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Team der „Kämmerei“ bittet um Hilfe.
© Kämmerei

Unternehmerin soll 14.000 Euro Soforthilfe zurückzahlen: Kreuzberger Friseursalon startet Crowdfunding-Aktion

Die Inhaberin der "Kämmerei", einem Friseursalon in Kreuzberg, muss 14.000 Euro Soforthilfe zurückzahlen. Das kann sie offenbar nicht - und sammelt nun Geld

Nach der Geburt ihrer Tochter wollte Sara Wiechmann mit ihrem Friseursalon „endlich wieder voll durchstarten“ – doch dann kam Corona. Und die Krise machte der 38-jährigen Unternehmerin, die seit zehn Jahren ihre Kreuzberger „Kämmerei“ betreibt, einen Strich durch die Rechnung.

Den ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hatte Wiechmann als „massiven finanziellen Schock“ erlebt – und die dann vom Staat bereitgestellte Soforthilfe als „Licht am Horizont“. Doch diesen Corona-Zuschuss (Soforthilfe II), den Soloselbstständige, Freiberufler*innen und Kleinstunternehmen beantragen konnten, müsse sie nun in voller Höhe zurückzahlen, erfuhr sie von ihrem Steuerbüro. Das hatte auf ihren Auftrag hin den Liquiditätsengpass des Friseurladens im dreimonatigen Förderzeitraum überprüft. Ergebnis: Es bestand rückblickend „kein Anspruch“. Die 14.000 Euro fließen nun wieder zurück.

Der Prüfung voraus ging im Dezember 2020 ein Schreiben der Investitionsbank Berlin (IBB) an Bezieher*innen von Soforthilfe II. Das landeseigene Institut, das die Hilfszahlungen abwickelt, hat schrittweise bereits rund 70 000 Antragsteller*innen angeschrieben. Sie werden alle aufgefordert, zu prüfen, ob die Fördermittel tatsächlich benötigt wurden.

Doch die Rückzahlung des vollen Betrages sei ihr „derzeit einfach unmöglich“, sagt die Betreiberin des Friseursalons. Seit dem 16. Dezember kommen wegen des harten Lockdowns keine neuen Einnahmen in die Kasse. Doch woran liegt es, dass die Unternehmerin einerseits eine große wirtschaftliche Not schildert, andererseits aber die staatlichen Hilfen zurückzahlen muss?

Hilfe nur in "existenzgefährdender" Lage

„Wir fordern keine Hilfen zurück, sofern die Betroffenen diese gemäß der Förderbedingungen erhalten haben“, teilt IBB-Sprecher Jens Holtkamp mit. Die Antragsteller*innen müssen folglich die Förderkriterien erfüllen. Alle Bezieher*innen hätten sich bei der Antragstellung dazu bereiterklärt, dass im Nachhinein Prüfungen folgen können. Förderberechtigt sei ein Unternehmen nur, wenn eine „existenzgefährdende Wirtschaftslage“ besteht. Diese sei gegeben, wenn „in den drei Monaten ab Antragstellung die betrieblichen Ausgaben die Einnahmen aufgrund der Corona-Krise“ übersteigen.

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Als Ausgaben zählen Mieten, Versicherungsbeiträge oder Leasingaufwendungen – nicht aber Personalkosten oder persönliche Lebenshaltungskosten. Die Mittel aus der Soforthilfe II dürfen nicht „für eine schwierige momentane Lage verwendet werden“, betont der IBB-Sprecher. Dafür gebe es die Überbrückungshilfen des Bundes. Aber: „Sollten akute wirtschaftliche Schwierigkeiten bestehen, können wir auch über Stundungen der Zahlungen sprechen“, sagte Holtkamp.

Der Fall der Kämmerei zeigt, wie schwer es sein kann, „eine schwierige momentane Lage“ von einer „existenzgefährdenden Wirtschaftslage“ zu unterscheiden. Wiechmann berichtet, dass ihr Laden im April ein deutliches Minus verzeichnet hatte. Nach sechs Wochen Schließung habe sie aber wieder einen Gewinn erzielt, wenn auch einen deutlich niedrigeren als vor der Krise.

Anfang Februar startete Wiechmann eine eine Crowdfunding-Aktion für die Rettung ihres Ladens. Schon nach zwei Tagen war das Spendenziel von mehr als 7500 Euro erreicht. "Mit dem gespendeten Geld können wir hoffentlich erstmal überbrücken, bis die neuen Hilfen ausgezahlt werden und anschließend die Soforthilfe zurückzahlen" - mit dieser Nachricht dankte Wiechmann den Unterstützer*innen. Die Friseurladeninhaberin plant, Überbrückungshilfe III zu beantragen. .

Die "Kämmerei" ist kein Einzelfall. Für viele Gewerbetreibende scheint diese Rückzahlungsprüfung existenzielle Folgen zu haben, wie die Petition „Widerspruch gegen die Rückzahlungsforderung der Corona-Soforthilfe“ auf der Plattform WeAct zeigt. Knapp 56.000 Menschen haben dieses innerhalb eines Monats bis Montagabend unterzeichnet.

Berlins SPD und CDU fordern kostenlose Kredite für Unternehmen in Not

Die Probleme rund um die Soforthilfen waren am Montag auch Thema im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) kündigte an, dass die Überbrückungshilfen III bald ausgezahlt werden. Große Unternehmen könnten wählen zwischen der Überbrückungshilfe III und den Novemberhilfen, erklärte Pop. Bereits gestellte Anträge müssten aber zurückgezogen werden. Dadurch verzögert sich jedoch eine Auszahlung. SPD und die oppositionelle CDU forderten deshalb vom Land ein zinsloses Kreditprogramm, um die Zeit zu überbrücken, bis das Geld ausgezahlt wird.

Allein in Berlin gab oder gibt es 15 verschiedene Hilfsprogramme, die Unternehmen, die durch die Pandemie in Notlage geraten sind, beantragen können.
Allein in Berlin gab oder gibt es 15 verschiedene Hilfsprogramme, die Unternehmen, die durch die Pandemie in Notlage geraten sind, beantragen können.
© Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

Seit Beginn der Pandemie wurden mittlerweile insgesamt 15 verschiedene Corona-Hilfsprogramme von Bund und Berlin durch die Investitionsbank Berlin (IBB) aufgesetzt (hier eine Übersicht). Mehr als zwei Milliarden Euro wurden inzwischen ausgezahlt. Nach Berechnungen der IBB konnten im ersten Lockdown mithilfe der Corona-Programme so rund 380 000 Arbeitsplätze gesichert und knapp 160 000 Solo-Selbstständige unterstützt werden. Die Berliner Soforthilfe war in diesem Sinne auch als schnelle Liquiditätshilfe gedacht“, teilte die Senatswirtschaftsverwaltung mit.

Die jeweils ausgezahlten Corona-Zuschüsse basierten auf den individuellen Schätzungen der Antragsteller*innen zu ihrem jeweiligen Liquiditätsbedarf für drei beziehungsweise sechs Monate. Nicht benötigte Mittel müssen an die IBB zurückgezahlt werden. Unternehmen, die bereits im Jahr 2019 in einer wirtschaftlichen Notlage waren, hatten keinen Anspruch auf Förderung. Als Bewilligungsstelle des Landes Berlin muss die IBB darauf achten, dass öffentliche Mittel sachgerecht verwendet werden.

Der Bewilligungszeitraum für die Corona-Soforthilfe II aus dem Frühjahr 2020 war am 30. November abgelaufen. Rund 246.000 Soloselbstständige, Freiberufler und Kleinstunternehmen in Berlin hatten bis zum 31. Mai die Corona-Soforthilfe in Höhe von bis zu 9000 Euro beziehungsweise 15.000 Euro bei der IBB beantragt, 200 000 Anträge wurden bewilligt und die Förderung ausgezahlt. Die Corona-Soforthilfe sollte die berufliche und betrieblichen Existenz innerhalb des Bewilligungszeitraumes sichern.

Überbrückungshilfe III soll bis Mitte des Jahres kommen

Für den zweiten Lockdown wurden ebenfalls Coronahilfen für die betroffenen Unternehmen durch den Bund aufgesetzt, das Land Berlin hat mit dem sogenannten „Schankwirtschaftsprogramm“ auch eigene Programme aufgesetzt. Der Bund unterstützt seit Frühsommer mit den Überbrückungshilfen I und II, mit den November- und Dezemberhilfen die direkt vom Lockdown betroffenen Unternehmen. Erwartet wird auch die Überbrückungshilfe III bis Mitte 2021 für alle von der Corona-Krise betroffenen Unternehmen und Solo-Selbständige.

Nach der Übermittlung der technischen Voraussetzungen durch den Dienstleister des Bundes INIT ist die IBB seit dem 12. Januar in der Lage, Berliner Anträge auf die Novemberhilfe des Bundes zu bearbeiten und kommt mit der Auszahlung der Anträge gut voran. Seit Ende Januar bearbeitet die IBB die Dezemberhilfe. Aufgrund der sehr angespannten Situation für viele Unternehmen hat die Wirtschaftsministerkonferenz eine wesentlich schnellere Auszahlung der Wirtschaftshilfen als bisher gefordert. Seit Beginn der Corona-Krise sind bundesweit über 80 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft bewilligt worden. Hinzu kommt das Kurzarbeitergeld im Umfang von rund 23 Milliarden Euro.

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