Concept Stores in Berlin: Kuratiert euch selbst!
Concept Stores sind das neue Ding: Was man hier kauft, passt garantiert zusammen, weil die Stil-Elite es ausgewählt hat. Das ist so hip, dass es schon wieder langweilig ist. Kann ich bitte alleine entscheiden, was mir gefällt? Ein Kommentar.
Alles, was dem Publikum angeboten wird, muss heute „kuratiert“ sein, ausgewählt, angeordnet, im Dialog miteinander stehend. Leider hat sich der Begriff, der aus der Kunstwelt kommt, inzwischen auf den Einzelhandel ausgeweitet. Concept Stores nennen sich die kuratierten Gemischtwarenläden. Cross-Selling – also Querverkauf – ist das Motto: Man findet unter diesem Schlagwort alles, was der Store-Kurator miteinander in Dialog stellen will. Knöchellange Kleider aus antistatischem italienischen Polyester neben einem handgegossenen Reißnagelset; eine Sushi-Anrichte in Dinosaurieroptik neben einem schildkrötenförmigen Keramik-Etui. Jedes Produkt hat seine Geschichte, alle zusammen sollen sie ein Epos erzählen.
Die Läden, ob Baerck in Mitte, Voo Store in Kreuzberg oder Hotel Ultra in Mitte (wo die Produkte als „Gäste“ bezeichnet werden), sind entsprechend museal gestaltet: Die Waren sollen für sich sprechen, brauchen Entfaltungsraum. Jeder Lederschuh ein Exponat, jeder hölzerne Schraubenschlüssel ein Statement, jede Schiefer-Klobürste ein Zitat. Die Ladenfläche wird zum Bildrahmen, die Einrichtung bewegt sich zwischen zwei Extremen: schicke Auguststraßen-Galerie oder Nord-Neuköllner Café mit unverputzten Wänden und laktosefreiem Karamell-Toffee.
Ich bin als Kunde von diesen Läden zugleich genervt und gelangweilt. Einfach nicht hingehen, ließe sich nun einwenden. Stimmt, aber darum geht es nicht. Hin und wieder kaufe ich ja sehr gerne schöne, aber unsinnige Dinge. Ich habe schon diverse Coffee-Table-Bücher in Concept Stores erworben, über russische Revolutionsplakate etwa oder über Berlin-Mitte in den frühen 90ern. Ich blättere auch gerne in Independentmagazinen und trinke dazu Kaffee.
Wenn du Socken mit Punkten kaufst, interessierst du dich sicher auch für diese Seife. – Nein, tue ich nicht
Was ich aber nicht will: der Rezipient einer stereotypisierenden Kurationsmaschine sein. Die Stores geben sich individuell und unique, die enge Vorauswahl der Produkte zielt auf einen eng definierten Kundentypus. Wenn dir „The Travel Almanach“ gefällt, magst du sicher auch diesen 250 Euro teuren Wollfilzhut. Wenn du bei den gepunkteten Socken stehen bleibst, interessiert dich sicher auch die Handseife mit Wildrosenduft. Nein, interessiert mich nicht, auch wenn ihre „ätherischen Öle beruhigend wirken“. In einem Warenhaus ginge diese Art von Verkaufe noch in Ordnung – dort zielt man auf alle Kundentypen, und als Einzelner kauft man einfach, was man will. Im Concept Store aber fühle ich mich, als ob ich die Kuratorin beleidige. Wenn sie die Socken mit der Seife in einen Dialog gestellt hat und ich sie trotzdem nicht will, bin ich dann ein Banause? Verstehe ich ihre Kunst nicht? Oder ist ihr Kundenschema zu eng konstruiert?
Auf Amazon und Facebook bekomme ich schon genug Das-könnte-dir-auch-gefallen-Meldungen, werde von Algorithmen in mehr oder minder passende Schubladen eingerechnet. So ähnlich geht es mir in Concept Stores. Es fehlt der Zufall, es fehlt die Überraschung. Ich weiß genau, was ich in jedem dieser Läden vorfinde. Alle Produkte tragen denselben Lifestyle vor sich her, schmücken sich mit ihrer Zugehörigkeit zur exklusiven Warenwelt der Dinge, die vom Kurator für cool befunden wurden. Der Concept Store verkauft keine Waren, sondern das Gefühl, Teil einer elitären Geschmackselite zu sein. Damit man sich ja nicht im Style vergreifen kann. Einfach zugreifen, man kann ja nichts mehr falsch machen.
Concept Stores wollen das Gegenteil sein von Einkaufszentren mit ihren sterilen, immergleichen H&Ms, Thalias und Rossmanns. Das Gegenteil von Warenhäusern, wo es alles von allem gibt und der Kunde sich durchwühlen muss. Und das Gegenteil von Boutiquen, die sich spezialisieren auf eine Produktlinie, eine Kollektion, eine Designerin. Was Concept Stores aber erschaffen, ist ein vorhersehbares Sortiment. Irgendwas mit Ironie, irgendwas mit Sex, irgendwas mit Design. Tausend Dinge, die dasselbe erzählen. Eine Urban-Lifestyle-Litanei, die abgestandener kaum klingen könnte. Und damit meine ich nicht: so abgestanden, dass es schon wieder hip ist.
Dieser Text erschien zunächst als Rant in unserer gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.