Party und Krawall: Körting ist "hochzufrieden" mit dem 1. Mai
Zehntausende haben den 1. Mai in Berlin weitgehend friedlich gefeiert. Spät gab es vereinzelt Krawall, doch in den vergangenen Jahren war es deutlich mehr. Ströbele spricht von "Schönheitsfehler".
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist „hoch zufrieden“ mit dem Verlauf des Polizeieinsatzes rund um den 1. Mai. Die 7.000 eingesetzten Beamten hätten eine „hoch professionelle Arbeit“ geleistet, sagte Körting am Montag. Die Doppelstrategie von Deeskalation und konsequentem Einschreiten habe sich ausgezahlt.
Bei den Demonstrationen gab es weniger Festnahmen als im Vorjahr. Nach Angaben von Polizeipräsident Dieter Glietsch wurden am 1. Mai und in der Walpurgisnacht insgesamt 161 Personen festgenommen. 2010 waren es 487. Die Zahl der verletzten Beamten blieb mit 100 annähernd konstant. In Berlin war es am Sonntagabend im Stadtteil Neukölln zwar zu Randale gekommen, nach Polizeiangaben blieb es im Vergleich zu früheren Jahren aber „weitgehend friedlich“. Im vergangenen Jahr waren bei Ausschreitungen nach einer Demonstration in Berlin 490 Menschen festgenommen und 98 Polizisten verletzt worden.
Nach den Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Autonomen nach dem Ende der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ am Sonntagabend in Neukölln, war es in der Nacht weitgehend friedlich geblieben. Die Feuerwehr zählte rund um das Myfest in Kreuzberg sowie entlang der Demonstrationsroute bis Mitternacht 18 Rettungsdiensteinsätze. Zudem seien die Einsatzkräfte zu 17 Feuern, davon 14 Kleinbränden alarmiert worden. In den frühen Morgenstunden habe es kein erhöhtes Einsatzaufkommen gegeben, sagte ein Feuerwehrsprecher dem Tagesspiegel.
Zu ersten Zwischenfällen war es während der "Revolutionären 1.Mai-Demonstration" gekommen. Teilnehmer des Aufzugs am Hermannplatz hatten die Polizei mit Steinen und Flaschen attackiert. Die Beamten reagierten mit Tränengas und Festnahmen. Immer wieder stürmten kleine Gruppen der Polizei in die Menge, um Gewalttäter gezielt herauszugreifen. Während der Demonstration, an der auch die ehemalige RAF-Terroristin Inge Viett teilgenommen hatte, wurden zudem zwei Volksbanken mit Pflastersteinen beworfen.
Dass die Scheiben der Banken eingeworfen wurden, bezeichnete der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele im Tagesspiegel als „Schönheitsfehler“. Er fügte hinzu, hier sei der Vorwurf, diese hätte die Finanzkrise mit verursacht, „inhaltlich überhaupt nicht nachvollziehbar“. Nach Ströbeles Einschätzung war die Mai-Demonstration diesmal „ruhiger und friedlicher“ als in den vergangenen Jahren verlaufen.
Rund 10.000 Menschen nahmen an der Demonstration teil. Irritationen löste am Sonntag die Präsenz von vierzig bis fünfzig Rockern der Hells Angels auf dem Myfest aus. Zu einem Gewaltausbruch wie im Jahr 2009 kam es diesmal bis zum Abend nicht. 6800 Polizisten waren das Wochenende über im Einsatz – fast so viele wie 2010, als es parallel noch einen Neonazi-Aufmarsch mit entsprechender Gegendemonstration gegeben hatte.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zog eine positive Bilanz. „Das ist der friedlichste 1. Mai, den ich je erlebt habe“, sagte Körting, der seit zehn Jahren im Amt ist, dem Tagesspiegel.
Bis spät in den Abend tanzten die Menschen in Kreuzberg auf der Straße: Mehr als zehntausend waren zum Myfest gekommen, um ausgelassen, aber friedlich den 1. Mai zu feiern. Am späten Sonntagabend war die Oranienstraße noch gut gefüllt. Anderswo wurde den Tag über demonstriert, diskutiert und protestiert – auch größtenteils friedlich. Am Abend allerdings kam es bei der „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ in Neukölln zu Ausschreitungen. Steine flogen, Scheiben von Banken gingen zu Bruch.
Am Hermannplatz wurde die Demo abgebrochen und erreichte das planmäßige Ziel Südstern nicht. Am späten Abend versammelten sich nach dem Ende der Demo noch einmal Gruppen von Autonomen am Kottbusser Tor. Die Polizei trat ihnen massiv entgegen. Prompt flogen Böller auf die Beamten. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.
Polizisten entdeckten in der vergangenen Nacht gegen 22 Uhr 30 Brandsätze an zwei in der Wiener Ecke Glogauer Straße in Kreuzberg abgestellten Fahrzeugen. Einer der Brandsätze war entzündet und wurde von den eingesetzten Beamten gelöscht. Die Fahrzeuge wurden nicht beschädigt. Die Polizei ging für die Nacht von einer „Guerillataktik“ aus: Kleinere Aktionen einzelner Gruppen statt massiver Ausschreitungen.
Verwirrung gab es um einen bizarren Auftritt der Hells Angels. 40 bis 50 Rocker tauchten am Nachmittag bei einem der Myfest-Konzerte auf und gruppierten sich so um die Bühne, dass sie wie angestellte Ordnungskräfte wirkten. Auch in Bereichen, zu denen nur Mitarbeiter mit Ausweis Zugang hatten, hielten sich die Rocker auf. Sowohl die Polizei als auch Franz Schulz (Grüne), der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, wiesen aber alle Spekulationen zurück, nach denen die Hells Angels als Wachschutz beschäftigt worden seien. Die Rocker, offenbar eine türkische Gruppierung, die erst kürzlich aufgenommen worden war, wollten sich nicht äußern.
Bei der Polizei hieß es, dass die Hells Angels gekommen seien, weil ein Kumpel von ihnen mit einer der Bands aufgetreten sei. Da sich die Rocker friedlich verhalten hätten, habe es keinen Grund gegeben, einzugreifen.
Zehntausende Menschen waren insgesamt am 1. Mai auf den Straßen der Stadt unterwegs, um den Tag der Arbeit bei strahlendem Sonnenschein, aber eher kühlen Temperaturen zu begehen. Etwa 100 Autonome drangen schon am Nachmittag ins Myfest ein und bahnten sich rücksichtslos einen Weg durch die Menschenmenge.
Größeren Schaden konnten sie aber nicht anrichten. Nach einer Runde über den Platz zog der Pulk am späten Nachmittag weiter zur Demo. Mit Ausnahme von bis zu 100 Beamten der Anti-Konfliktteams – erkennbar an gelben Westen – war zunächst keine uniformierte Polizei zu sehen. Dennoch war der Mariannenplatz fest in Polizeihand, denn zahlreiche zivile Einsatzkräfte hatten sich unter die Feiernden gemischt, vor allem als Begleitung für den Tross der Autonomen. Uniformierte Hundertschaften hatten sich zudem in Hinterhöfe zurückgezogen.
Das Myfest hat inzwischen eine kleine Tradition: 2003 wurde es erstmals als Antwort auf das alljährliche Krawallritual am 1. Mai von Bürgerinitiativen, Anwohnern und Gewerbetreibenden veranstaltet.
Der Sonnabend als erster Tag der linksradikalen Aktionen war glimpflich ausgegangen: Die Flaschenwürfe in der Walpurgisnacht hatten sich an zwei Händen abzählen lassen. Dass es so friedlich blieb, lag vor allem an sichtbarer Polizeipräsenz bei der „Wir bleiben alle“-Demo durch Mitte und bei der „Antikapitalistischen Walpurgisnacht“ in Friedrichshain. Die Polizisten zeigten Stärke: Der Helm baumelte schon am Nachmittag am Gürtel, an kritischen Punkten parkten Wasserwerfer und Räumfahrzeuge gut sichtbar. „Aktionen von Gewalttätern konnte die Polizei eng begrenzen und schnell unterbinden“ – so lobte das Präsidium am 1. Mai die eigene Arbeit.
Dass 58 Personen schon in der Nacht zu Sonntag festgenommen wurden, ist kein Indiz für viel Randale, sondern ein Zeichen dafür, dass die Polizei konsequent einschritt.
Viele Berliner wunderten sich am Wochenende über laute Polizeihubschrauber über ruhigem Hinterland wie Pankow oder Tempelhof. Ein Polizeiführer erklärte das so: „Von dort kann der Hubschrauber genauso beobachten, als wenn er direkt über dem Geschehen steht.“ Für die Autonomen bliebe der Helikopter unsichtbar. Die Hubschrauber haben Kameras, die gestochen scharfe Bilder aus großer Entfernung in die Lagezentrale übertragen. Die Polizei ist über alle Bewegungen der Autonomen im Bilde. (mit AFP/dapd)