Sieben erkrankte Babys: Keimbefall auf Frühchenstation der Charité: Ein Baby gestorben
Im Deutschen Herzzentrum Berlin ist ein Neugeborenes nach einer Herz-OP an einer Blutvergiftung gestorben. Ursache war eine Keiminfektion, die es sich offensichtlich in der Charité zugezogen hat. Derzeit sind sieben Säuglinge erkrankt. Jetzt hat sich auch Gesundheitssenator Czaja eingeschaltet.
Derzeit sind an der Charité in Wedding sieben Säuglinge an dem Serratien-Bakterium im Blut erkrankt. Auf der Frühchenstation gibt es jetzt einen Aufnahmestopp. Nach dem Auslöser der Infektion wird intensiv gesucht.
Der verstorbene Säugling war nach der Geburt wegen seines Herzfehlers zunächst auf die Neugeborenenstation des Virchow-Klinikums der Charité in Wedding gekommen und für die Operation ins nebenan gelegene Deutsche Herzzentrum verlegt worden, wie der Leiter der Stationen für Frühgeborene und kranke Neugeborene (Neonatologie) der Charité, Christoph Bührer, sagte. Fünf Tage nach der OP war das Neugeborene im Herzzentrum infolge einer Infektion mit Serratien-Keimen gestorben. Wie jetzt bekannt wurde, muss dies in der Woche zwischen dem 8. und 14. Oktober geschehen sein. Zum Todestag und dem Geschlecht machte die Charité keine Angaben.
Für den Tod des Babys ist damit eine Kombination zweier Faktoren ursächlich: Im Zuge der Herz-OP wurden Medikamente gegeben, die das Immunsystem unterdrücken. Deshalb hatte der Körper des Babys der Infektion durch Serratien noch weniger entgegenzusetzen, als es ohne die OP der Fall gewesen wäre. In der Folge verstarb das Kind.
Fünf Tage vor der Verlegung hatten die Mediziner bei einem Hautabstrich bei dem Baby keine Serratien gefunden. Nach dem Tod des Kindes wurde dann allerdings die Serratien-Keime im Blut nachgewiesen. Es sei wahrscheinlich, dass der Todesfall mit den Erkrankungen der Charité zusammenhänge, sagte Bührer. „Die Todesursache kann dem Keim zugeordnet werden“, sagte auch Ulrich Frei, Ärztlicher Direktor des Charité-Universitätsklinikums. Frei äußerte Beileid und größtes Bedauern.
In zwei der Weddinger Charité-Stationen liegen jetzt infizierte Frühgeborene in Quarantäne und, streng getrennt, nicht infizierte Babies, in den Inkubatoren. Auf der dritten Station in Wedding werden nicht infizierte Babys behandelt, aber derzeit keine neuen aufgenommen. An den beiden nicht betroffenen Stationen auf dem Campus Mitte werden Frühgeborene weiter aufgenommen. Statt rund 70 Plätze stehen derzeit nur 35 in der Charité bereit.
Die erkrankten Kinder, die nun noch behandelt werden, leiden beispielsweise an Blutvergiftung, Gehirnhautentzündung und Lungenentzündung, sind aber nach Angaben der Charité nicht in Lebensgefahr. Einige wurden bereits entlassen.
Serratien-Keime kommen überall in der Umwelt vor, in Böden, Wasser, Tieren und Pflanzen. Für gesunde Menschen mit funktionierendem Immunsystem sind die Bakterien ungefährlich. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, also auch bei Frühchen, können sie aber beispielsweise Harnwegsinfekte, Blutvergiftung oder Lungenentzündung hervorrufen.
Einen ersten Fall gab es Frei zufolge bereits im Juli. Damals hatte höchstwahrscheinlich eine mit Serratien infizierte Mutter das Bakterium an ihr Neugeborenes weitergegeben. Am 8. Oktober wurden zwei weitere Fälle bekannt, die laut Charité sofort dem Gesundheitsamt und dem Senat gemeldet wurden. Dann ging seit Donnerstag laut Frei mit sieben Erkrankten „die Welle hoch“. Charité-Sprecherin Stefanie Winde sagte am Sonnabend, sie gehe davon aus, dass alle sieben Kinder, die nun in Behandlung sind, schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Keim besiedelt waren. In der Tat ist dies möglich, denn es gibt keinen festen Zeitraum zwischen Besiedelung und Krankheitsausbruch - was schon die Tatsache zeigt, dass manche Kinder zwar von dem Keim besiedelt sind, bei ihnen aber trotzdem keine Krankheit ausbricht. Vielmehr kann eine Besiedelung schon unterschiedlich lang bestehen und genau dann zu einer Erkrankung führen, wenn das Immunsystem aus anderen Gründen geschwächt ist - was bei Frühgeborenen naturgemäß leicht der Fall sein kann. Winde sagte, man habe sich am 8. Oktober in Absprache mit den Amtsarzt und Behörden, darunter der Senatsverwaltung für Gesundheit, zunächst entschieden, nicht an die Öffentlichkeit zu gehen, da die Lage diesen Schritt nicht erforderlich gemacht habe. Sie wolle die Situation nicht bagatellisieren, Infektionen wie diese könnten grundsätzlich aber vorkommen. Auch habe man keine Panik schüren wollen. Nun jedoch, angesichts von sieben Erkrankungen, sei die Lage eine andere.
Berlins Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) sagte, er habe alle wichtigen Akteure an einen Tisch gebracht, nachdem die zuständigen Behörden den Eindruck gewonnen hätten, die Charité komme bei der Lösung der Probleme nicht weiter.
Seit Juli wurden bei 22 Säuglingen bei Hautabstrichen oder in den Windeln Serratien-Keime nachgewiesen. Bei sieben Mädchen und Jungen davon wurden die Erreger Bührer zufolge im Blut nachgewiesen – sie sind erkrankt. Anders als der multiresistente Klinikkeim ESBL, an dem in Bremen drei Neugeborene starben, sind Serratien-Infektionen mit Antibiotika gut zu behandeln.
Laut Charité-Hygieneexpertin Petra Gastmeier wurden etwa die Hälfte der Fälle in anderen Kliniken durch infizierte Reinigungslotionen ausgelöst, bei der anderen Hälfte wurde die Ursache nie entdeckt. In der Charité gab es bei Untersuchungen bisher kein Ergebnis. Die Keime könnten auch über Milchpumpen übertragen worden sein.
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