Berlins Kliniken bereiten sich auf Covid-19-Patienten vor: Krankenhaus-Personal widerspricht Langeweile-Vorwurf
Den Tagesspiegel haben Hinweise erreicht, dass in Krankenhäusern die Stationen leer sind und sich das Personal langweile. Das sagen Klinik-Betreiber zu dem Vorwurf.
In den Berliner Krankenhäusern bereiten sich Pflegekräfte und Ärzte auf Covid-19-Patienten vor – zugleich sind deutlich weniger reguläre Fälle zu versorgen. Denn der Senat hatte angewiesen, planbare Eingriffe zu verschieben. Zudem kommen weniger Unfallopfer in die Kliniken, andere Patienten meiden sie wegen einer möglichen Infektionsgefahr.
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Den Tagesspiegel erreichen nun zahlreiche Leserhinweise, wonach sich Personal auf leeren Stationen „langweile“ – eine Beobachtung, die viele Beschäftigte für falsch, mindestens oberflächlich halten. Tatsächlich gibt es in den Kliniken bis zu 20 Prozent weniger Patienten. Aus großen Ketten – Vivantes, Charité, DRK – heißt es von Pflegekräften und Ärzten unisono: endlich Zeit, sich angemessen um Patienten zu kümmern.
Etwas mehr Zeit für Pflegekräfte und Ärzte - der Druck aber bleibt
„Einige Stationen sind vielleicht insofern überversorgt, als dass wir dort im Moment überdurchschnittlich viele Fachkräfte einsetzen, es die befürchtet hohe Zahl an Corona-Fällen aber noch nicht gibt“, sagte der Geschäftsführer der Berliner DRK-Kliniken, Christian Friese. „Unseren Pflegekräften und Ärzten bleibt so etwas mehr Zeit, sich auch über Stationen und Fachdisziplinen hinweg gründlich auszutauschen.“
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Zugleich verwies nicht nur DRK-Chef Friese darauf, dass die Krankenhäuser wirtschaftlich unter enormem Druck stünden.
Pflegekräfte und Ärzte kritisierten seit Jahren die Ökonomisierung der Kliniken – die sich in der Coronakrise auf absurde Weise zeige: Derzeit erhalten die Krankenhäuser aus dem Bundesrettungspaket 560 Euro am Tag für jedes Bett, das für Covid-19-Fälle freigehalten wird. Damit sollen, so die Rechnung des Gesundheitsministeriums, durchschnittliche Kosten für Miete, Technik, Personal gedeckt werden. Insbesondere größere Krankenhäuser verzeichnen dadurch (noch größere) Verluste.
So kalkulieren Klinikmanager
Ursache sind die von Bundesregierung und Krankenkassen 2003 eingeführten Fallpauschalen. Seitdem gibt es je nach Diagnose fixe Beträge, die den tatsächlichen Aufwand einer Behandlung oft nicht decken. Lukrativ sind meist planbare OPs, die wegen der Pandemie allerdings verschoben wurden.
Manager kalkulieren grob vereinfacht so, ein Beispiel: Für den Einsatz einer Knieprothese gibt es von den Kassen knapp 7500 Euro, der Patient soll im Schnitt eine Woche stationär versorgt werden. Pflegekräfte und Ärzte sowie OP-Utensilien und Arzneimittel müssen von der Pauschale bezahlt werden. Dennoch sind den Krankenhausmanagern mit solchen Kniepatienten belegte Betten lieber als die Covid-19-Platzhalter, denn von den circa 7500 Euro Umsatz bleiben Hunderte Euro übrig. Bei den 570 Euro, die es für ein leeres Bett gibt, ist das gerade bei Maximalversorgern (beispielsweise den Klinikketten) nicht der Fall. Denn das Personal ist ja vor Ort, wird für Covid-19-Fälle geschult, in der Krise jedenfalls noch gebraucht.
Kritik an den Fallpauschalen
Das System der Fallpauschalen wird seit Jahren von Pflegekräften, Ärzten und zunehmend auch Klinikmanagern kritisiert. Eine Forderung an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) lautet, die Kliniken wieder nach Umfang jeder Behandlung zu bezahlen, nicht mit fixen Sätzen. Der Minister kündigte an, dass diejenigen Häuser, die dieses Jahr weniger eingenommen haben werden als geplant, einen Ausgleich erhalten sollen. Die Wut auf die knappe Finanzierung durch die Fallpauschalen hat das nicht besänftigen können.