Berlin extrem: Körting warnt vor Eskalation der Gewalt
Nach Angriffen auf Funktionäre der rechtsextremen NPD in Berlin gab es fünf Brandanschläge auf linke Projekte. Die Täter werden radikaler - auf beiden Seiten.
Berlin - Mutmaßlich rechtsextreme Täter haben in der Nacht zu Montag in Berlin fünf Brandanschläge auf alternative Wohnprojekte, ein linkes Geschäft und ein Jugendzentrum des SPD-nahen Jugendverbands „Die Falken“ verübt. Ein Anwohner eines Hausprojekts in Kreuzberg musste mit Verdacht auf Rauchgasvergiftung ins Krankenhaus. Fast alle Brände wurden frühzeitig entdeckt und konnten schnell gelöscht werden.
Bei der Brandserie handelt es sich möglicherweise um eine Vergeltungsaktion der Neonaziszene. Wie berichtet, waren in den vergangenen Tagen in Berlin rechtsextreme Politiker von Unbekannten angegriffen und verletzt worden. Unter anderem traf es den Vorsitzenden der Berliner NPD, Uwe Meenen. Im Internet rief die rechte Szene zu Rache auf. Bereits im Oktober 2010 hatten vermutlich Rechtsextremisten ein linkes Geschäft in Kreuzberg angezündet, nachdem der Laden auf einer rechtsextremen Internetseite als „gutes Anschlagsziel“ genannt wurde. Auch die fünf Gebäude, bei denen es in der Nacht zu Montag brannte, sind auf der braunen Internetseite zu finden.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor einer Eskalation. „Ich befürchte vor allem, dass bei Extremisten auf jede Aktion eine Gegenaktion folgt“, sagte er am Montag dem Tagesspiegel. Das „primitive Volk der Autonomen und Neonazis“ denke in Kategorien der Rache. Körting kündigte an, die Polizei werde im Wahlkampf bei gefährdeten Infoständen von Parteien, auch der NPD, „mehr Präsenz zeigen“. Die Gewaltbereitschaft nehme allerdings nur bei einer Minderheit der linken Szene zu, sagte der Senator. Im Milieu der Neonazis sei seit fünf Jahren zu beobachten, „dass die Hemmschwelle sinkt, zielgerichtet Gewalt auszuüben“. Da täten sich vor allem die Autonomen Nationalisten hervor. Bei ihnen handelt es sich um eine Strömung im Spektrum der Neonazis, die linke Autonome imitiert.
„Ich verabscheue Gewalt, egal von welcher Seite“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) zu den Gewalttaten. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele mahnte, „es darf nicht sein, dass Gewalt in die politische Auseinandersetzung Einzug hält“. Angriffe auf NPD-Mitglieder verurteile er ebenso wie Überfälle von Rechtsextremen auf Demokraten. „Zeiten wie Ende der 20er Jahre wollen wir nicht wieder haben.“ Ströbele selbst wurde 2002 im Wahlkampf von einem Neonazi mit einem Schlagstock niedergeschlagen.
Ströbele riet zur Vorsicht, was die politische Zuordnung der Täter bei den Brandanschlägen aus der Nacht zu Montag angeht. Erst müsse die Polizei in Ruhe ermitteln. Trotzdem sei es ein „besonderer Skandal, dass jetzt wahllos alternative Jugend- und Wohnprojekte angezündet und Menschenleben gefährdet werden“.
Auch der Fraktionsvorsitzende der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, kritisierte die Übergriffe auf die Funktionäre der NPD: „Wer sich antifaschistisch engagiert, hat nicht das Recht auf Gewalt gegen Personen, welcher Organisation oder Partei sie auch immer angehören.“