Stadtentwicklung in der City-West: Kleingärtner fühlen sich von allen veräppelt
Die Wilmersdorfer Kolonie Oeynhausen ist bedroht. Aber die Nutzer geben nicht nur der Politik die Schuld daran.
Dietmar Thurisch hat die Situation schon mal erlebt. Der 66-Jährige fürchtet um seinen Laubengarten in der Kolonie Oeynhausen in Schmargendorf, wo 313 Parzellen durch eine geplante Wohnbebauung bedroht sind. Früher hatte Thurisch eine Laube in der Kolonie Württemberg am Olivaer Platz. Vor drei Jahren musste diese Neubauten weichen, heute rollen dort Bagger für das luxuriöse Wohnungsbauprojekt „Rosengärten“ . Dass er nun schon wieder Investoren im Weg steht, ist für Thurisch eine böse Überraschung. Er habe eine neue Laube gebaut, viel investiert – und nun das.
Die 1904 gegründete Kolonie Oeynhausen ist eine der ältesten in Berlin und die größte in Wilmersdorf. Der dortige Kleingärtnerverein und der Bezirksverband der Wilmersdorfer Kleingärtner hätten ihm ursprünglich signalisiert, dass „hier Dauergrün ist“, sagt Thurisch. Doch das ist baurechtlich umstritten, wie die Betroffenen inzwischen wissen.
Begonnen hatten die Probleme vor vier Jahren, als der US-Investor Lone Star über eine Luxemburger Tochterfirma den Nordteil der Laubensiedlung von der Deutschen Post erwarb – zusammen mit bundesweit rund 1300 anderen Postimmobilien. 92 000 Quadratmeter Fläche nahe der Forckenbeckstraße wechselten den Eigentümer – nach Erkenntnissen der Kleingärtner für 6,45 Euro pro Quadratmeter. Nicht betroffen ist der landeseigene südliche Teil der Kolonie an der Friedrichshaller Straße, dort gelten 122 Parzellen als gesichert.
Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Vize-Bürgermeister und damalige Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) hatte den Bezirksverband der Kleingärtner, der Hauptpächter der Anlage ist, vorab von den Verkaufsabsichten der Post informiert. Das nördliche Gelände sei „den Kleingärtnern angeboten worden“, sagt der jetzige Baustadtrat Marc Schulte (SPD). Doch der Verband soll damals wenig Chancen gesehen haben, genügend Geld bei den Parzellennutzern zusammenzubekommen.
Die Kleingärtner seien also nicht ganz unbeteiligt an der jetzigen Lage, sagt Schulte. Er verweist auf Laubenbesitzer am Spandauer Damm in Charlottenburg-Nord, die ihre Kolonien per Eigenerwerb gerettet hätten. Auch aus Sicht von Peter Beloch, der im Kleingartenverein Oeynhausen als Kassierer fungiert und seine Parzelle seit 1995 pflegt, hat der Verband unglücklich agiert. „Wir fühlen uns von allen nicht richtig vertreten“, sagt er, dies gelte auch für den Landesverband und die Bezirkspolitik. Die Betroffenen hätten nun selbst eine Anwaltskanzlei beauftragt, rechtliche Schritte gegen eine Bebauung zu prüfen.
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat sich einstimmig für die Erhaltung der Kolonie ausgesprochen – und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) kritisiert. Denn an dessen Verwaltung scheitert ein seit Jahren vorbereiteter Rettungsplan. Der Bezirk wollte Lone Stars Grundstück per Bebauungsplan zum Kleingartengebiet erklären.
Doch die Finanzverwaltung schrieb Stadtrat Schulte, dass dies „mit einigen Risiken verbunden“ sei, wie eine Sprecherin Nußbaums bestätigt. Man befürchte unter anderem eine Schadenersatzklage des Investors. Dem Vernehmen nach rechnet die Verwaltung mit Forderungen bis zu 20 Millionen Euro – was die Kleingärtner für übertrieben halten. Die BVV fordert den Senat auf, „seine Position zu ändern“.
Das Planungsrecht verwirrt: Der gefährdete Teil der Kolonie gilt als Kleingartenfläche – aber auch als Bauland
Das bisherige Baurecht ist widersprüchlich: Berlins Flächennutzungsplan (FNP) weist das Areal als Kleingartenfläche aus, der Baunutzungsplan aus den 50er Jahren dagegen als Bauland. Auch nach drei Gutachten, darunter ein vom Investor beauftragtes Gegengutachten, blieb die Lage verworren.
Die Lone-Star-Tochterfirma hat einen Bauvorbescheid für Wohnhäuser gestellt und vor dem Verwaltungsgericht eine „Untätigkeitsklage“ gegen den Bezirk erhoben. Aus Sicht der Finanzverwaltung „sollte der Ausgang dieses Verfahrens abgewartet werden“. Grundsätzlich sei man „gerne bereit, mit dem Bezirk andere Möglichkeiten zu erörtern, wie die Kleingartenkolonie gesichert werden könnte“, sagt Sprecherin Kathrin Bierwirth.
Stadtrat Schulte will erst einmal „weiter dafür werben“, dass der Senat ein Prozessrisiko absichert. Andernfalls bleibe ihm nur, mit dem Investor über das Ausmaß der Bebauung zu verhandeln. Vereinskassierer Beloch ist sich derweil sicher, dass Lone Star als Investmentgesellschaft gar nicht selbst bauen will. Komme es zur Genehmigung, „werden die weiterverkaufen“.
Die Schmargendorfer Laubensiedlung ist nicht die einzige bedrohte in der City West. So könnte die Kolonie Durlach am Volkspark Wilmersdorf, deren Schutzfrist 2010 abgelaufen ist, bald vom Liegenschaftsfonds ausgeschrieben werden. Das Gelände „in begehrter Wohnlage“ werde „für eine Vergabe an Baugemeinschaften, zum Beispiel mit der Zielrichtung generationenübergreifendes Wohnen, empfohlen“, gab die Stadtentwicklungsverwaltung schon 2009 bekannt.
Für einen Garten in der Kolonie Oeynhausen stehen derweil noch immer 100 Bewerber auf einer Warteliste. Der Bezirksverband bevorzugt in den von ihm verwalteten Kolonien Interessenten, die andernorts ihre Parzelle verloren haben. So kommt es, dass sich neben Dietmar Thurisch vier weitere Umzügler aus der Kolonie Württemberg angesiedelt haben.
Deren Bebauung mit 214 Eigentums- und Mietwohnungen in 13 Häusern soll im Frühjahr abgeschlossen sein. An die alten Gärten wird in den „Rosengärten“ nichts mehr erinnern.
Die Laubenkolonie im Internet:
www.kleingaertnerverein-
oeynhausen.de
Cay Dobberke
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