Getränke Hoffmann: "Kiezig und authentisch" statt kiezig und authentisch
Der Getränke Hoffmann am Eck heißt plötzlich „Mein Hoffi“ und macht auf kiezig-authentisch. Schade, bis dahin war er’s einfach. Eine Polemik.
Berlin ist eine durstige Stadt. Kaum eine andere hat eine solche Auswahl an Geschäften, die da Abhilfe schaffen wollen: von Supermärkten über Spätis bis zu den in Berlin erfundenen Getränkemärkten. Der älteste von ihnen ist Getränke Hoffmann – gerade hat die Firma ihren 50. Geburtstag gefeiert. 119 Filialen in Berlin, kein großer, böser Weltkonzern, sondern sympathisch, freundlich, einfach kiezig. Dass Hoffmann heute zur Dr. August Oetker KG gehört – wer weiß das schon von den Pfandsammlern und Beletagisten, den Sterni-Säufern und Sektschlürfern, die hier aufeinander treffen?
Viele Berliner haben ihren Stammgetränkemarkt, weil er nah ist oder weil man die Gesichter dort kennt. Auch bei mir ist das so. Keine fünf Minuten Fußweg von meinem Zuhause, an der Ecke, wo vor Silvester noch „mein“ Getränke Hoffmann war, residiert jetzt, holzvertäfelt und mit Craft Beer und freshen Sandwiches im Wandkühlschrank: „Mein Hoffi im Graefekiez“.
Ich verstehe: Hier möchte jemand Kiezgeschäft sein, Nachbarschaftlichkeit vermitteln: Auf ein lockeres Geplauder übers Wetter beim Bierkaufen in „meinem Hoffi“. Dann noch rüber zum „E Markt“, der zwar dieselben Farben wie Edeka hat, Edeka-Eigenmarken verkauft und auch sonst sehr wie ein enger Edeka wirkt – aber nicht auf der Konzernwebsite zu finden ist. Auch „Mein Hoffi“ taucht nicht mehr im Filialfinder von Getränke Hoffmann auf.
Ein historisches Bild mit zeitgenössischen Farben
Es ist heute üblich, sich wieder auf die Nachbarschaft zu besinnen, wie sie früher war – oder wie man sie sich vorstellt. Denn das schöne Damals hat ja meist stattgefunden, bevor man selbst im Kiez gewohnt hat. Allzu oft wird das historische Bild mit zeitgenössischen Farben gemalt. Und wirkt im Versuch, authentisch zu sein, unauthentischer denn je: Wo die ursprüngliche Kiez-Infrastruktur verdrängt wurde, legt man eine künstliche, schablonenhafte darüber.
Der Anblick von Mein Hoffi schmerzt. War denn Getränke Hoffmann nicht das Authentischste, was Berlin so hatte? Vielleicht neben Zapf-Umzugslastern und dem vergilbten Weiß-Blau-Rot der Ullrich-Supermärkte? Aus einem sympathischen Nachbarschaftsladen ist ein „sympathischer Nachbarschaftsladen“ geworden. Er behauptet eine Kiezigkeit, die der alte Laden einfach geatmet hat. Über der Patina glänzt jetzt patinafarbener Lack.
Wie aus einem Marketing-Handbuch
Es wirkt wie aus dem Vermarkterhandbuch. Als hätte eine creative agency eine retail strategy gepitcht, wo ein sportlich-salopp frisierter Berater vor seiner Keynote-Präsentation eine staunende Getränke-Hoffmann-Delegation fragt: Wisst ihr, was die Leute geil finden? Authentizität! Er macht eine Kunstpause, klickt mit der Zunge und macht Pistolenhände: Hoffi! Die lieben das doch, die Berliner, das mit den Spitznamen: Kotti, Görli, Alex.
Schwierig, das mit den Kosenamen. Da gibt es die echten (Alex) und die falschen (Langer Lulatsch). Es gibt die, die ihre Langform nahezu abgelöst haben (Ku’damm). Und dann gibt es eben noch die Abkürzungen, die sich Menschen ausdenken, um szenig und frisch zu klingen. Kommt nach Kotti, Görli und Schlesi noch die Warschi? Oder in die andere Richtung der U1 die Prinzi, das Halli und die Möcki? Schonmal jemanden Potsi sagen hören? Ich ja. War nicht gut.
Hoffi ist nicht mal eine gängige Abkürzung für Hoffmann
Hoffi ist die Warschi unter den Geschäftsabkürzungen. KaDeWe: okay. Späti: klar. Mein Hoffi … sagt das irgendwer? Es ist ja nicht mal eine gängige Kurzform. Hat jemals jemand André Hoffmann von Hannover 96 Andi Hoffi genannt. Was ist mit E.T.A. Hoffi? Hugo von Hoffital? Philipp Seymour Hoffi?
Ob Firmengründer Hubi Hoffi das gutheißen würde? Ich zumindest kann nicht „Hoffi“ sagen und Hoffmann meinen, ohne mich ein wenig zu schütteln. Trotzdem werde ich weiterhin dort einkaufen. Er ist einfach am nächsten dran. Ein echter Kiezvorteil. Denn: Als Hoffmann schließen musste, damit Hoffi geboren werden konnte, musste ich – ick koof dann mal bei Lehmann – eine Zeitlang Getränkekisten doppelt so weit schleppen. Von und zur Konkurenz, die – wenn meine Informationen aus der Marketing-Szene stimmen – demnächst „Mein Lehmi“ heißen müsste.