„Wir haben es satt!“: Landwirte und Klimaschützer demonstrieren vor CDU-Zentrale und Kanzleramt
Es ist ein Protest der Kleinbauern: Sie fühlen sich von Ministerin Julia Klöckner und der EU im Stich gelassen. 10.000 Unterstützer melden sich per Fußabdruck.
Etwa 100 Menschen haben am Sonnabend unter dem Motto „Wir haben es satt!” in Berlin-Mitte gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestiert. Jedes Jahr rufen Ökolandwirte und Tierschützer anlässlich der Grünen Woche zu einer Großdemonstration auf. Im Januar 2020 waren 27.000 Menschen gekommen. Dieses Jahr musste die Demonstration aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen. Die Veranstalter wichen auf andere Protestformen aus.
Am Vormittag fuhren 30 Traktoren zur CDU-Bundesgeschäftsstelle im Konrad-Adenauer-Haus. Auf einem saß der Junglandwirt Phillip Brändle. Weil sein Traktor keine Kabine hat, fuhr Brändle mit dicker Jacke und Schal durch die eiskalte Stadt. Auf den Protest wollte er aber auf keinen Fall verzichten, denn er ist sauer.
Seit mehr als vier Jahren suche er nach einem geeigneten Hof, sagte Brändle dem Tagesspiegel. Doch Großbetriebe und landwirtschaftsfremde Investoren würden sich die besten Flächen sichern. Angesichts der hohen Preise hätten Kleinbauern kaum eine Chance, genug Kapital für Kauf oder Pacht aufzubringen.
Von der Agrarpolitik fühlt sich Brändle vollkommen alleingelassen. Nur große Betriebe würden von den Fördermitteln der EU profitieren, weil die Förderhöhe an die bewirtschaftete Fläche gekoppelt ist. „Geld bekommt nur, wer bereits viel Land hat”, sagt Brändle.
Kleinbauern geben auf - auch weil EU-Förderung fehlt
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt von Jahr zu Jahr. Das liegt vor allem daran, dass Kleinbauern aufgeben müssen oder keinen Nachfolger finden. Philipp Brändle hält das für eine fatale Entwicklung. Denn gerade die kleinen Betriebe sind seiner Ansicht nach besonders wichtig für den Umwelt- und Klimaschutz. Sie würden die Böden nachhaltig bewirtschaften und dabei auch die Artenvielfalt erhalten. Die Politik sollte die Fördermittel der EU zielgerichtet einsetzen, um diese kleinen Höfe zu unterstützen.
Am Samstagmittag fuhren die Traktor-Demonstranten weiter zum Bundeskanzleramt. Dort hatten Aktivisten lange Leinen aufgespannt und Bilder aufgehängt. Im Vorfeld war dazu aufgerufen worden, Fußabdrücke auf Papier zu bringen und einzusenden. Mit den bunten Bildern sollte in der Hauptstadt Präsenz gezeigt werden, auch wenn aufgrund der Corona-Pandemie keine Großdemo möglich war. 10.000 Menschen nahmen nach Angaben der Veranstalter an der Aktion teil. Neben ihre Fußabdrücke haben sie Forderungen geschrieben wie „Massentierhaltung abwählen!“ oder „Für eine insektenfreundliche Landwirtschaft!”
„Julia Klöckner macht eine Politik auf Kosten von Höfen, Tieren und Umwelt“
Saskia Richartz, die Sprecherin des Demobündnisses, kritisierte vor allem die christdemokratische Landwirtschaftsministerin: „Julia Klöckner macht eine Politik auf Kosten von Höfen, Tieren und Umwelt. Die CDU gehört nach 15 Jahren miserabler Agrarpolitik abgewählt.”
Die Niedrigpreise auf dem Lebensmittelmarkt würden die Höfe in den Ruin treiben ,sagte Richartz. Die Politik müsse Fördergelder gezielt einsetzen, um die „Agrarwende“ zu unterstützen, also die Umstellung auf eine klimafreundliche Nahrungsmittelproduktion. Die Betriebe bräuchten Geld, um Ställe auszubauen und mehr Platz für die Tiere zu schaffen.
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Es müsse verpflichtende Kennzeichnungen für Lebensmittel geben, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, welche Produkte auf tiergerechte und umweltfreundliche Weise hergestellt werden. „Die Politik muss endlich die Rahmenbedingungen für die Transformation schaffen“, fordert Richartz.
Der Imker Jasper Heilmann ist aus Ostbrandenburg nach Berlin gekommen, weil er Angst um seine Existenzgrundlage hat. „Es gibt immer weniger Bienen“, sagt er. Der Grund dafür ist seiner Ansicht nach der Einsatz von Pestiziden und anderen Giftstoffen in der konventionellen Landwirtschaft. Julia Klöckner habe sich zwar wiederholt für den Schutz der Bienen ausgesprochen, aber diesen Worten keine Taten folgen lassen, kritisiert Heilmann.