Schulen in Berlin: Kind von AfD-Politiker abgelehnt - Berliner Waldorfschule in der Kritik
Eine Berliner Waldorfschule lehnt das Kind eines AfD-Politikers ab. Nun hagelt es Vorwürfe. Und die Privatschule steht zunehmend isoliert da.
Nach der Ablehnung eines Kindes wegen der politischen Tätigkeit seines Vaters für die AfD ist die betreffende Waldorfschule zunehmend isoliert. Auch am Montag rührte sich – abgesehen von Kommentatoren im Netz – kaum jemand zur Verteidigung der Schule. Nicht einmal Waldorf-Vertreter stellten sich hinter die kritisierte Schule.
„Menschen aller politischen Einstellungen sollten ihre Kinder auf Waldorfschulen schicken können“, sagte der Sprecher der Waldorfschulen Berlin-Brandenburg, Detlef Hardorp, auf Anfrage. Er erinnerte an die „Stuttgarter Erklärung“ der Waldorfschulen von 2007, in der „ausdrücklich“ festgestellt worden sei, dass Waldorfschulen alle Menschen als frei und gleich an Würde und Rechten ansehen – „unabhängig von ethnischer Zugehörigkeit, nationaler oder sozialer Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung“.
Die Bildungssenatorin hat bereits die Schulaufsicht eingeschaltet
Ähnlich äußerte sich der Vorstandssprecher im Bund der Freien Waldorfschulen, Henning Kullak-Ublick. Auch er sagte mit Hinweis auf die Stuttgarter Erklärung, dass Waldorfschulen „grundsätzlich allen Kindern offenstehen“. Zwar verantwortet die Schule ihre Entscheidung als eigenständige Schule selbst. Der Bund nehme das aktuelle Geschehen aber „zum Anlass, die sich darin ausdrückende gesellschaftliche Debatte in unseren Gremien zu reflektieren und daraus Erkenntnisse für den Umgang mit vergleichbaren Kontroversen innerhalb unserer Schulen zu gewinnen“.
Das wird wohl ohnehin vonnöten sein: Wie berichtet hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bereits die Schulaufsicht eingeschaltet und dort eine rechtliche Prüfung beauftragt: „Ich halte es für sehr problematisch, dass ein Kind für das politische Engagement seiner Eltern verantwortlich gemacht wird. Es geht im Schulsystem darum, dass sich Kinder zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln können. Ich lasse mir den Fall erläutern“, kündigte die Senatorin am Montag an.
„Egal wie wir entschieden hätten, wären wir Vorwürfen ausgesetzt gewesen“
Der Geschäftsführer der betreffenden Schule zeigte sich am Montag überrascht von den harschen Reaktionen. Er betonte, dass die Stuttgarter Erklärung ursprünglich „zu einem ganz anderen Zweck gemacht“ worden sei. Damals sei es um die immer wiederkehrenden Vorwürfe gegangen, dass die Waldorfschulen durch ihre Historie mit NS-Gedankengut verwoben seien. Dagegen habe man sich mit der Stuttgarter Erklärung stellen wollen. Im Übrigen hänge diese Erklärung auch in der betreffenden Waldorfschule aus, deren Name nicht genannt werden soll, um die Anonymität des betreffenden Kindes zu wahren.
„Egal wie wir entschieden hätten, wären wir Vorwürfen ausgesetzt gewesen“, lautet die Einschätzung des Geschäftsführer. Er begründete die Entscheidung, die „von den Lehrern“ getroffen worden sei, auch damit, dass es an den Waldorfschulen ganz besonders um eine „Erziehungspartnerschaft“ mit den Eltern gehe. Das habe gegen die Aufnahme des Kindes gesprochen. Im Übrigen hob er gegenüber dem Tagesspiegel hervor, dass die Schule sich entschieden habe, mit offenen Karten zu spielen, anstatt sich einen „schlanken Fuß zu machen“.
Die Schule hätte das Kind auch wegen der hohen Nachfrage ablehnen können
Tatsächlich wäre es für die Schule ein Leichtes gewesen, sich der Kritik zu entziehen, denn sie hat nach eigenen Angaben 140 Anmeldungen für 30 Plätze. Anders ausgedrückt: Man hätte das betreffende Kind auch mit Hinweis auf die hohe Nachfrage ablehnen können, ohne die jetzt ausgebrochene Diskussion führen zu müssen.
Detlef Hardorp von der Berlin-Brandenburgischen Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen bestätigte, dass generell auch grundlose Ablehnungen möglich seien. Wenn man 140 Anmeldungen auf 30 Plätze habe, sei kaum zu erwarten, dass die Schule 110 Ablehnungsbegründungen schreibe. Zudem seien Waldorfschulen selbstverwaltete Einheiten. Entscheidend sei, dass Eltern hinter der Pädagogik der Schule stünden. Die betreffende Schule habe nun mal entschieden, „sehr offen und ehrlich mit der Problematik umzugehen“, anstatt sich zu „verstecken“. Eine Konsequenz sei „das große und sehr kritische Medienecho“, mit dem sie jetzt umgehen müsse, sagte Hardorp.
Die Aufnahme war schon vor zwei Jahren strittig
Der Sprecher wies zudem darauf hin, dass der politische Hintergrund des betreffenden Vaters schon vor zwei Jahren Thema war, als es um die Aufnahme seines Kindes in den Waldorf-Kindergarten ging. Damals habe er, Hardorp, der Schule geschrieben: „Die AfD setzt auf Ausgrenzung. Wir müssen uns in Hut nehmen, nicht das mit ihnen zu tun - und schon gar nicht mit ihren Kindern.“ Das sehe er heute nicht anders, ergänzte Hardorp gegenüber dem Tagesspiegel am Montag.
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