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Berlin: Keine Lust auf alte Sträuße

Henkels CDU muss um ihr mühsam erneuertes Image bangen. Sie befürchtet Nebenwirkungen der Affäre Braun.

Nun hat Frank Henkel drei neue Aufgaben: Innensenator muss er sein, einen neuen Justizsenator oder eine -senatorin muss er finden – und nebenbei sollte er einen Imageschaden beheben. Nicht bloß die Opposition sieht dieser Tage hinter dem frischen Eindruck, den Henkels CDU im Wahlkampf und danach machte, alte Strukturen durchschimmern. Da werden Politik und Immobilien miteinander in Verbindung gebracht, von Beton ist die Rede – und wieder dem Bankenskandal mitsamt der Verwicklung führender CDU-Politiker.

Die Mischung aus alten Geschichten, Vorurteilen und dem Abgang des Justizsenators Michael Braun beschäftigt die Parteifreunde, zum Ärgernis für Henkel und seine erneuerte CDU. Es gab durchaus schon zu Beginn der Schrottimmobilien-Affäre wichtige Leute in der Berliner Union, die ahnten, mit welchen Klischees man nun wieder konfrontiert werden würde. Die sagten am Dienstag nach Brauns Rücktritt, bei allem Mitgefühl seien sie „froh, dass es so gekommen ist“. Zumal vor allem West-Berliner CDU-Leute sich noch daran erinnern, wie lange die Partei kollektiv für die politischen Verfehlungen einiger weniger in moralische Haftung genommen wurde. Erst im Wahlkampf 2011 war davon kaum noch etwas zu merken. Da schaffte es Henkel, zum Beispiel über das neue, per Publikumsbeteiligung erstellte Programm zu zeigen, dass in der CDU frische Kräfte am Werk waren.

Was zutrifft. Da mögen ein paar Grüne, dem heftigen internen Streit um die Vormacht in der Fraktion knapp entkommen, CDU-Gespenster auf der politischen Bühne sehen. Tatsächlich hat Henkel die Führung der Berliner CDU neu aufgestellt. Seine wichtigsten Berater sind bürgerlich-liberale Politiker wie Monika Grütters und Thomas Heilmann. Henkel hat mit Burkard Dregger ein Vorstandsmitglied gewonnen, das alten West-Berliner Strukturen denkbar fern war. Und auch wenn Mit-Vorstand Frank Steffel bei der politischen Konkurrenz immer noch für Aversionen und bissige Bemerkungen gut ist: Es war eben Steffel, der 2001, gerade ein Jahr nach dem Parteispenden- und Bankenskandal, sein Gesicht für einen Neuanfang hinhielt – und für sein Parteisoldatentum von den Wählern brutal bestraft wurde.

Mit der Fraktion ist es genauso. Henkel hat sie drei Jahre geführt – neuerdings sind ziemlich junge Leute im Amt: Florian Graf als Fraktionsvorsitzender, Stefan Evers und Dirk Stettner als Stellvertreter – Leute, die von Alter und Herkunft her mit der Beton-Fraktion der Berliner CDU nichts zu tun haben.

Manche haben deshalb auch eine andere Perspektive auf den schnellen Abgang von Michael Braun. Da gibt es Bedauern über den Rücktritt, verbunden mit dem Hinweis, Braun hätte keinerlei Probleme bekommen, wäre er zum Beispiel Kultursenator geworden. Erinnert wird auch daran, dass Braun durchaus einer der Bürgerlich-Liberalen in der CDU-Führung war, ein Mitstreiter bei Henkels Erneuerungsbemühungen. Dass er für „die alte CDU“ gestanden habe, entspreche nicht den Tatsachen, sagen jüngere Unions-Politiker. Und diese Jüngeren hören auch andere Kommentare als die der grünen Fraktionschefin Ramona Pop. Sie hatte sich zu Beginn der Schrottimmobilienaffäre in die Zeit des Untergangs der schwarz-roten Koalition 2000/2001 zurückversetzt gefühlt. Leute wie Dirk Stettner, Kreischef der Pankower CDU, sagen nach Gesprächen in den vergangen Tagen: „Die Wahrnehmung der Berliner ist nicht, dass die alte West-Berliner CDU auferstanden ist.“ Die Leute sagten viel mehr: „Macht einfach euren Job.“

Was zumindest für Frank Henkel in Zukunft nicht leichter wird. Eine vierte Aufgabe neben den drei eingangs genannten dürfte bald auf den obersten Berliner CDU-Mann zukommen: Reparaturarbeiten an der Architektur der Berliner CDU könnten nötig werden. Brauns Abgang nämlich könnte – je nachdem, wie Braun mit der Krise umgeht – die sorgsam austarierte Machtverteilung in der CDU irritieren. Der zweitstärkste Mann nach Henkel, der – nach allem, was man hörte – sich nach dem Amt des Justizsenators nicht gedrängt hatte, der wohl lieber Fraktionschef geworden wäre, ist jetzt nur noch einfacher Abgeordneter. Einer der Organisatoren des CDU-Wiederaufstiegs erlebt den politisch-persönlichen Abstieg: Das halten manche für die Voraussetzung dafür, dass eine neue „Chaotisierung des Landesverbandes“ bevorstehen könnte, sprich: ein Rückfall in Zeiten, als die zweite Führungsebene der Berliner CDU Einfluss-Streitereien betrieb, ohne sich um deren Außenwirkung zu kümmern.

Henkel kennt diese Zeiten und Kämpfchen aus Erfahrung. Er wird sie gewiss nicht abermals erleben wollen.

 Werner van Bebber

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