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Seit gut einem Jahr stehen die rund 80 Säle und Räume des ICC leer.
© Kai-Uwe Heinrich

Berliner ICC für Flüchtlinge: Kongresszentrum könnte Asyl-Unterkunft werden

Das Kongresszentrum steht auf der Liste möglicher Anlaufstellen für Flüchtlinge in Berlin. Der ehemalige Bürgermeister Eberhard Diepgen will Menschen aus Balkanländern getrennt von anderen unterbringen.

Das Bankgebäude der LBB, der Flughafen Tempelhof: Fast täglich gibt es neue Vorschläge für die Unterbringung von Flüchtlingen. Jetzt steht auch das ICC auf der Liste der infrage stehenden Immobilien. „Alles kommt auf den Prüfstand“, sagte Regina Kneiding, Sprecherin der Senatsverwaltung für Soziales. Die Not sei groß bei dem unverändert starken Zustrom von Flüchtlingen, da müsse jedes leer stehende, landeseigene Gebäude durch die Unterbringungsleitstelle geprüft werden.

Ob das Gebäude am Messedamm tatsächlich auserkoren wird als Stützpunkt zur Begrüßung oder sogar Unterbringung von Flüchtlingen, ist ungewiss wegen seiner Asbestbelastung. Gerüchte, wonach dies auch beim Wilmersdorfer Bankgebäude der Fall sei, bestätigte die Verwaltung nicht. Allerdings gehöre das Haus nicht dem Land Berlin. Und Umbau und Beschaffung dauern, dabei ist der Zeitdruck gewaltig: Täglich steigt die Zahl der Asylsuchenden.

Eberhard Diepgen, früherer Regierender Bürgermeister und Mitglied der Flüchtlings-Task-Force „Beirat für Zusammenhalt“, sagte: „Nach den letzten Senatsentscheidungen sind Dinge in Bewegung gekommen, Objekte werden mit stärkerer Konsequenz geprüft und Umbauten stehen bevor.“ Diepgen hatte bereits im vergangenen Jahr das ICC als Flüchtlingsunterkunft ins Gespräch gebracht.

Die Sozialverwaltung hat 180 zusätzliche Mitarbeiter

Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, die Flüchtlingswelle als „Gesamtaufgabe“ anzusehen und deshalb „Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern besonders zu behandeln“. Hier stehe die „Zielrichtung einer möglichen Rückkehr in die Heimatländer“ im Vordergrund, und dies dürfe nicht „durch die Art der Unterbringung konterkariert werden“. Er würde eine getrennte Unterbringung von Flüchtlingen etwa aus Balkanländern nicht ausschließen, sagte Diepgen weiter. Menschen, für die ein Bleiberecht in Aussicht stehe, müssten rasch eingegliedert und deren Kinder in die Schulen aufgenommen werden. Zumal eine solche Strategie zu einer „erheblichen Entlastung“ im Bereich der Unterkünfte führen könne.

Angesichts der Lage nannte Diepgen den Einsatz der Mitarbeiter der Sozialverwaltung „bemerkenswert“. Zusätzliches Personal werde Entlastung bringen.

Noch wohnen 1500 Flüchtlinge in Hostels

Laut Sozialverwaltung sind die benötigten 180 Mitarbeiter aus anderen Verwaltungsbereichen bereits gefunden. Die Rekrutierung von Personal für das überforderte Landesamt für Gesundheit und Soziales zählt zu den Aufgaben des Koordinierungsstabes des Senats. Diesen hatte die große Koalition vor gut zwei Wochen gegründet. Er ist mit Vertretern aller beteiligten Senatsverwaltungen besetzt, darunter die Ressorts für Soziales, Finanzen und Stadtentwicklung. An der Suche nach Immobilien ist auch die Verwaltungsgesellschaft für landeseigenen Grundbesitz beteiligt, die Berliner Immobilien Management. Noch bis Ende des Jahres sollen 4000 weitere Plätze entstehen, damit alle Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf bekommen, so ein Beschluss des Koordinierungsstabes. 

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales eröffnete an diesem Freitag das fünfte Containerdorf. Es steht an der Potsdamer Chaussee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Das vorerst letzte Dorf am Ostpreußendamm wird ab Montag bezogen, sechs sind es dann im gesamten Stadtgebiet mit 2000 Plätzen. An diesem Sonntag können die Berliner die Anlage am Ostpreußendamm bei einem Tag der offenen Tür besichtigen. Vorbehalte gegen die Containerdörfer sind laut Sozialverwaltung kaum noch zu hören.

Inzwischen besuchten sogar andere Kommunen die Standorte, weil auch sie wegen der Flüchtlingswelle schnell neue Unterkünfte herstellen müssen. Zumal sich Hostels nicht bewährt haben: „Die Kontrolle der Unterbringungsqualität ist schwierig“, so Kneiding, auch deshalb wolle die Sozialverwaltung die Hostel-Lösung auslaufen lassen. Noch wohnen allerdings 1500 Flüchtlinge in Hostels, sodass auch für sie dringend neue Quartiere benötigt werden.

Die größten Chancen auf der langen Liste der landeseigenen Immobilien haben Gebäude wie das Rathaus Wilmersdorf. Das stand leer und ließe sich mit überschaubarem Aufwand und innerhalb von wenigen Tagen in eine Notunterkunft umwandeln. Ideal sind die Verhältnisse nicht, die Not regiert eben, so müssen die Flüchtlinge zum Duschen zu Containern gehen, die in einer benachbarten Straße aufgestellt sind. Rund 560 Flüchtlinge leben in dem Gebäude zurzeit.

Nicht nur öffentliche Bauten kommen infrage, sondern auch private Immobilien. Ähnlich schnell wie das Rathaus Wilmersdorf konnte ein früheres Technikgebäude der Telekom an der Köpenicker Allee in Karlshorst umfunktioniert werden. Rund 1000 Flüchtlinge haben hier eine Unterkunft gefunden. Im Hauruckverfahren werden viele solcher Bauten in Wohnheime umgewandelt. Die Planer müssen improvisieren. Einzige Ausnahme: der Brandschutz – „da machen wir keine Kompromisse“, versichert Kneiding.

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