Was Berlin für Asylsuchende zahlt: Kosten für Flüchtlinge steigen auf 900 Millionen Euro
Die Flüchtlingskosten in Berlin steigen um 300 Millionen Euro mehr als geplant. Die Stadt könnte deshalb in die Roten Zahlen rutschen.
Die Versorgung und Integration der Flüchtlinge in Berlin wird in diesem Jahr viel teurer als geplant. Bis Ende April wurden dafür schon 299 Millionen Euro ausgegeben. Das ist einer Kostenaufstellung der Finanzverwaltung zu entnehmen, die dem Tagesspiegel vorliegt. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet liegen die Ausgaben für Flüchtlinge bei 900 Millionen Euro. Öffentliche Investitionsausgaben sind darin nicht enthalten.
Im Landeshaushalt eingeplant sind für 2016 aber nur 600 Millionen Euro. Der Berliner Senat hofft deshalb, wie die anderen Bundesländer und Kommunen auch, auf zusätzliche Finanzhilfen des Bundes. Die Verhandlungen darüber laufen noch und sollen Ende Mai abgeschlossen werden. „Wir erwarten, dass der Bund die Hälfte der Flüchtlingskosten übernimmt“, sagte die Sprecherin der Finanzverwaltung, Eva Henkel. Im vergangenen Jahr flossen 110 Millionen Euro aus dem Bundesetat nach Berlin. In diesem Jahr sind im Haushalt 263 Millionen Euro Hilfen des Bundes eingeplant. Das reicht aber hinten und vorne nicht.
Berlin hofft auf Geld vom Bund
Der Senat hofft deshalb auf zusätzliches Geld ab Oktober. In den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung die Kosten der Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber komplett übernehmen wird. Aber auch das wird nicht reichen, um die neue Lücke im Berliner Landeshaushalt zu schließen. Im schlimmsten Fall könnte der öffentliche Etat zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder in die roten Zahlen rutschen.
Den größten Teil der Flüchtlingskosten machen die Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aus. Auf das gesamte Jahr hochgerechnet werden das im laufenden Jahr voraussichtlich 690 Millionen Euro sein. Davon trägt das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) rund 640 Millionen Euro, die übrigen 50 Millionen Euro müssen die Bezirke übernehmen.
Konzept für minderjährige Flüchtlinge fehlt
Eine Kostenexplosion zeichnet sich bei der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge ab. Im Haushalt eingeplant waren dafür 18 Millionen Euro. Die tatsächlichen Ausgaben werden 2016 voraussichtlich 95 Millionen Euro betragen. Die Bildungsverwaltung des Senats sollte eigentlich schon im April ein Gesamtkonzept für die aufwändige Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge vorlegen. Jetzt sieht es so aus, als wenn der Bericht erst kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, also frühestens Mitte Juni, fertig wird.
Nur die Ausgaben für die Integration der Flüchtlinge werden voraussichtlich im Kostenrahmen bleiben. Im Haushalt eingeplant sind 120 Millionen Euro. Das dürfte reichen, schaut man sich die aktuellen Kosten an. Bis Ende April wurden für das „Integrationspaket“ des Senats 35,7 Millionen Euro ausgegeben. Davon 19,7 Millionen Euro für Willkommensklassen, weitere 7,1 Millionen Euro für die Kitabetreuung und 400 000 Euro für andere Integrationsprojekte der Bildungsverwaltung. Für die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wurden in den ersten vier Monaten des Jahres 1,2 Millionen Euro ausgegeben.
Ausgaben für Flüchtlinge haben sich versechsfacht
Seit 2013 haben sich die Ausgaben des Landes Berlin für die Flüchtlingsbetreuung versechsfacht. Das liegt nicht nur daran, dass die Zahl der Empfänger von Sozial- und Integrationsleistungen des Staates stark gestiegen ist. Auch die Pro-Kopfausgaben haben sich deutlich erhöht. Während die Ausgaben je Flüchtling/Asylbewerber vor drei Jahren bei 878 Euro monatlich lag, waren es im vergangenen Jahr schon 1140 Euro. Leistungsberechtigt waren Ende 2015 fast 50 000 Menschen. Für dieses Jahr gibt es noch keine amtliche Prognose.
Die Unterbringung der Flüchtlinge in Containern und mobilen Unterkünften ist in all diesen Kosten noch nicht berücksichtigt. Im laufenden Jahr sind dafür 31,5 Millionen Euro eingeplant. Es zeichnet sich aber schon ab, dass auch die Ausgaben für die Flüchtlingsunterkünfte über den bisherigen Kostenschätzungen des Senats liegen. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen hat bisher in Absprache mit den Bezirken 68 Grundstücke identifiziert, davon 30 für Containerstandorte. Hinzu kommen 38 Standorte für mobile Bauten (MUFs).
Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften sollen 12 dieser Grundstücke bebauen. Ursprünglich war geplant, hauptsächlich Gemeinschaftsunterkünfte zu errichten. Jetzt einigte sich Sozialsenator Mario Czaja (CDU) mit den Unternehmen darauf, hauptsächlich Wohnungen zu bauen.