Lärmbelästigung durch Discos: Kompromisse zwischen Clubs und Anwohnern gesucht
Das Nebeneinander von Wohnen und Clubs bereitet Probleme: Anwohner klagen über Ruhestörung. Tagesspiegel und Architekten diskutierten das Thema in der Urania.
Wummernde Bässe sind ein anderer Lärm als Kindergeschrei oder Straßenbahngequietsche. Rechtlich betrachtet, aber auch in der Wahrnehmung. Es gibt guten Lärm (Kinder), zumutbaren (Verkehr) und angreifbaren (Kneipen). Wer sich eine Wohnung kauft, setzt sein Recht auf eine ruhige Umgebung auch vor Gericht durch. „Der Ton wird rauer“, sagt Pankows Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne), der schon diverse Lärmstreitigkeiten ausgefochten hat.
Schließung des Knaack-Clubs erhitzte Gemüter
Kirchner diskutierte mit dem Stadtplaner Dogan Yurdakul und dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht Andreas Möller über das Thema „Nutzungsmischung – ein Leitbild der Belästigung?“. Eingeladen hatten die Architektenkammer und der Tagesspiegel. Rund 100 Zuhörer kamen in die Urania – trotz Champions-League-Halbfinale und Tanz in den Mai.
Das Podium griff einen prominenten Fall auf: die Schließung des Knaack-Clubs in der Greifswalder Straße wegen Störung der Nachtruhe in einem angrenzenden Neubau. Beim Knaack hätten alle Beteiligten Fehler gemacht, sagte Kirchner. Ein Fall von „kollektivem Versagen“, gerade deshalb exemplarisch und lehrreich. Bauherren und Bauverwaltung müssten noch stärker sensibilisiert werden für das Thema Lärm.
Der Moderator der Runde, der leitende Tagesspiegel-Redakteur Gerd Nowakowski, brachte einen weiteren Fall ins Gespräch: die Klage einer Anwohnerin gegen Konzerte auf der Zitadelle Spandau – eine Form von Minderheitendiktatur? Die Lärmexperten allerdings verwiesen auf das Bundesrecht. Danach werde der nächtliche Lärmpegel am offenen Fenster gemessen. Wird ein Grenzwert überschritten, kann gegen den Lärmverursacher geklagt werden, wenn es sich um einen Gewerbebetrieb handelt, und dazu zählen auch Konzertveranstalter.
Ein neuer Typus Wohngebiet muss her
Fachanwalt Andreas Möller zog die vorgeschriebene Nutzungsmischung in der Friedrichstadt und am Leipziger Platz in Zweifel. Die Vorgabe, 20 Prozent Wohnanteil zu realisieren, programmiere Lärmkonflikte. Stadtplaner Dogan Yurdakul hielt dagegen: Das planerische Leitbild der Nutzungsmischung dürfe nicht einfach geopfert werden. Sinnvoll sei, einen neuen Typus von innerstädtischem Wohngebiet zu definieren, der höhere Toleranzschwellen für Lärm zulasse. „Bisher gibt es nur das allgemeine Wohngebiet, das ist dann die gleiche Kategorie wie in Buxtehude.“ Diesem Vorschlag schloss sich auch Kirchner an.
Ein neuer Wohngebietstypus der Bauleitplanung würde vielleicht auch das Problem der Kulturbrauerei an der Schönhauser Allee lösen. Dort existiert bislang kein planerischer Schutz für den Kulturstandort. Die Brauereigebäude schirmen den Lärm aus dem Innenhof ab. Doch der Schutz reicht nur bis zur vierten Etage der Nachbarhäuser, inzwischen sind aber viele Dachgeschosse ausgebaut. Jetzt gibt es Lärmkonflikte, und die Kulturbrauerei muss für zusätzlichen Schallschutz sorgen. „Daran hat bei der Genehmigung der Dachausbauten niemand gedacht“, sagt Kirchner. Wieder was gelernt. Es gibt Hoffnung: Andreas Möller berichtete von einem Lärmkompromiss an der Columbiahalle in Tempelhof. Dort wolle ein Investor Wohnhäuser errichten, und beide Seiten hätten sich auf ein Schallschutzkonzept geeinigt. Auch Kirchner setzt auf zunehmende Akzeptanz. Lärm in der Stadt sei eine Frage der Gewöhnung. Einige Baugruppen errichteten in Pankow ihre Häuser direkt an den Gleisen der Bahn. „Da rollen nachts die Kesselwagen vorbei.“ Auch die Clubs kehrten sicher bald in den Bezirk zurück.
Thomas Loy
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