„Dream World Experience“ in Berlin: Künstlerkollektiv errichtet „Traumwelt“ in Friedrichshainer Autowerkstatt
In einer ehemaligen KFZ-Werkstatt schafft ein Künstlerkollektiv ein „immersives Kunsterlebnis“. Allerdings nur für zwei Wochen - dann werden dort Büros gebaut.
Hinter einer verlassenen Tankstelle am Ostkreuz, ganz in der Nähe des Clubs About Blank, entsteht derzeit eine Traumwelt, die bald eröffnen soll – wenn auch nur kurz. Eine alternative Realität, ein immersives Kunsterlebnis, wie aus einem David-Lynch-Film. So versprechen es die Initiatoren.
Doch noch ist davon wenig zu ahnen: In einer Nebenstraße versperrt ein Bauzaun die Sicht auf eine leerstehende Tankstelle. Dahinter läuft Pablo Villalba mit großen Schritten über den Hof, Farbdosen und Kartons stehen herum.
Sein khakifarbener Overall passt zu dem Gebäude, aus dem er kommt. Bis vor wenigen Wochen war darin noch eine KFZ-Werkstatt, nun entsteht hier eine begehbare Kunstinstallation – für zwei Wochen, bis Ende Dezember, dann wird das Haus abgerissen.
Die Installation soll Teil der „Dream World Experience“ werden, eine Art interaktive Theaterperformance. Initiator des Projekts ist die „Künstlergesellschaft Dream World“, die Villalba im Sommer dieses Jahres mit fünf Freunden gründete. Sie wollen einen neuen Ansatz in der Berliner Kunstszene etablieren.
„Wir sind alle begeistert von immersiver Kunst“, sagt Villalba. „Und in den USA oder Großbritannien passiert da gerade sehr viel – Berlin hinkt leider etwas hinterher, obwohl es so viele talentierte Künstler gibt.“ Sie haben einen interdisziplinären Kunstraum schaffen wollen, sagt er, einen Ort, wo es sowohl Performance als auch Installationen gibt und der nicht viel mit einer klassischen Ausstellung in einem Museum oder einer Galerie zu tun hat.
Bei „Dream World“ sollen die Besucher in eine Traumsequenz eintauchen und dabei durch zwölf unterschiedlich gestaltete Räume gehen. Dort treffen sie auf verschiedene Performer, mit denen sie interagieren können. In einem Raum gibt es etwa Beichtstühle, in denen man seine Träume „gestehen“ kann – einer der Performer deutet sie dann. „Man schaut sich hier nicht einfach ein Theaterstück an, sondern nimmt vielmehr selbst daran teil“, erklärt Stevie Southard.
In den Räumen soll das Absurde, das Traumhafte dominieren
Zusammen mit den Performancekünstlern hat Southard daran gearbeitet, eine fortlaufende Erzählung zu schaffen, die sich durch die verschiedenen Räume zieht – und sieht dabei selbst aus, wie eine Kunstfigur aus der Berliner Nacht: Mit roter Zirkusdirektoren-Jacke samt goldener Epauletten und passendem Hut; dazu aufgemalte Sommersprossen, bunt geschminkte Augen, den Hals ziert ein filigranes Tattoo: „Dream on“.
[„Dream World“. Bödikerstraße 26. Zehn Termine vom 14. bis 29. Dezember, 16 bis 22 Uhr. Eine Tour dauert ein bis zwei Stunden. Tickets von 16 bis 20 Euro sowie weitere Pakete: www.dreamworld.space]
Southard führt durch die Installation, durch einen schmalen Gang mit kleinen Hindernissen, über die man klettern muss, kommt man in den Startraum – nichts für Menschen mit Platzangst oder Bewegungseinschränkungen. Dort legt man sich auf eine Pritsche mit geblümtem Polster. Die Schienen, auf denen das Ding befestigt ist, geben eine Vorahnung, was als Nächstes passiert: Keine richtige Achterbahnfahrt, aber doch mit einigem Schwung wird man ins metaphorische Land der Träume befördert.
Das Zwischennutzungsprojekt „The Haus“ war ein voller Erfolg
Den ersten Raum, das „Panoptikum“, hat das Künstlerduo Karmanoia gestaltet, das in Berlin schon mehrfach immersive Kunstkonzepte realisiert hat, etwa für den Club Wilde Renate. Noch ist ihr neuestes Werk nicht ganz fertig, aber so viel ist an diesem Morgen schon klar: Planeten und Spiegel werden eine große Rolle spielen. Aber auch hier, wie in allen Räumen, soll das Absurde, das Traumhafte dominieren, sagt die Künstlergruppe, bunt und düster gehen Hand in Hand. In einem anderen Raum fliegen weiße Wölkchen, im nächsten zieht ein Spinnenmensch an den Fäden seiner kleinen Monsterpuppen.
Wer es durch alle Räume geschafft hat, kann danach im Clubraum seine Erfahrungen verarbeiten. Die dortige Bar hilft bestimmt. Das alles ist in kurzer Zeit entstanden. Vor einem Monat erst bekam die Gruppe den Schlüssel zu dem Gebäude, das bald Büros weichen soll. „Eigentlich wollten wir etwas Langfristiges und mehr Zeit, um alles vorzubereiten“, sagt Annette Lüür, eine der Gründerinnen. Aber sie hätten nichts Geeignetes gefunden.
Der Deal mit dem jetzigen Gebäude, das dem Investor Pandion gehört, kam über die Agentur Transiträume zustanden. Die vermittelt freistehende Räume zur Zwischennutzung, bringt Künstler und Vertreter der Immobilienbranche zusammen und machte im Frühjahr 2017 auch The Haus, ein Urban-Art-Projekt in der Nähe des Kudamms, möglich. Auch diese Räume – eine ehemalige Bank – gehörten Pandion und wurden bis zum Abriss Kunstschaffenden zur Verfügung gestellt.
The Haus wurde ein Erfolg, angeblich besuchten fast 80.000 Menschen die Ausstellung, über zwei Monate hinweg bildeten sich immer wieder lange Schlangen. „Ich dachte mir: Sowas müsste es viel öfter geben“, sagt Alex Wolf, Kopf der Agentur Transiträume. „Das Problem ist nur, dass Wirtschaft und Kultur selten miteinander reden.“
Um Fördermittel haben sich die Künstler erst gar nicht beworben
Dabei hätten solche Projekte nur Vorteile für alle: Die Künstler bekommen für wenig Geld Räume, wenn auch nur kurzzeitig, und der Investor Werbung für seine Marke und sein neues Gebäude. „Vielen Künstlern reicht es ohnehin, wenn sie Räume nur zur Zwischennutzung bekommen“, sagt Wolf, der eine Lücke schließen will, die die Stadtverwaltung nicht zu schließen vermag. Er verweist auf den Koalitionsvertrag, in dem sich die rot-rot-grüne Regierung dafür ausspricht eine Vermittlungsstelle für Zwischennutzungen einzurichten. „Das ist bis heute nicht geschehen.“
[Lesen Sie auch: Was heißt eigentlich „immversiv“? Eine Erklärung am Beispiel des „Dau“-Projektes.]
Die „Dream World“-Truppe muss nur für die Nebenkosten aufkommen, aber eine Förderung zur Finanzierung des Projekts gibt es nicht, sagt Mitglied Annette Lüür. Das erklärt auch die vergleichsweise hohen Eintrittspreise: 16 bis 20 Euro kostet die „Mitgliedschaft“, die zur Teilnahme an der Performance berechtigt. „Wir wollen ja auch unsere Künstlerinnen und Künstler nachhaltig bezahlen“, sagt sie und fordert den Senat auf, mehr für die freien Künstler in Berlin zu tun. „Die Stadt wirbt mit ihrer großen Kunst- und Kulturszene, tut aber nichts für die weniger etablierten Kulturschaffenden.“
Auf Fördertöpfe habe man sich gar nicht erst beworben. „Das dauert sehr lang und das Projekt darf noch nicht begonnen haben. Wir brauchen flexiblere Alternativen.“ Mehr als um finanzielle Hilfen gehe es ihnen aber um strukturelle Förderung, erklärt Lüür. Es brauche vor allem Räume in der Innenstadt, zur Zwischennutzung, aber auch langfristig. „Wir wollen Sichtbarkeit und uns nicht in die Außenbezirke verdrängen lassen.“ Auch Künstler haben Träume.