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Richard von Weizsäcker und Klaus Wowereit: Die beiden letzten Regierenden Bürgermeister, die von ihrem Amt zurückgetreten sind.
© dpa

Regierende Bürgermeister in Berlin: Klaus Wowereit - der sechste Rücktritt

Wowereit vollzieht mit dem Rücktritt einen Schritt wie zuvor fünf seiner Amtsvorgänger - aus ärgerlichen, aber auch erfreulichen Gründen.

Das halbe Dutzend wäre also voll. Wenn Klaus Wowereit sein Amt im Dezember vorzeitig niederlegt, ist er der sechste Regierende Bürgermeister von Berlin, der sich dazu genötigt sah. Aber der erste nach 30 Jahren und damit auch der erste im wiedervereinigten Gesamtberlin. Zuvor war es über Jahrzehnte fast die Regel, dass ein Regierender die ihm zugebilligte Amtszeit nicht auszufüllen in der Lage war.

Die Umstände, unter denen ein Rücktritt erfolgte, waren sehr verschieden: peinlich, ärgerlich – aber mitunter höchst erfreulich. So gleich beim ersten Rücktritt 1966. Fast zehn Jahre lang hatte Willy Brandt die Stadt regiert, nun stand sein Sinn nach Höherem. Seine Ausflüge in die Bundespolitik waren zuvor von keinem Erfolg gekrönt: 1961 war er als SPD-Kanzlerkandidat Konrad Adenauer unterlegen, 1965 Ludwig Erhard. Als sich aber unter Kurt-Georg Kiesinger die Möglichkeit bot, Außenminister zu werden, sagte er Ja – und Nein zur alten Rolle. Auch der bislang letzte Rücktritt erfolgte zugunsten höherer Aufgaben: Das war 1984, als Richard von Weizsäcker (CDU) zum Bundespräsidenten gewählt wurde.

Brandt eröffnet Serie von Rücktritten

In der Rückschau gesehen, hatte Brandts Wechsel ins Ministeramt geradezu eine Serie von Rücktritten eröffnet. Nachfolger und Genosse Heinrich Albertz warf im Herbst 1967 frühzeitig das Handtuch, eine Spätfolge des Schah-Besuchs, der am 2. Juni mit prügelnden Jubel-Persern, demonstrierenden Studenten und dem nahe der Deutschen Oper verblutenden Benno Ohnesorg seinen dramatischen Tiefpunkt erreicht hatte. Zweimal hatte Innensenator Wolfgang Büsch kurz danach seinen Rücktritt angeboten, das war abgelehnt worden.

Nachdem er aber, als Konsequenz aus der Kritik eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses am Polizeieinsatz vom 2. Juni, erneut seinen Hut angeboten hatte, konnte auch Albertz ihn nicht länger halten. Nun stand er vor der Aufgabe, einen neuen Innensenator zu finden, der allen SPD-Gremien und -Flügeln genehm wäre – eine angesichts der damaligen Zerstrittenheit unter den Sozialdemokraten undankbare, für ihn letztlich unlösbare Aufgabe. So zog am 26. September 1967 auch Albertz die Konsequenz: „Meine Versuche, einen arbeitsfähigen Senat zu erhalten, sind gescheitert. Im Interesse der Stadt und ihrer Bürger habe ich mein Amt als Regierender Bürgermeister zur Verfügung gestellt“ – so begründete er vor der Presse seinen Entschluss. Albertz kehrte 1971 in seinen alten Beruf zurück: Pfarrer in Neukölln und Schlachtensee. 1975 machte er erneut Schlagzeilen, als er im Rahmen der Lorenz-Entführung die von der Bewegung 2. Juni freigepressten Häftlinge nach Aden begleitete. Später engagierte er sich in der Friedensbewegung.

"Ich bin morgen Abend noch Regierender Bürgermeister"

Noch dreieinhalb Monate als Regierender billigt Wowereit sich zu, Albertz’ Nachfolger Klaus Schütz hatte es, als es eng wurde, weitaus eiliger: „Ich bin morgen Abend noch Regierender Bürgermeister, auch über das Wochenende und vielleicht noch länger“, ließ er am 28. April 1977 wissen. Viel länger aber nicht: Am 2. Mai wurde als Nachfolger Dietrich Stobbe gewählt. Schütz war, obwohl ihm persönlich nichts vorgeworfen werden konnte, der Zustand der Berliner SPD zum Verhängnis geworden, die durch die lange Zeit an der Macht allzu verwöhnt war. Flügelkämpfe und Filzokratie prägten ihr Bild in der Öffentlichkeit, dazu Skandale wie der um zunächst nicht an die Landeskasse abgeführte Aufsichtsratstantiemen seines Parteifreundes und Innensenators Kurt Neubauer. All dies mündete in eine Senatskrise, aus der man nur durch einen personellen Neuanfang entkommen zu können glaubte. Noch im selben Jahr fand Schütz eine neue Aufgabe – als Botschafter in Israel. 1981 wurde er Intendant der Deutschen Welle in Köln, sechs Jahre später Direktor der neuen Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen.

Auf Dauer gelang der Neustart auch unter Stobbe nicht. Ihn erwischte es im Zuge der Garski-Affäre: Der Berliner Bauunternehmer, Dietrich Garski, ausgestattet mit einer üppigen Senatsbürgschaft, hatte sich mit saudi-arabischen Immobilien verspekuliert und wurde Ende 1980 zahlungsunfähig. Eine Senatskrise war die Folge, eine Regierungsumbildung scheiterte: In der Abstimmung am 15. Januar 1981 fielen vier SPD-Kandidaten für Senatorenämter durch – Stobbe warf das Handtuch. Im selben Jahr übernahm er die Leitung des New Yorker Büros der Friedrich-EbertStiftung, wurde später Bundestagsabgeordneter und ging 1991 als Berater in die Wirtschaft.

Auch im Magistrat gab es einen Rücktritt: Von den Fraktionen gedrängt, übernahm Oberbürgermeister Erhard Krack im Februar 1990 als ehemaliger Vorsitzender der Ost-Berliner Wahlkommission die Verantwortung für die Fälschungen bei den Kommunalwahlen 1989.

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