Daten der Barmer: Krankenkasse warnt vor psychischen Leiden
Ein Drittel der Erwerbstätigen in Berlin und Brandenburg hat Zahlen der Barmer zufolge seelische Leiden. Die Region liegt damit über dem bundesweiten Mittel.
Vielen ist es so peinlich, dass sie ihr Leiden verschweigen – oder es Kollegen, Freunden und der Familie so erklären: Rückenschmerzen, kaputte Hüfte, steifer Nacken. Wen psychische Sorgen plagen, wessen Seelenleiden zur Depression werden, gibt das oft nur ungern zu. Vor allem Männer in Führungspositionen vermeiden es, als zimperliche Versager zu gelten. Und tatsächlich stimmt ja auch: psychische Probleme äußern sich oft körperlich, „psychosomatisch“ heißt es ja nicht umsonst.
Weil seelische Erkrankungen zum Massenphänomen geworden sind, reagieren die Krankenkassen verstärkt auf Psycho-Diagnosen. Am Mittwoch stellte die Barmer ihre Daten zum Thema vor. Die gesetzliche Kasse hat in Berlin 418 000 Versicherte, in Brandenburg kommen noch mal fast 415 700 dazu. Weil Kassen riesige Verbände sind und die Daten der Patienten ein sensibles Gut, stammen die aktuell ausgewerteten Zahlen von 2012: Demnach leidet rund ein Drittel der Erwerbstätigen in der Region an psychischen Erkrankungen.
In Berlin waren es mehr als 34 Prozent, in Brandenburg knapp 29 Prozent. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt wurden in Berlin besonders viele Betroffene sogar krankgeschrieben: 7,4 Prozent der Barmer-Versicherten, die 2012 zu Hause bleiben mussten, fehlten wegen eines Seelenleidens. Fast jeder Hundertste musste stationär in einer Klinik behandelt werden. Auch in Brandenburg wurden mit 7,2 Prozent wesentlich mehr Erwerbspersonen wegen einer entsprechenden Diagnose arbeitsunfähig geschrieben als im Bundesdurchschnitt, wo es sechs Prozent betraf. Die hohe Zahl psychisch Erkrankter mache es notwendig, Seelenleiden zu entstigmatisieren, sagte die Berliner Barmer-Chefin Claudia Korf: Man wolle Berührungsängste abbauen und Führungskräfte sensibilisieren. Psychische Leiden werden für alle Kassen zu einem massivem Problem. Weil psychische Krankheiten besonders lange Heilungsphasen brauchen, sind Betroffene länger arbeitsunfähig als andere Patienten. Das bedeutet, die Kassen müssen womöglich Krankengeld zahlen, denn die Pflicht der Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung endet nach sechs Wochen.
Wie die Barmer meldete in diesen Tagen auch die Techniker Krankenkasse (TK): Fast jeder fünfte Fehltag in Berlin ist einer psychischen Krankheit geschuldet. Die Berliner TK-Chefin Susanne Hertzer sagte: „In Berlin verzeichnen wir seit jeher deutlich längere Fehlzeiten wegen psychischer Krankheiten als im Bundesdurchschnitt.“ Auch AOK und DAK, zwei große unter den 130 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland, hatten einen ähnlichen Trend ausgemacht.
Doch die bloßen Zahlen erklären allenfalls einen Teilaspekt. Dass in Berlin mehr Depressionen als in Brandenburg festgestellt werden, dürfte mit einer bundesweiten Fehlentwicklung zusammenhängen: Psychische Leiden werden dort festgestellt, wo es besonders viele Psychologen gibt. Und die lassen sich gern in den Stadtstaaten und im reicheren Süddeutschland nieder. Barmer-Chefin Korf: „Wo mehr Ärzte sitzen, wird mehr diagnostiziert, was zur Folge hat, dass mehr behandelt wird.“ Anders gesagt: In Brandenburg, vor allem aber in vielen Orten in Sachsen-Anhalt, haben Betroffene schlicht Pech.
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