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Den Berliner Bezirken fehlt das Personal, um Flüchtlinge zu impfen und Sozialfälle zu betreuen.
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Berliner Gesundheitsdienst krankt: Kein Personal für nötige Polio-Impfungen für Flüchtlinge

Den Berliner Bezirken fehlt das Personal, um Flüchtlinge zu impfen und Sozialfälle zu betreuen. Der Sparkurs des Senats zwingt zu Kürzungen. Und dann ist da noch die Frage nach der Bezahlung.

Kehrt die Polio mit den Flüchtlingen etwa aus Syrien nach Berlin zurück? Das Robert-Koch-Institut empfiehlt die Untersuchung aller Flüchtlinge aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land sowie deren Impfung. Allerdings ist der Gesundheitsdienst in den Berliner Bezirken damit überfordert: Es fehlt an Personal. „Wir können das weder so schnell noch so umfassend leisten, wie es erforderlich wäre“, sagt die Gesundheitsstadträtin Sibyll Klotz (Grüne) aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Zusammen mit der Leiterin des Gesundheitsamts Charlottenburg-Wilmersdorf Claudia Kauhold sowie Vertretern der Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat sie am Mittwoch Alarm geschlagen: 417 Stellen sind im öffentlichen Gesundheitsdienst Berlins nicht besetzt – das ist rund ein Viertel aller Beschäftigten im ganzen Bereich (1688).

Die Impfung von Flüchtlingen, die Überprüfung der Hygiene in den Berliner Krankenhäusern und Praxen, die medizinische Versorgung von Schwangeren ohne Krankenversicherung sowie die Betreuung psychisch Kranker zählen zu den Aufgaben der beim Land beschäftigten Ärzte und Sozialarbeiter. Der akute Personalmangel hat aber dazu geführt, dass die Gesundheitsämter sogar teilweise gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben nicht mehr durchführen können. Von einer „bedrohlichen Situation“ spricht Bezirksstadträtin Klotz und davon, dass der „öffentliche Gesundheitsdienst in den nächsten Jahren zusammenbrechen kann“, wenn nichts geschehe.

„Dem Gesundheitssenator ist die Lage sehr wohl bekannt“, sagte die Charlottenburg-Wilmersdorfer Gesundheitsamts-Chefin Kauhold. Mario Czaja (CDU) habe sich zwar auch dafür eingesetzt, dass die Gesundheitsämter von der laufenden Sparwelle in den Bezirken ausgenommen werden. Durchsetzen konnte er sich damit im Senat aber nicht.

Nun drohe sich die Lage auch noch zusätzlich zu verschärfen. Denn bis zum Jahr 2016 soll die Zahl der Stellen in den Berliner Bezirken auf 20 000 begrenzt werden. Statt die Personalnot im Gesundheitsbereich zu begegnen, könnte der Sparkurs sie noch verschärfen. „Es ist absurd, dass gekürzt wird ohne Rücksicht darauf, welche Aufgaben gesetzlich zu leisten sind“, sagte Gesundheitsstadträtin Klotz.

Ärzte im öffentlichen Dienst verdienen knapp 1000 Euro weniger

Dass nicht einmal wenigstens jene Stellen besetzt werden, die es zurzeit noch gibt, ist ebenfalls dem Spardiktat im öffentlichen Dienst zu schulden. Denn die Bezahlung der Ärzte ist schlecht und entspricht nicht den Standards in dem Beruf. Kauhold berichtet von Stellenausschreibungen, „auf die wir keine einzige Bewerbung bekommen haben“. Vor allem Ärzte lassen sich für die wichtige Betreuung der gesellschaftlichen Randgruppen kaum noch gewinnen. Denn sie verdienen im öffentlichen Dienst knapp 1000 Euro weniger, als sie in gleicher Funktion in einem Krankenhaus etwa des Vivantes-Konzerns erhalten würden, sagt Peter Bobbert, Vorsitzender des Marburger Bundes in Berlin.

Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit Constance Frey bestätigte auf Anfrage die Personalnot im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) der Bezirke, sprach aber von nur rund 300 fehlenden Stellen. Die „Einstiegsvergütung“ sei nach Verhandlungen mit der Senatsverwaltung für Finanzen angehoben worden. Dennoch sei die Bezahlung der Ärzte „etwas schlechter als in Kliniken“Im ÖGD gebe es aber „familienfreundliche Teilzeitmodelle“.

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