Liegenschaftspolitik: Kompromiss mit Kalkül
Nach zweijährigem Streit hat der Senat eine neue Grundstückspolitik beschlossen. Landeseigene Grundstücke sollen Geld bringen – oder Wohnraum und Kultur.
Beschwingt schlendert Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) den Flur des Roten Rathauses entlang und scherzt schulterklopfend mit einem Senatssprecher. Gelöst wirkt er – kurz zuvor hat der Senat sein „neues Liegenschaftskonzept“ angenommen. Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Landesregierung der Forderung des Abgeordnetenhauses nach einer neuen Kultur im Umgang mit landeseigenen Grundstücken nachgekommen ist. Erst im zweiten Anlauf gab es den nun beschlossenen Kompromiss im Streit um den Einsatz landeseigener Flächen zur Förderung von Kiezkultur, günstigem Wohnraum, Firmenansiedlung – oder eben zur Sanierung des Not leidenden Haushalts durch Verkäufe zum Höchstpreis.
Wie viele Millionen weniger aus dem Verkauf von Landesflächen künftig in den Haushalt fließen, wollte Nußbaum nicht einmal abschätzen. In einer Finanzlage, in der die Sozialausgaben jedes Jahr eine Summe verschlingen, die in zehn Jahren durch den Verkauf landeseigener Flächen eingespielt wurden, löst Liegenschaftspolitik ohnehin nur begrenzt Probleme. Klar ist nunmehr, dass landeseigene Flächen auch weiterhin direkt vergeben werden können, wenn sie statt möglichst viel Bares eine „Stadtrendite“ abwerfen. Darunter fällt die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhaltung einer kulturellen Einrichtung oder der Bau billiger Wohnungen etwa. Deshalb sagte auch Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) auf Anfrage: „Der Kompromiss geht in die richtige Richtung.“
Wer aber wird entscheiden, wie hoch die Stadtrendite eines Projektes ist und was Land oder Bezirke zur „Daseinsvorsorge“ nicht verkaufen darf? Ein „Portfolio-Ausschuss“ soll das leisten. Der wird auch Bezirksflächen prüfen, bevor sie an den Liegenschaftsfonds zum Verkauf gehen. Auch alle bereits im Fonds geparkten Grundstücke wird dieses mächtige Organ noch einmal auf ihre Verkaufswürdigkeit überprüfen. Mehr noch, Nußbaum will sich mit dem Ausschuss „einen Überblick über das ganze Grundstücks-Portfolio der Stadt verschaffen“.
Veräußert wird weiterhin meistbietend
Der Finanzsenator steht noch unter dem Eindruck der höchst undurchsichtigen Vergabe eines landeseigenen Grundstücks an einen Golfklub, der kurz vor seinem Amtsantritt erfolgt war. Ähnlichen Fällen will er vorbeugen und spricht viel von „Transparenz“ bei Vergaben, die nicht mehr „nach Sympathie“ oder aus politischer Raison erfolgen dürften.
Deshalb muss auch die „Stadtrendite“ eines Projekts jeweils von der Senatsverwaltung begründet werden, die sich für dieses stark macht. Sind die Argumente stichhaltig und kommt es zur Direktvergabe, wird im Kaufvertrag vereinbart, dass das Grundstück langfristig nur für diesen Zweck eingesetzt werden darf – sonst fallen Strafzahlungen an oder das Areal fällt zurück ans Land.
Auch „Beauty-Verfahren“ wird es künftig geben: Hier gehen Grundstücke an jenen Bieter, der die schönste Planung vorlegt. Im Fall des BSR-Grundstückes am Holzmarkt wären das mit einiger Sicherheit die Betreiber des „Kater Holzig“, ehemals Bar 25. Pech nur, dass dieses Areal im Besitz einer der landeseigenen Firmen ist, die ausdrücklich ausgenommen sind von den neuen Regelungen. Und die BSR wird das Areal an die beiden Meistbietenden vergeben, obwohl einer von ihnen Mitglied im eigenen Aufsichtsrat ist. Ob das zulässig ist, werde ein Rechtsgutachten klären, sagte Nußbaum, der den Vorsitz im Kontrollgremium der BSR hat.
Allerdings werden den Kater-Holzig-Bietern kaum noch Chancen eingeräumt, zum Zuge zu kommen. Denn der Finanzsenator erteilte am Dienstag auch erneut dem Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion eine Absage, wonach nicht betriebsnotwendige Flächen von Anstalten öffentlichen Rechts entschädigungslos an das Land zurückfallen. Wäre ein solches Gesetz in Vorbereitung, könnte die geplante Zustimmung des BSR-Kontrollgremiums zum Verkauf am 17. Oktober noch einmal infrage gestellt werden. Danach sieht es gegenwärtig nicht aus.
„Grundstücke können wie ein Glas Rotwein besser werden mit den Jahren“, erklärte Nußbaum. Und das wäre – neben der Direktvergabe oder dem „Schönheitswettbewerb“ konkurrierender Konzepte – auch ein möglicher Umgang mit landeseigenen Flächen, in der Innenstadt im Besonderen: liegen lassen. Welche Flächen dafür infrage kommen, soll der geplante „Liegenschaftsscan“ zeigen. Dabei sollen alle Flächen daraufhin überprüft werden, ob sie der Daseinsvorsorge dienen sollen – oder eben verkauft werden können. Veräußert wird dann aber weiterhin meistbietend. Und dafür bleibt die Berliner „Verkaufsagentur“ zuständig, wie Nußbaum den Liegenschaftsfonds nennt.
Ralf Schönball