfrei nachgewiesen, heißt die derzeit einzig wirksame Therapie: Vermeidung und Ersatz. So schwer das bei leckeren oder lieb gewonnen Speisen auch sein mag. Mithilfe eines Ernährungsberaters kann man sich auch nach Alternativen umsehen.

Bei den hoch verarbeiteten Lebensmitteln der Industriegesellschaft ist es nicht einfach, bestimmte Nahrungsbestandteile zu meiden. 2008 verpflichtete die EU die Hersteller, auf der Verpackung die Zutaten zu nennen, die besonders häufig Allergien auslösen, unter anderem Weizen und Erdnüsse. Seit 2014 müssen solche Zutaten noch zusätzlich gekennzeichnet werden, etwa fett oder farbig. Darüber hinaus gibt es freiwillige Hinweise darauf, ob bestimmte Allergene enthalten sein können, obwohl sie nicht auf der Zutatenliste stehen. Wird doch mal versehentlich ein Allergen verzehrt, können Antiallergiemittel die Symptome lindern. Vorbeugen – und damit den Genuss zurückzubringen – kann man damit nicht. Auch von einer anderen Hoffnung müssen sich Allergiker leider verabschieden: Während viele im Kindesalter auftretende Allergien mit den Jahren von selbst verschwinden, ist dies bei Allergien, die sich erst bei Erwachsenen zeigen, nicht der Fall.

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Hauke Hohensee

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