zum Hauptinhalt
Berlins Innensenator Ehrhart Körting.
© Thilo Rückeis

Polizeichef: Körting hält unbeirrt an Favoriten fest

Theoretisch wäre es möglich, dass Udo Hansen noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus neuer Polizeichef wird. Doch Innensenator Körtings Entscheidung steht in der Kritik.

Entgegen aller Widerstände aus Parteien und Polizeiwachen könnte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) das Amt des Polizeipräsidenten doch noch mit seinem Favoriten besetzen. Wegen mangelnder Sorgfalt im Auswahlverfahren hatte das Verwaltungsgericht am Dienstag die Besetzung der Stelle mit Udo Hansen gestoppt. Allerdings könnte der Ex-Bundesgrenzschützer theoretisch sogar noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September den Posten übernehmen, selbst wenn das Oberverwaltungsgericht den Beschluss der ersten Instanz bestätigen sollte, wovon Juristen ausgehen.

Körting müsste dazu mit Hochdruck beide Kandidaten völlig neu beurteilen, was als umfangreich gilt: Sowohl Hansen als auch Mitbewerber Klaus Keese müssten begutachtet werden – etwa durch Auswahlinterviews und die Einschätzung einer behördenfremden Person. So sieht es das Landesrecht vor.

Auch nach der Blamage scheint Körting von seinem Favoriten nicht abrücken zu wollen. Der Senator sagte, der Richterspruch stelle die Entscheidung für Hansen nicht infrage. Für ihn sprächen langjährige Erfahrung und die Befähigung, eine große Behörde zu führen. „Ich halte Herrn Hansen nach wie vor für eine herausragend qualifizierte Persönlichkeit für das Amt“, sagte Körting. „Seine Integrität steht für mich außer Zweifel.“

Das sieht man beim Koalitionspartner und in der Opposition anders. Dort wird gefordert, das Auswahlverfahren neu zu starten – und zwar nach der Wahl. Dann würde der Polizeipräsident erst ab September durch den neuen Senat ernannt werden. Mit der SPD-Mehrheit hatte der Senat gegen den Widerstand des linken Koalitionspartners entschieden, dass der Ex-Chef des Bundesgrenzschutzpräsidiums Ost auf Dieter Glietsch folgen soll, der in den Ruhestand gegangen ist. „Diese Auswahl war und ist falsch“, sagte Linken-Chef Klaus Lederer. Hansen gilt trotz SPD-Parteibuch als Hardliner. Ob nach der Wahl an der Personalie etwaige Koalitionsverhandlungen scheitern könnten, sagte Lederer nicht.

Auch die CDU war von Anfang an gegen Körtings Kurs. „Er wollte unbeirrbar mit dem Kopf durch die Wand und trägt die Verantwortung für diesen Scherbenhaufen“, sagte Landesparteichef Frank Henkel. Wenige Wochen vor der Wahl werde die CDU keinen Rücktritt fordern. „Hätte Körting Anstand, würde er selbst persönliche Konsequenzen aus diesem Desaster ziehen.“ Der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux sagte, Körting beherrsche offenbar beamtenrechtliche Grundlagen nicht. Nach der Wahl müssten „alle infrage kommenden Bewerber“ angehört werden. Viele Abgeordnete äußerten vor allem Unverständnis für Körtings „äußerst ungeschicktes“ Verhalten, zumal dessen Behörde „von Juristen wimmele“. Die Vorschriften für die Besetzung einer Führungsposition seien seit Jahren bekannt. „Die Regelung ist geeignet, einer möglichen Kungelei im öffentlichen Dienst vorzubeugen“, sagte der Berliner Beamtenrechtler Hans-Dietrich Weiß.

Empört ist man bei den Polizeigewerkschaften. „Diese Schluderei hat unsere Stadt bundesweit dem Hohn ausgesetzt“, sagte Bodo Pfalzgraf von der Deutschen Polizeigewerkschaft. Die Stelle müsse neu ausgeschrieben werden. „In die derzeitige Wahlkampfstimmung passt das nicht.“ Klaus Eisenreich von der Gewerkschaft der Polizei sagte: „Nach diesem Fiasko muss der Senat endlich sagen, was er konkret zu tun gedenkt.“

Umso länger das Hickhack dauert, desto größer scheint die Anhängerschar der Interimsleiterin Margarete Koppers zu werden. Polizeiintern können sich inzwischen viele mit Koppers als Chefin anfreunden, auch wenn sie „noch zu wenig Profil“ gewonnen habe. Vor allem unter Beamten, die sich als Modernisierer verstehen, hat die 49-Jährige Anhänger. Koppers hatte die Linie von Ex-Präsident Glietsch mitgetragen, der gegen große interne Widerstände die Kennzeichnungspflicht durchgesetzt hat. Linken-Chef Lederer sagte, die Innenverwaltung müsse darauf achten, dass ein „neuer Präsident oder eine neue Präsidentin“ die von Glietsch begonnene Strategie der Deeskalation etwa in Hinblick auf Demonstrationen fortführe. Den 58-jährigen Hansen halten viele Polizeibeamte für ungeeignet, auch weil er 2008 krankheitsbedingt aus dem aktiven Dienst ausschied.

Das Gericht hatte im Kern bemängelt, dass Hansen, unabhängig davon ob er ein geeigneter Kandidat wäre, nicht nur aufgrund der gesichteten Unterlagen hätte ausgewählt werden dürfen. Offenbar hatte es mit ihm kein Bewerbungsgespräch gegeben. Die Innenverwaltung sagte dazu nichts. Auch mit Konkurrent Keese, Leiter der Nord-Berliner Polizeidirektion 1, hatte niemand gesprochen. Keeses Anwalt sagte, es fehlten außerdem dienstliche Beurteilungen zu Hansen. Aus Justizkreisen hieß es, diese beamtenrechtlich wichtigen Arbeitszeugnisse lägen tatsächlich nicht vor. Die Lage sei aber so eindeutig, dass ein Teil der von Keeses Anwalt angeführten Beschwerdegründe ausgereicht habe, das Verfahren zu stoppen.

Zur Startseite