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Was will das Volk? Der Bezirk Mitte hat seine Bürger gefragt. Die können sich viel vorstellen, zum Beispiel ein Amphitheater vor dem Roten Rathaus.
© Imago

Dialog über historische Mitte in Berlin: Kein Kommerz und ein Amphitheater vor dem Roten Rathaus

Der zweite Teil der Ideensammlung „Alte Mitte, neue Liebe?“ ist abgeschlossen. Lesen Sie hier, was sich die Berliner für ihr Zentrum wünschen.

Die öffentliche Debatte über die Zukunft des historischen Berliner Stadtzentrums nähert sich ihrem Finale. Der Online-Dialog „Alte Mitte - Neue Liebe“ ging am Donnerstagabend zu Ende. Diskutiert worden war über die Zukunft der historischen Mitte. Für die 14 Hektar zwischen Fernsehturm und Spree, zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus gibt es die gegensätzlichsten Vorstellungen, so träumte Hans Kollhoff, der wohl bekannteste Berliner Architekt, am Alexanderplatz schon von Hochhäusern von "New Yorker Dimensionen". Der Online-Dialog ist Teil eines Dialogprozesses, in dem nun mit Bürgern diskutiert werden soll, wie sich Berliner ihre Mitte vorstellen. In den vergangenen Monaten fanden immer wieder Fachkolloquien, Bürgerwerkstätten und offene Diskussionsrunden statt.

Baden in der Spree und Eislaufen unterm Fernsehturm

Ein Ort für Kultur und Kunst, für Politik und Demokratie, ohne Kommerz oder für die Geschichte? Unter den Bürgern, die sich an der Onlinedebatte beteiligten, bildeten sich zwei Gruppen heraus: Diejenigen die den Ort nichtkommerziell nutzen wollen und baulichen Veränderungen kritisch gegenüberstehen – und jene, die die Altstadt wieder aufleben lassen möchten. Die Vorschläge reichten von einer grünen Meile von Tiergarten bis Friedrichshain, über ein Amphitheater vor dem Roten Rathaus, bis hin zu einer einer neuen Eislauffläche und einer öffentlichen Badestelle an der Spree. Die Fülle an Einzelinteressen muss nun erstmal einmal ausgewertet werden. Die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt beauftragte Agentur Zebralog soll die konsensfähigen Ideen herausfiltern. „Darauf wird dann ein Vorschlag für das Abgeordnetenhaus ausgearbeitet“, sagt Pressesprecherin Petra Rohland. Ob dies jedoch überhaupt möglich ist, bleibt fraglich.

Grüne kritisieren das Verfahren

Antje Kapek, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, sieht das kritisch. „Ich befürchte, dass dabei nichts herauskommen wird“, sagt sie, die selbst einige der Veranstaltungen des Dialogprozesses besucht hat. Es habe von Anfang an die Gefahr bestanden, in die „Tempelhof-Falle“ zu tappen. Denn auch wenn Ziel des Bürgerdialogs war, darüber zu diskutieren, wie der Ort zukünftig genutzt werden soll, beschränkte sich auch die Onlinedebatte schnell auf die Gretchen-Frage, Bebauung oder keine Bebauung? Kapek vermutet daher, dass die Gräben auch nach dem Dialog bestehen werden. Kritik am Verfahren kommt auch vom Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin. Unklar sei, sei wie man aus den Partikularinteressen ein Gesamtbild machen solle, sagt Pressesprecher Jörg Brause. Grundsätzlich befürwortet der Verein ein Beteiligungsverfahren. Allerdings bliebe die Frage, welcher Kreis an Menschen erreicht wird. „Das Verfahren ist nicht repräsentativ“, so Brause. Anwohner sind stärker vertreten, dabei sei das Herz Berlins „für jeden Berliner ein zentraler Platz“. Petra Rohland sieht in dem Dialogformat trotzdem viele Vorteile gegenüber einer Umfrage. „Die Leute wollen nicht einfach ja oder nein ankreuzen, sondern offen diskutieren“, sagt sie.

Dialog mit Bürgern muss weitergehen

Eine Bürgerbeteiligung in diesem Umfang ist ein Experiment für Berlin. Dabei gehe es auch darum, die Menschen zu Wort kommen zu lassen, die sich sonst nicht äußern, so Rohland. Die Resultate des Dialogs werden in noch folgende Veranstaltungen, wie zwei Fachkolloquien und eine Bürgerwerkstatt einfließen. Doch am Ende fällt die Entscheidung im Abgeordnetenhaus. Hier hat man die Debatte der Bürger in den vergangenen Monaten genau beobachtet. Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, spricht anders als seine Kollegin Kapek von einem „großen Konsens zwischen den Debattenteilnehmern“. Allen sei an einer öffentlichen Nutzung des Raumes, an einem besseren Zugang zur Spree und einem Ort für erlebbare Geschichte gelegen. Er wünsche sich auch bei den folgenden Schritten, wie dem internationalen städtebaulichen Wettbewerb, größtmögliche Transparenz. Genau wie Katrin Lompscher von den Linken kann er sich ein Begleitgremium aus Bürgern vorstellen, dass das Projekt Mitte offen hält für die Bürger. „Die große Frage ist, wie wir Beteiligungsangebote verstetigen“, sagt Lompscher. Und um eine langfristige Lösung zu finden, sei es „wichtig Kampfzonen aufzugeben.“

Fraktionen haben auch eigene Ideen

Auch wenn die stadtentwicklungspolitischen Sprecher aller Fraktionen betonen, dass man sich in der Pflicht sehe, den Wünschen der Bürger zu folgen, so hat doch auch jede Partei ihre eigene Vorstellung von der Gestaltung des Raumes. Die Grünen wünschen sich bessere Aufenthaltsqualität und einen Anlaufpunkt für Touristen, die CDU glaubt, dass der Ort sich, wenn nötig auch baulich, verändern muss, die Linke spricht sich für eine öffentliche Nutzung und eine stärkere städtische Nutzung aus und der SPD sind die Grünflächen wichtig. Bis etwas davon konkret umgesetzt werden könnte, wird es allerdings noch dauern. Und bis dahin bleiben Pirouetten auf dem Eis vor dem Fernsehturm oder Plantschen in der Spree nur ein schöner Traum.

Pascale Müller

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