Eisbär im Naturkundemuseum: Knut wird in Berlin unsterblich
Eisbär Knut bleibt ein Publikumsmagnet – auch nach seinem Tod. Ab diesem Dienstag ist seine Dermoplastik im Naturkundemuseum in Berlin zu sehen. Die ist ganz gut gelungen, finden Besucher. Sie steht in einer Sonderschau mit „Highlights der Präparation“.
Von der Seite sieht er ja aus wie früher. Nur von vorn betrachtet fehlt Knut, dem auch lange nach seinem Tod noch beliebtesten Eisbären der Welt, die dichte Halsbehaarung. Das Tier war gerade im Fellwechsel, als es am 19. März 2011 plötzlich durch eine Virusinfektion im Hirn starb, und Teile seines Fells konnten die Präparatoren nicht retten. Der vom – ebenfalls bereits verstorbenen – Tierpfleger Thomas Dörflein handaufgezogene Bär ermöglichte dem Zoo durch das Publikumsinteresse Millionengewinne und verschaffte der Stadt noch mehr Touristen. Nun soll der von Medien und Menschen in aller Welt immer noch beäugte Knut die Besucher ins Naturkundemuseum in Mitte ziehen: Am Montag kam er in die Vitrine, und vom heutigen Dienstag an ist die Dermoplastik gemeinsam mit denen anderer beliebter oder besonderer Tiere während der Museumssanierung in einer neuen Ausstellung mit „Highlights der Präparationskunst“ zu sehen sein.
Dazu gehört die Plastik von Gorilla Bobby aus dem Jahre 1935. Früher wurden viele Tiere aber tatsächlich noch „ausgestopft“. Das Wort hören Hightech-Präparatoren heute gar nicht mehr gern. Auch historische Huftierdermoplastiken, überlebensgroße Insektenmodelle, ein Korallenriff und in der Branche als besonders gelungen ausgezeichnete Präparate können die Besucher jetzt in der Schau sehen, berichtet Gesine Steiner, Pressesprecherin des Museums an der Invalidenstraße.
Die meisten Kameras werden aber wohl wieder vor Knut gezückt. Das war schon im vergangenen Jahr so, als die 30 Kilogramm schwere Nachbildung des Eisbären vom 16. Februar bis Anfang Mai im Foyer des Museums zu sehen war und mehr als 150 000 Besucher anzog. „Wir wissen um die Symbolkraft des Tieres. Er steht für den Schutz einer bedrohten Tierart und für den Kampf gegen die globale Klimaerwärmung sowie die Beziehung zwischen Mensch und Tier“, sagte Generaldirektor Johannes Vogel damals.
Und die Kinder und Erwachsenen kamen ins Naturkundemuseum und schrieben Knut im Foyer sogar Liebesbriefe und Sprüche zum Gedenken auf Zettel an einer Pinnwand und ins Gästebuch. Jetzt kann man das Exponat, das zwei erfahrenen Präparatoren auch nach Fotos und Videos aus dem Internet erstellt haben, langfristig im Museum anschauen. Da lebt die Knut-Euphorie weiter, noch heute verfolgen Zoofans jedes neu geborene Eisbärbaby, und auf der Internetseite „www.worldofanimals.eu“ kann man Tag für Tag Knuts Leben in Bildern, Filmen und Collagen nachverfolgen. Die langjährig Knutexpertin und Zoopressesprecherin Claudia Bienek wird noch heute selbst im Frankreichurlaub auf „Knüt“ angesprochen, wie die Franzosen den Namen des Bären aussprechen. Die von vielen damals auch als Vermenschlichung eines Tieres und populistischer Hype kritisierte Knut-Euphorie hatten auch die Präparatoren in Kopf, als sie die Bärenplastik auf Grundlage eines Modelliergerüstes zunächst in Ton erschufen.
Das fertige Modell wurde dann mit Trennblechen unterteilt. Schließlich trugen die Fachleute Gips auf, und so entstand eine mehrteilige Negativform, die später mit Polyurethanschaum ausgefüllt wurde. Dann wurden die Formteile zusammengefügt. Über alles kam das Originalfell des am 5. Dezember 2006 geborenen Eisbären. Sein Fell war zwar während der Herstellung gereinigt worden, aber es hat noch die typischen dunklen Flecken. Die hatten sich durch freigesetzte Gerbsäure gebildet, wann immer sich der Bär auf seinem Rindenmulchbett im Zoo wälzte. Knut sieht Besucher nun mit seinen Spezialglasaugen an. Und die Knochen des Tieres liegen konserviert in der Sammlung.
Manch einem Zoobären-Fan mit Knut als Kuscheltier und Bettdeckenmotiv ist beim Anblick des erstarrten Lieblings, der schon an Museen in andere Ländern ausgeliehen war, allerdings unwohl. Andere Knut-Groupies, die zu Lebzeiten jeden Zooeisbären schon allein an seiner Kopfform erkannten, freuen sich darüber, dass das Phänomen Knut für die Nachwelt erhalten wird.
Laut Museumsleitung war es in der 200-jährigen Geschichte des Hauses schon immer Tradition, interessante Tiere, die in Zoos und Tiergärten verstorben sind, für Forschungs- oder Bildungszwecke zu präparieren. Sollte jemand Knuts Anblick nur kurz ertragen können – es gibt auch Alternativexponate, etwa ein aus Sammlungsmaterial nachgebautes kubanisches Korallenriff, kunstvoll erschaffen aus 400 Einzelobjekten.
Manie und Allergie: Die Geschichte Knuts im Überblick
EISBÄR-MANIE
Das Berliner Phänomen Knut hat weltweit eine Eisbärenmanie in Zoos ausgelöst. Kaum hatten andere Zoos welche – Nürnberg seine Flocke, Dänemark das Baby Siku oder Wuppertal Anori von Knuts Vatertier Lars –, machten sie ganz groß Werbung oder installierten Webcams. So einen Umsatz mit Merchandising-Artikeln wie bei Knut schaffte aber keiner.
EISBÄR-ALLERGIE
Dem damaligen Zoochef Bernhard Blaszkiewitz ging die Aufregung auf die Nerven. Dass er den Jungbären Knut früh von den drei Eisbärenweibchen Nancy, Katjuscha und seinem Muttertier Tosca auf der engen Freianlage mobben ließ, verziehen Knut-Fans dem Direktor nie. Knut versteckte sich, kauerte und zitterte. Zuletzt spielte er aber mit Tosca im Wasser.
KEINE BABYS IM ZOO
Hinter den Kulissen tat sich aber doch etwas. Eisbärmann Troll kam Ende 2011 aus dem Tierpark in den Zoo, um mit den drei Weibchen Nachwuchs zu zeugen. Daraus wurde aber nichts: Die alten Bärinnen und der Neuzugang lieferten sich in der Natur normale und auch mal blutige Rangordnungskämpfe, doch nach Besucherprotesten musste Troll zurück.
BALD BABYS IM TIERPARK?
Der alte Troll (geb. 1986) darf nur noch allein auf die Anlage. Bärin Aika (1980) darf hingegen mit dem am 27.11.2011 geborenen Jungbären Wolodja raus. Und mit Weibchen Tonja (16.11.09). Geschlechtsreif sind Eisbären mit knapp fünf. Blaszkiewitz hatte Tonja noch als Partnerin für Knut nach Berlin geholt. Platz im Gehege für ein Baby soll es geben.