THW beklagt Erste-Hilfe-Notstand: Lebensretter dringend gesucht
Herzdruckmassage, Seitenlage: Das sind einfache Griffe, aber kaum einer kann sie. Das THW will, dass jeder Erste Hilfe lernt - in Kita, Schule und Uni sowie am Arbeitsplatz. Wie das geht?
Ein falscher Griff, ein Fehltritt im Alltagsstress. Der Mensch liegt am Boden, verletzt, gestürzt, im Ausnahmezustand. Geistesgegenwärtig hockt sich jemand zu ihm, wendet die richtigen Griffe an – es sind einfache Tricks und Bewegungen, man muss sie nur kennen. Wie die wiederbelebende Herzdruckmassage im Takt des Hits „Stayin’ alive“. Viele Mitglieder der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) haben so schon Leben gerettet. Einen Dank gibt es dafür aber selten. Kommt der Mensch im Krankenhaus wieder zu Bewusstsein, weiß er ja nicht, wer der Retter am Unfallort war.
Auffrischungskurse dringend benötigt
Albrecht Broemme hat selbst schon Leben gerettet, und er wünscht sich, dass mehr Berliner und Brandenburger dazu in der Lage sind. „Auch in Deutschland sollte wie etwa in den USA mehr Wert auf Erste-Hilfe-Schulungen gelegt werden“, sagt der THW-Präsident. So sollten in Kitas, Schulen, an den Unis, am Arbeitsplatz und selbst im Altersheim ständig altersgemäße Auffrischungskurse angeboten werden. Dort sollten feste Lehrpläne zur Verfügung stehen, dafür macht sich das THW jetzt anlässlich des Internationalen Tages des Ehrenamts am kommenden Donnerstag stark.
Brückenabsturz, Taifun, Wasseraufbereitung
Bei der Bundesanstalt THW engagieren sich derzeit 80 000 Freiwillige. In Berlin haben einige gerade beim Absturz einer Fußgängerbrücke während der Bauarbeiten im S-Bahnhof Karlshorst technische Hilfe geleistet. Die Ehrenamtlichen sind auch für kürzere Zeit im Ausland tätig, wie gerade bei der Taifunhilfe auf den Philippinen, wo sie etwa Trinkwasser aufbereiten. „Unser großer Vorteil ist, dass wir leistungsfähige Teams von hoch spezialisierten Experten verschiedener Bereiche zusammenstellen können“, sagt Broemme. „Mein großer Wunsch ist es, einmal in allen Staaten der Erde THW-Mitarbeiter zu haben.“ Die THW-Ehrenamtler leisten Hilfe im Kosovo, in den riesigen Flüchtlingscamps für Syrer in Jordanien. Bei solchen Einsätzen mache man Erfahrungen, die gut seien für einen Perspektivwechsel, sagt Broemme, der gerade in Tunesien war. „Dort haben sich in einer Kleinstadt auf dem Land doppelt so viele Interessierte für den Dienst gemeldet und auch weit mehr Frauen als vergleichsweise in Deutschland.“ Hierzulande sind es zehn Prozent weibliche Ehrenamtliche, Tendenz leicht steigend. Gern zitiert Broemme eine interne Umfrage, derzufolge von allen freiwilligen ausgebildeten Bagger-, Planierraupen- und Radladerfahrern nur ein Fünftel aus der Baubranche stammen. Die Übrigen suchen im Ehrenamt einen Ausgleich etwa zum Schreibtischjob.
Viele wollen helfen, aber sich nicht binden
Wie alle Hilfsorganisationen prüft jetzt auch das THW, wie es die riesige Hilfsbereitschaft der Bevölkerung langfristig für sich nutzen kann, die sich zum Beispiel beim Hochwasser in Süd- und Ostdeutschland offenbarte. „Die Menschen wollen etwas tun, aber sich nicht binden“, sagt Broemme. Er argumentiere dann mit einem Augenzwinkern, dass sich das mit einer Freiwilligentätigkeit so verhalte wie bei einer Ehe: Da fühle man sich stark verbunden, und je länger man zusammen sei, desto größer seien Zusammenhalt und Verlass, auch wenn man sich vielleicht nicht ständig sehe. Schulungstermine will das THW künftig flexibler anbieten.
Eine Kartoffel? Eine Erfahrung fürs Leben
Engagement lohne sich, sagt Broemme. Man lerne viel und könne viel bewegen. Wie bei dem Jugendlichen, den er mal in einem THW-Jugendcamp traf und der in all seinen Jahren zu Hause in der Küche nur Pommes und Chips, aber nie eine echte Kartoffel gesehen hatte. Und auch eine andere Begegnung wird der THW-Präsident nicht vergessen. Da kam ein Mann auf Broemme zu und sagte: „Ihnen habe ich mein Leben zu verdanken. Sie haben sich als Chef der Berliner Feuerwehr dafür eingesetzt, dass die Autos mit Defibrillatoren ausgestattet werden.“
Infos zum THW und Erste-Hilfe-Kursen unter www.thw.de. Die Johanniter bieten einen „Erste-Hilfe-Fresh-up“: www.johanniter.de/erstehilfe, Tel. 01805 101 199.