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Stolz der Charité. In den Campus-Klinik genannten Neubau zieht am Donnerstag erstmal Wolfgang Maaß ein.
© Björn Kietzmann

Bauprojekt an der Charité in Berlin: Können Sie sich bitte umziehen?

Die größte Universitätsklinik Europas saniert ihren Bettenturm und lagert dafür hunderte Patienten in einen Interimsbau aus – der ist moderner als viele Stationen in der Charité.

Da dürfte sich Wolfgang Maaß schon ein bisschen gewundert haben. Der Renter – 69 Jahre alt, Brille, Genießerbauch – wird auf einem rollenden Krankenbett durch den Gang geschoben: mitten in ein Blitzlichtgewitter. Aufregte Fotografen schwirren um seine Liege, ein paar Klinikmanager beobachten die Szene nicht ohne Stolz, eine gerührte Krankenschwester überreicht dem früheren Handwerker Maaß einen Blumenstrauß – dann ab in den Fahrstuhl, zwei Etagen runter, Schwester und Pfleger schieben ihn in ein nagelneues Krankenzimmer, prompt belagern die Fotografen das Bett.

Und warum? Weil Wolfgang Maaß aus Großziethen im Süden Berlins der erste Patient in den 340 Betten der derzeit wohl modernsten Klinik der Hauptstadt geworden ist: dem einst als „Container-Krankenhaus“ belächelten Interimsbau der Charité neben dem berühmt-berüchtigten Bettenturm in Mitte.

Sogar in Berlin werden noch Bauprojekte fertig

Die Klinik dürfte eines der wenigen öffentlichen Bauprojekte des Landes sein, das im Zeit- und wohl auch im Kostenplan liegt. Und das, obwohl es sich um den Umbau der größten Universitätsklinik in Europa handelt, die noch dazu das Geld aus der laufenden Krankenversorgung braucht. Weshalb sie ihre Patienten aus dem maroden, als Wahrzeichen aber geschätzten Bettenturm nun in den Interimsbau verlegt.

Und so wird Wolfgang Maaß vom Charité-Personal nicht ohne Grund stolz durch die oberirdische Gebäudebrücke quer über die Luisenstraße in diesen neuen Bau geschoben. Am Dienstag ist Maaß am linken Knie operiert worden, das rechte war wohl schon vor Jahren mal dran. Am kommenden Dienstag soll er entlassen werden, was der üblichen Verweildauer von rund einer Woche entspricht (und Krankenkassen, die Ausgaben gern vermeiden, freuen dürfte).

Ein achtköpfiger Charité-Stab plant den Umzug

Vielleicht absurd ist, dass diese Interimsklinik aus Fertigmodulen einer Thüringer Baufirma fast zum Verweilen einlädt – was man nicht über jede Station sagen kann. Wer aus dem 1982 eröffneten Bettenturm und seinen Nebengebäuden in den oberirdischen Gang läuft, merkt schon am Geruch, wann er den Interimsbau erreicht hat – so, als laufe man aus einem zu lange genutzten Flugzeug durch eine geschlossene Gangway, die endlich in einen nagelneuen, gut gelüfteten Flughafen mündet. Wo wir gerade bei Flughafen sind: Zwei, drei Charité-Mitarbeiter verkneifen sich am Donnerstag den Hinweis auf den BER nicht. Diskret weist ein Pfleger darauf hin, dass die Komplettsanierung in Mitte in 18 Monaten geplant und der Neubau in nur sechs Monaten errichtet wurde. Klar, man könne das nicht vergleichen, der Airport sei noch komplexer. Doch wird der achtköpfige Stab, der die seit Jahren diskutierte Komplettsanierung des Campus in Mitte federführend plant, gut gearbeitet haben.

Noch geht es über Stock und Stein zum Interimsbau der Charité.
Noch geht es über Stock und Stein zum Interimsbau der Charité.
© Björn Kietzmann

Auch die Arbeitnehmervertreter, die der Charité-Führung gern deutliche Worte sagen, finden den Ablauf ganz gelungen. Charité-Bauchef Christian Kilz sagt nüchtern: „Ein Umzug dieser Größenordnung ist natürlich eine logistische Herausforderung.“

Auch die Intensivstation zieht um

Und wird es bleiben. Denn der Klinik steht die organisatorische Feinarbeit noch bevor: Wie verlege ich Hunderte von Patienten? Das Krankenhaus will nicht auf die rund 500 Patienten des Bettenturmes verzichten, die verschuldete Klinik braucht die Einnahmen aus dem laufenden Betrieb. Da aber nicht alle Patienten termingerecht genesen, werden bis zu 300 Kranke in den nächsten sechs Wochen durch die Gangway in die Interimsklinik geschoben. Selbst die Intensivstation werde man problemlos verlegen, erklären die Charité-Planer. Insgesamt müssen auch die Chirurgien, Geburtsmedizin, Gynäkologie, HNO-Station, Kardiologie, Orthopädie, Rheumatologie und Urologie umziehen. Tonnenweise werden Medikamente und Technik hinübergefahren, es sind zum Glück ja nur 100 Meter.

Die Thüringer holen die Interimsklinik an der Charité wieder ab

In sechs Wochen soll der Bettenturm leer sein, dann übernimmt eine Baufirma das rostfarbene Hochhaus, um es komplett umzugestalten: Die 21 Etagen sollen ab 2016 mit weißer Fassade wieder bezogen werden. Insgesamt 185 Millionen Euro gibt der Senat seiner Klinik für die Sanierung des Campus in Mitte. Charité-Chef Karl Max Einhäupl hätte zwar gern mehr Geld bekommen, klinikintern geht man davon aus, dass es nur auf „Biegen und Brechen“ mit dem genehmigten Geld klappen wird. Die drei Millionen Euro Jahresmiete, die das Krankenhaus für den Interimsbau an die Thüringer Modulbaufirma zahlt, sind da nicht eingerechnet. Sie müssen aus den laufenden Umsätzen bezahlt werden. Wenn alles gut geht, wird der Interimsbau von den Thüringern 2016 abmontiert und woanders neu vermietet.

Für Wolfgang Maaß erhöht sich erst mal der Komfort. Und in der klammen Charité freut man sich einfach mal über elektronisch bewegbare Betten und anmontierte Multimediageräte.

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