Wohnungsmarkt in Berlin: Klage gegen landeseigenes Unternehmen wegen Zweckentfremdung
Das landeseigene Unternehmen Berlinovo vermietet möblierte Wohnungen zu Maximalpreisen. Dagegen klagte Covivio – und scheiterte.
Immer mehr Berliner Wohnungen werden möbliert angeboten, buchbar mit wenigen Klicks auf neuen Online-Plattformen. Die Mietpreisbremse gilt dann nicht. Was steckt dahinter? Im Rahmen von „Wem gehört Berlin?” haben wir uns auf dem neuen Markt genauer umgeschaut. Teil 1 erzählte, wie das System funktioniert – und wer davon betroffen ist. In Teil 2 geht es um den größten Betreiber möblierter Wohnungen in Berlin - die Stadt selbst. Und darum, wie einer der größten Immobilienkonzerne Europas dagegen klagt.
Die Vermietung möblierter Wohnungen auf Zeit ist lukrativ. Nicht nur über Airbnb als Ferienwohnungen, was die Stadt mit dem Zweckentfremdungsverbot verhindern wollte. Manche Gäste wollen länger bleiben. Und sind bereit zu zahlen, was der Markt hergibt. Weil die Mietpreisbremse bei möblierten Wohnungen nicht greift und die Zahl freier Wohnungen klein ist, werden in dieser Nische sehr gute Geschäfte gemacht. Berlin ist ganz vorne mit dabei. Über die „Berlinovo“ ist das Land sogar der größte Anbieter von eingerichteten Apartments.
Die „Berlinovo“ kann also unter der Ägide des sozialdemokratischen Finanzsenators Matthias Kollatz ebenfalls Maximalpreise verlangen. Weder muss sie einen Teil ihrer 6500 möblierten Wohnungen an finanziell schlechter gestellte Haushalte vermieten, noch werden ihre Mieten gedeckelt. Die Berlinovo ist in der Berliner Immobilienwirtschaft eine Ausnahmeerscheinung. Ein Novum in Berlin eben. Sie ist auch nicht Teil des Mietenbündnisses, in dem die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen 2012 verpflichtet wurden, ihren Mietern ein Leben ohne zu hohe Mieten zu bescheren.
16 Quadratmeter große Studentenapartments an der Storkower Straße kosten bei der Berlinovo 340 Euro, also 21,25 Euro pro Quadratmeter warm. In der Anlage Fischerinsel wird exakt dasselbe genommen. 68 Quadratmeter ab 1445 Euro - zuzüglich wöchentlicher und Endreinigung sowie Bettwäschewechsel.
Hoher Gewinn durch Vermietung und Immobilienverkäufe
Im Geschäftsjahr 2017 erzielte die Berlinovo so einen Gewinn von 255,4 Millionen Euro. Er resultiert nicht nur aus Vermietungen, sondern auch aus Immobilienverkäufen. Laut Berlinovo-Angaben hatte man Ende 2018 rund 23.500 Mieteinheiten im Bestand, darunter rund 15.000 Wohnungen und 1800 Gewerbeeinheiten. „Insgesamt sind wir mit der Entwicklung der Berlinovo im Jahr 2017 sehr zufrieden“, schrieb der Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Kollatz anlässlich der Geschäftszahlen. Dieser Befund wird nicht von allen Beteiligten geteilt.
Die Häuser mietet die Berlinovo Apartment meist im Rahmen langfristiger Generalmietverträge von diversen Fondsgesellschaften, heißt es im zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht 2017.
Doch ausgerechnet eine dieser Fondsgesellschaften versucht seit 2018, die Berlinovo zu verklagen. Der Vorwurf: Zweckentfremdung. Kläger ist Covivio, eines der größten Immobilienunternehmen in Europa. Covivio möchte den Vertrag über ein Apartmenthaus auf der Fischerinsel mit 117 Einheiten kündigen. Ein Betrieb der Immobilie als „Boardinghouse“ sei nicht vereinbart gewesen. Berlinovo kämpft gegen diese Klassifizierung und bestreitet das.
Angemietete Wohnung eigentlich Hotels?
Das Berliner Landgericht sollte nun klären, ob sich Berlinovo an den Vertrag hält, die angemieteten Wohnungen nicht in einem hotelähnlichen Betrieb zu vermieten. Die Zweifel dürften berechtigt sein, wirbt die Berlinovo doch über das Portal central-home.de für das „Wohnen auf Zeit in der Bundeshauptstadt“, im Idealfall in dem „neuen 2003 fertig gestellten Apartmenthaus“ auf der Fischerinsel. Damit nicht genug. „Im direkt benachbarten Vier-Sterne-Hotel bieten wir Ihnen Frühstück und Fitnessangebote zu besonderen Konditionen an.“
Weitere Einblicke in die Covivio-Anlage auf der Fischerinsel 13-16 bekommt man auf der Berlinovo-Webseite. Hier ist eine aufgeräumte 2-Zimmer-Suite zu sehen, Werbespruch: „Wohnsinnig Berlin. Möbliertes Wohnen auf Zeit. Für eine Stadt, die Bauten im Handumdrehen hochzieht.“ Als Services werden das Münz-Waschcenter, der Reinigungs- und Wäscheservice sowie ein 24h-Check-in offeriert.
In einem Schriftsatz, der dem Tagesspiegel vorliegt, wehrt sich Berlinovo gegen den naheliegenden Verdacht, dass sie aus dem Covivio-Apartment-Haus einen Beherbergungsbetrieb gemacht habe. Die Berlinovo-Anwälte argumentieren: „Die Beklagte bietet (…) über die – einer möblierten Wohnung entsprechende – Ausstattung mit Bett-, Tisch- und Badwäsche hinaus keine der für einen Beherbergungsbetrieb typischen Serviceleistungen (…).“ Die Berlinovo-Anwälte wollen Covivio aber keine Untermietverträge zeigen.
Berlinovo-Sprecher Ulrich Kaliner sagt auf Anfrage: „Das Segment ,Temporäres Wohnen‘ entwickelt sich weiterhin positiv und sorgt zusätzlich auch für eine Entlastung des Wohnungsmarktes in Berlin.“ Der Fokus liege weiterhin auf der Errichtung von preiswerten Wohnangeboten für Studenten sowie auf der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften. Die Berlinovo wurde ursprünglich 2012 gegründet, um die Schulden des Berliner Bankenskandals von 2001 abzubauen und die daraus übernommenen Fonds zu managen. Hier ist die Firma offenbar vorangekommen. „Wir planen, die Garantien, die das Land Berlin in die Bad Bank der Bankgesellschaft Berlin hat, zurückzugeben", sagt Finanzsenator Matthias Kollatz dem Tagesspiegel.
Dafür müssten hohe Finanzgarantien, für die Berlin einst bürgte, abgelöst werden. Anfang Februar wurden die ersten Kreditverträge zur Umfinanzierung unterzeichnet, meldete Berlinovo. Das Unternehmen müsse sich deutlich verkleinern, hieß es vor einem Jahr. Die Führungsspitze musste schon einmal gehen.
Im Koalitionsvertrag ist festgelegt, dass die Berlinovo rekommunalisiert werden soll. Kollatz sagt, Berlinovo werde „noch eine Weile“ von den städtischen Wohnungsgesellschaften getrennt bleiben. Die Fondsstrukturen seien nicht wünschenswert für eine normale kommunale Gesellschaft.
Richtig sei aber, „dass wir die Berlinovo für Neubauaktivitäten gewinnen wollen“, sagt Kollatz. Zu welchem Preis die Wohnungen dann vermietet werden, ist eine andere Frage. Das Landgericht hat die Klage gegen das Landesunternehmen nun abgewiesen. „Weitere rechtliche Schritte“ behalte man sich vor, heißt es auf Anfrage bei Covivio.