Was Behinderte jetzt wirklich brauchen: „Keinen Bock auf Sterben“
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Aktivist Raul Krauthausen sprechen über Corona und die Folgen für Hochrisikogruppen.
Ob das alte Schloss Bellevue wirklich ganz barrierefrei ist? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier will das lieber nicht garantieren.
Im Instagram-Gespräch #miteinander mit dem Inklusions-Aktivisten Raul Krauthausen sagt er sicher zu, dass das in den 1990er Jahren gebaute Bundespräsidialamt nebenan diese Kriterien erfüllt. „Wir können ja mal gemeinsam schauen, ob es im Schloss noch Ecken gibt, die nicht rollstuhlgerecht sind“, bietet Steinmeier an. Worauf der Aktivist lässig sagt: „Ich komm’ gerne mal auf einen Karottensaft vorbei.“
Vorwiegend geht es aber um Sorgen, die allein lebende Behinderte haben. Passen die Assistenten in ihrem Alltag genug auf, sich nicht anzustecken? Halten sie sich genau an die Regeln? Krauthausen berichtet von großer Verunsicherung bei Menschen, die Hochrisikogruppen angehören, aber allein leben. Diese würden nicht in gleicher Weise gesehen, wie die vulnerablen Gruppen, die in Einrichtungen wohnen, wüssten zum Teil auch gar nicht, wann sie mit dem Impfen dran sind und wie sie mit den Behörden kommunizieren sollen.
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Unter #risikogruppe ruft er im Internet zu Geduld und Disziplin auf. „Denkt ihr, wir sind kettenrauchende Todkranke?“, fragt er provozierend. „Falsch! Wir gehen genauso gerne in Clubs wie andere auch. Worauf wir keinen Bock haben: Sterben!“
Sehnsucht nach Normalität
Der Bundespräsident, der dem Format entsprechend auf dem Smartphone locker im Pulli und offenen Hemd an dem Gespräch teilnimmt, kommt auch auf das Thema Impfskepsis zu sprechen. Für sich und seinen Bekanntenkreis kann Krauthausen sie verneinen. Die Sehnsucht, möglichst schnell zurück zur Normalität zu finden, sei zu groß. Eine gute Entwicklung der Krise sieht der Aktivist in dem wachsenden Bewusstsein dafür, was alles digital möglich ist. Menschen mit Behinderungen sind oft in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Jetzt wird vielen anderen klar, dass man auch aus der Ferne arbeiten, studieren und Behördengänge erledigen kann.
Auch nach Krauthausens Wünschen für die Zukunft fragt Steinmeier. Da steht die Aufmerksamkeit für Menschen mit Behinderung, die nicht in Institutionen leben, ganz oben. Aber auch mehr Barrierefreiheit zählt dazu, also eine Stadtgesellschaft mit möglichst wenig Treppen und auch Kommunikationshindernissen. In anderen Ländern etwa sei der Einsatz von Gebärdendolmetschern viel selbstverständlicher als hier, sagt Krauthausen. Das solle mehr werden, verspricht der Bundespräsident. „Wir sind dran.“
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