Haushaltsdebatte Abgeordnetenhaus Berlin: Koalition und Opposition liefern sich Wortgefechte
Das Abgeordnetenhaus hat den neuen Doppelhaushalt debattiert. Die Koalition lobte sich pflichtgemäß selbst. Die Opposition hingegen befand, Rot-Rot-Grün sei „der wachsenden Stadt nicht gewachsen“.
Michael Müller hat genug von all jenen, die immer nur „Bashing betreiben und Berlin herunterreden“. Den Vorwurf, dass diese Stadt nicht funktioniere, wies der Regierende Bürgermeister entschieden zurück. In der Generaldebatte des Abgeordnetenhauses zum Doppelhaushalt 2020/21 rief der Sozialdemokrat den Kritikern von Rot-Rot-Grün am Donnerstag zu: „Wir werden solidarisch, weltoffen und nachhaltig weiterregieren.“ Jeden Tag werde diese Koalition daran arbeiten, versprach Müller und benannte „Investitionen, Konsolidierung und Entlastung“ der Bürger als Schwerpunkte.
Es gab im Landesparlament aber auch eine andere Sicht der Dinge. Der neue Haushalt gehe „an der Realität Berlins vorbei“, sagte der FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja in der knapp dreistündigen Debatte. „Die Stärke dieser Landesregierung liegt allein im Scheitern.“ Czaja mahnte eine „ideologiefreie, pragmatische und zukunftsorientierte“ Politik an. Auf den grassierenden Populismus dürfe der Senat nicht mit Populismus reagieren. Man müsse sich darauf einstellen, dass die Zeiten finanzpolitisch schlechter würden.
Burkard Dregger: "Billige Geschenke und Gießkannen"
Zuvor hatte der CDU-Fraktionschef Burkard Dregger das rot-rot-grüne Bündnis als „Koalition der verpassten Chancen“ dargestellt. Noch nie habe ein Berliner Senat über so viel Geld verfügt – und trotzdem die Möglichkeiten der Stadt so ausgebremst. Rot-Rot-Grün sei der „wachsenden Stadt nicht gewachsen“, sagte der CDU-Mann und nahm wie die anderen Redner der Opposition die Bau- und Mietenpolitik, die Klima- und Verkehrspolitik, das Bildungswesen und die innere Sicherheit in Berlin kritisch in den Blick. Der Regierende Bürgermeister Müller habe nicht ansatzweise eine Idee für das Berlin von morgen, sagte Dregger. „Sie konzentrieren sich auf das Verteilen von billigen Geschenken mit der Gießkanne.“
AfD-Pazderski: "ökofaschistische Verbote"
Auch der AfD-Fraktionschef Georg Pazderski vertrat die Meinung, dass die Berliner Regierungskoalition kaum einen Euro für wirkliche Zukunftsprojekte ausgebe. Berlin befinde sich „mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Marsch zurück in das Dunkel des Sozialismus“. Immer mehr „ökofaschistische Verbote“ zerstörten jede Lebensfreude. Pazderski sagte dem Regierungschef Müller voraus: „Das wird Ihr letzter Doppelhaushalt sein.“ Die AfD setzt darauf, dass die Koalition mit dem Mietendeckel „grandios gegen die Wand fährt“. Dann werde der Bürgerfrust schnell in Bürgerwut umschlagen. Anschließend nutzte Pazderski noch die Gelegenheit, seine Partei als „bürgerlich-konservativ“ zu verorten, „am Wohle der Gesellschaft orientiert“.
Die Opposition hatte damit ihr rhetorisches Pflichtprogramm erledigt. Vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh mussten sich CDU, FDP und AfD sagen lassen, dass „sich die Opposition im Tiefschlaf befindet“. Die Union sogar im Dornröschenschlaf. „Ihnen kann man nur wünschen, dass ein echter Prinz vorbeikommt, der sie wachküsst. Mit Prinzessinnen haben Sie es ja nicht so“, spottete Saleh. Den Doppelhaushalt, der am Donnerstagabend zur Abstimmung stehen sollte, lobte der SPD-Mann als „das größte Konjunkturpaket, das Berlin je gesehen hat“. Dem Regierenden Bürgermeister Müller bescheinigte der Parteifreund eine „großartige Arbeit“.
Linke: „Der Mietendeckel kommt!“
Auch Udo Wolf, Chef der Linksfraktion, sieht die Berliner CDU weit von der Lebensrealität Berlins entfernt. Mit dem neuen Haushalt setze Rot-Rot-Grün seinen guten Weg fort, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden könnten. Bei den Projekten, die neu finanziert würden, handele es sich nicht um Wahlgeschenke, wies Wolf den Vorwurf der Opposition zurück. Es gehe um praktische Armutsbekämpfung. Und allen Zweiflern hielt der Linkenpolitiker entgegen: „Der Mietendeckel kommt!“ Wolf ging auch auf den koalitionsinternen Streit um neue U-Bahnstrecken ein. „Ich finde die U-Bahn toll.“ Aber das sei die Kür. Die Verkehrswende gelinge jetzt mit der Straßenbahn und einem neuen Radwegenetz.
Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek vertrat sogar die Meinung, dass die Verkehrswende in Berlin aufgrund der geplanten Investitionen in Radwege und den öffentlichen Nahverkehr „unumkehrbar geworden ist“. Das drängendste Zukunftsthema sei jedoch die Wohnungskrise. Auch Kapek sprach von einem Dreiklang: „Bauen – kaufen – schützen.“ Und schickte einen Vierklang hinterher: „Investieren – konsolidieren – ökologisieren – solidarisieren.“ Der FDP-Politiker Czaja machte sich über diese „Klangschalentherapie“ lustig. Das hinderte Kapek nicht daran, ein „lebens- und liebenswertes Berlin für Alle“ zu versprechen. Es mangele weder am Willen noch am Geld.
SPD, Linke und Grüne wollten am Donnerstagabend den neuen Doppelhaushalt beschließen. Wegen sinkender Steuereinnahmen muss der Senat bis Ende 2021 noch eine Aufgabe erfüllen. Es fehlen bei den Ausgaben für insgesamt 300 Millionen Euro noch konkrete Einsparvorschläge. Die Regierungsfraktionen sahen das nicht als ihre Aufgabe an.