Neues Projekt in Berlin: Kleinkind im Büro? Na klar!
Eltern planen ein Gemeinschaftsbüro, in dem es auch Platz für Kinder gibt. Es soll Freiberuflern leichter gemacht werden, nach der Geburt eines Kindes früh wieder zu arbeiten. Es ist das erste Projekt dieser Art in Berlin.
Das mit den Babysittern war so eine Sache. Die eine kam nicht, weil ihre Katze eine Zahn-OP hatte. Die andere schickte einfach ihre Zwillingsschwester, wenn sie selbst keine Zeit hatte. Das Baby, meinte sie, würde davon schon nichts merken. Juliane Gringer merkte schnell, dass sie so nicht arbeiten konnte. Sie brauchte eine verlässliche Lösung für die Kinderbetreuung. Ihr kleines Kind schon komplett an eine Tagesmutter oder in die Kita abgeben wollte die 34-jährige Journalistin und Buchautorin aus Prenzlauer Berg aber auch nicht.
Bei der Suche nach einer Alternative stieß sie auf das Projekt „Coworking Toddler“. Unter diesem Namen hat sich ein Gemeinschaftsbüro mit angeschlossener Kleinkind(„Toddler“)-Betreuung gegründet. Es will es Freiberuflern und Angestellten ohne Anwesenheitspflicht leichter machen, nach der Geburt eines Kindes früh wieder zu arbeiten, indem es einen Arbeits- und einen Betreuungsplatz unter einem Dach bietet. Es ist das erste Projekt dieser Art in Berlin. Gringer gehört mittlerweile zum Team.
Einer der Gründer ist Marc Runge, 44. Der zweifache Vater sagt: „Bei ,Coworking Toddler‘ können die Eltern in Ruhe arbeiten, während sich Erzieher in einem Nebenraum um die Kinder kümmern.“ Auch ein Besprechungsraum für die Wahrnehmung von Terminen und ein Essensraum gehören zum Konzept. „Mittags können Eltern und Kinder zum Essen zusammenkommen, danach trennen sie sich wieder“, sagt Runge. Er ist überzeugt, dass durch diese Kombination von Nähe und Distanz der Stresspegel bei Eltern und Kindern sinkt.
Yvonne Anders, Professorin für Frühkindliche Erziehung an der Freien Universität Berlin, glaubt, dass das Konzept für Kinder im Alter von sechs Monaten bis eineinhalb Jahren Vorteile gegenüber alternativen nichtfamilialen Betreuungsformen haben kann. Bei der Altersgruppe der eineinhalb- bis dreijährigen Kinder ist sie dagegen unsicher. „Diesen Kindern dürfte es schwerer fallen, zu akzeptieren, dass ihre Eltern da, aber nicht verfügbar sind“, sagt sie. Schließlich seien Eltern die ersten Ansprechpartner für ihre Kinder. Die gleichzeitige Anwesenheit von Eltern und Erziehern sehe sie zumindest als Herausforderung: „Im Alltag muss für Kinder klar sein, wer ihre Ansprechperson ist und wer die Regeln festsetzt.“
Zehn Plätze in Mitte oder Prenzlauer Berg
„In anderen Städten gibt es bereits ähnliche Angebote“, sagt Runge. Dort seien die Nutzer zufrieden und die Nachfrage sei hoch. Noch laufen die Vorbereitungen, aber alle hoffen, dass sie ab Juli mit acht bis zehn Plätzen in Prenzlauer Berg oder Mitte loslegen können. Sie möchten erreichen, dass die Betreuungsplätze für die Kinder über die Kitagutscheine vom Jugendamt finanziert werden. Die Bedingung dafür ist eine Betriebserlaubnis von der Kita-Aufsicht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft.
Durch die Gutscheinfinanzierung hätte man die Chance, das Angebot für alle zugänglich zu machen. „Unser Projekt soll nicht elitär sein“, sagt Marc Runge. Allerdings: Wenn der Senat die Genehmigung nicht erteilt, wollen die Gründer „Coworking Toddler“ auch ohne Gutscheinfinanzierung aufmachen. „Dafür gibt es in Berlin ebenfalls eine Nachfrage“, sagt Runge. Einen Investor haben sie schon gefunden, zusätzlich ist im April eine Crowdfunding-Kampagne angelaufen.
Bedarf für ihr Angebot sehen sie auch über Berlin hinaus. Viele Eltern wollten früh wieder arbeiten, ihre kleinen Kinder aber noch nicht komplett abgeben. „Wir würden gerne auch in Hamburg, München und Frankfurt Standorte eröffnen“, meint Runge.
Weitere Informationen unter www.coworkingtoddler.com