Schulen in Berlin: Kaum deutsche Muttersprachler an Berlins Brennpunktschulen
An einigen Schulen in Neukölln und Mitte sind deutsche Muttersprachler in der Unterzahl. Die bestehenden Maßnahmen reichen nicht, um Sprachdefizite auszuräumen.
„Wir sind arabisiert“ – die Worte, mit denen Astrid-Sabine Busse derzeit immer wieder zitiert wird, klingen dramatisch. Doch die Vorsitzende des Interessenverbandes Berliner Schulleitungen (IBS) und Leiterin der „Schule an der Köllnischen Heide“ hat sie bewusst gewählt, denn die Situation an ihrer Einrichtung ist alles andere als einfach: Von 103 Kindern, die in diesem Jahr eingeschult wurden, hat nur ein einziges deutsche Wurzeln. In vielen ersten Klassen in Neukölln sieht es nicht anders aus, ebenso in einigen Gebieten in Wedding und Kreuzberg. Erst im Mai dieses Jahres hatten Lehrer und Erzieher der Sonnen-Grundschule in Neukölln Alarm geschlagen.
Die Senatsbildungsverwaltung verweist auf zusätzliche Gelder und Programme, die an den Brennpunkt-Schulen zur Verfügung stehen, das reicht aber offenbar nicht mehr aus. „Die Schule an der Köllnischen Heide erhält 100.000 Euro im Jahr zusätzlich“, sagte Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) dem Tagesspiegel: „Sie hat einen zusätzlichen Sozialarbeiter, mehrere Schulhelfer und 180 Unterrichtsstunden zusätzlich zur Sprachförderung.“
NdH-Anteile in den Bezirken
Dass es Schulen gibt, an denen fast alle Kinder eine andere Muttersprache als Deutsch haben, das ist in Berlin kein neues Phänomen. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles sprach am Donnerstag im Bildungssausschuss von einem „Dauerthema“, das die Bildungsexperten seit langem beschäftigt und auf das auch mit zahlreichen Maßnahmen reagiert werde. Mit Förderstunden, Sozialarbeitern und Lehrercoaching versucht die Bildungsverwaltung gegenzusteuern. Offenbar sind auch weitere Maßnahmen nicht ausgeschlossen. Die Frage, inwiefern daran gedacht wird, die Zahl der Deutschstunden im Grundschulbereich zu erhöhen, ließ die Bildungsverwaltung offen.
Laut der Statistik für das Schuljahr 2017/18 haben rund 39 Prozent der Schüler eine „nichtdeutsche Herkunftssprache“ (ndH). In den vergangenen Jahren gab es einen leichten Anstieg, im Schuljahr 2015/16 waren es 36 Prozent. Die höchsten ndH-Anteile gibt es in Mitte und Neukölln mit rund 68 Prozent, die niedrigsten Anteile mit rund 13 Prozent in Treptow-Köpenick und Pankow. Im Schuljahr 2015/16 gab es 33 Schulen – vor allem in Neukölln und Mitte – mit einem ndH-Anteil von über 90 Prozent.
Probleme beginnen in der Kita
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) sagt: „Schule muss vieles auffangen, was zu Hause nicht geleistet wird.“
Die geringen Sprachkenntnisse der Erstklässler sind das eine große Problem: Schon seit Jahrzehnten versuchen Berliner Politiker wie der ehemalige Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) da gegenzusteuern. Der Versuch, eine Kitapflicht einzuführen, scheiterte immer wieder. Wenigstens können Kinder, die bei der großen Untersuchung eineinhalb Jahre vor Schuleingang massive sprachliche Defizite aufweisen, zum Deutschlernen in die Kitas geschickt werden. Theoretisch jedenfalls. Da aber die Kitaplätze in Berlin derzeit hinten und vorne nicht reichen, findet das in der Praxis mittlerweile kaum mehr statt.
Viele Schüler kommen mit Sprachdefiziten in der Grundschule an. Das zeigen auch die Auswertungen der Sprachstandsfeststellungen, die im Kitaalter durchgeführt werden. Bei 16 Prozent wurde ein Sprachförderbedarf festgestellt. Von den Kitakindern, denen ein Bedarf attestiert wurde, kamen 2017 knapp 72 Prozent aus Familien mit nichtdeutscher Herkunftssprache. Bei Kindern, die keine Kita besuchen, sind die Sprachdefizite meistens noch höher.
"Integrationsunwilligkeit eines Teils der arabischen Familien"
Das zweite große Problem besteht nach Ansicht des ehemaligen langjährigen Integrationsbeauftragten von Neukölln, Arnold Mengelkoch, in der hartnäckigen Integrationsunwilligkeit eines Teils der arabischen (Groß-)Familien. „Die leben vor allem in der Köllnischen Heide und lehnen eine Integration nicht nur ab, sondern bekämpfen sie regelrecht“, sagt er: „In einigen Moscheen wird Hass gepredigt – kein Wunder, wenn sich das auch an den Schulen bemerkbar macht.“
Leiter von weiterführenden Schulen, auch von Gymnasien, können das bestätigen: „Jedes Jahr kommen mehr Mädchen mit Kopftuch aus den Sommerferien zurück“, erzählt eine Lehrerin, die nicht genannt werden will: „Schülerinnen, die das ablehnen, werden als Schlampen beschimpft und ausgegrenzt. Ebenso Paare, die auf dem Schulhof Händchen halten, weil man sich doch vor der Ehe nicht berühren darf. Und was das Schlimmste ist: Es sind eigentlich die Klügsten, die sich am ehesten radikalisieren.“
Um das zu verhindern, müsste man noch viel mehr in die Bildung investieren, sagt Astrid-Sabine Busse. Wo, wenn nicht in den Schulen, könne das am ehesten gelingen. Dazu müsse man aber über noch mehr Hilfen, beispielsweise durch Schulpsychologen oder Schulkrankenschwestern nachdenken. „Oder wieder eine richtige Vorschule einführen“, sagt Busse: „In der Kita und auch in der Grundschule sind die Kinder noch zu erreichen. Mehr noch: Für viele unserer Schüler ist das Klassenzimmer ein geschützter, friedlicher Ort, wo man Freunde hat und sich wohler fühlt als zu Hause. Die sagen ganz offen, dass sie Ferien doof finden.“
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